Am 03.11. veröffentlichte ich einen Artikel in meinem Blog, in
dem es um Flüchtlinge ging. Ich stellte meine eigene Position, die
als „Gutmensch“ verschrieen ist, konträr zu derer, die ich
„besorgte Bürger“ nenne. Darin bestärkte ich meine Position pro
Asyl und pro Menschlichkeit. Wie zu erwarten gewesen ist, hat der
Artikel ein paar Kommentare produziert. Drei davon negativ
konnotiert, nicht mich angreifend, aber meine Haltung mit Beispielen
aus Magdeburg. Einer Frau, die ohne Pfefferspray in Magdeburg nicht
auf die Straße gehen wollte, und zwei Herren, die mit weiteren
Informationen aufwarteten. Alle drei sind mir unbekannt. Und alle
drei haben mir auch nur einen Besuch abgestattet und sind dann
weitergezogen. Moment, Korrektur. Anscheinend waren es doch alle drei
Männer. Alle drei haben mit Google ID gepostet. Der erste User,
Magdeburger, schickt einen allerdings auf eine Werbeseite. User Nr.
2, Daniel Vetter, nimmt einen mit auf seine Google+-Seite, wo er auf
den ersten Blick zeigt, dass er mit dem Thema gut vertraut ist und
durchaus in die Ecke „besorgter Bürger“ eingeordnet werden muss.
Universum zuguterletzt verlinkt auf seine stark esoterische Seite.
Dass der Gute Angst vor Flüchtlingen hat, ist verständlich,
propagiert er doch, dass alle Wünsche wahr werden, wenn man nur
stark genug an sie glaubt... Die Flüchtlinge sind aber eben noch da,
und das passt sicher nicht in sein Konzept.
Ich denke, ich
übertreibe nicht, wenn ich sage, dass die drei nur da waren, um ihre
Sicht der Dinge zu kolpotieren, ohne auf meine Antworten gespannt zu
sein. Das kann man mögen, ich finde es schlecht. Und ich fühle mich
an meine Trolle erinnert, die mich besucht haben, als es um den
Klimawandel ging. Mit denen konnte man reden, solange man ihre
Angaben als reale Fakten betrachtet hat.
Danach bekam ich positive Unterstützung von Nathan und Net
Sparrow, die regelmäßige Besucher meines Blogs sind.
Schließlich
kam ein etwas seltenerer, aber gern gesehener Gast meines Blogs,
HenjinAkira, und hinterließ gleich drei Postings zum Thema. Das war
solch ein Aufwand, den ich honorieren muss. Nicht nur mit einer
Antwort, die in den Kommentaren untergeht, sondern mit einem eigenen
Blogeintrag. Aber lassen wir ihn zu Wort kommen und mich antworten.
Und nein, Akira ist weder rechts, noch nahe dran, hat persönlich
sehr schlechte Erfahrungen mit Migranten gemacht und daher auch ein
Recht, ihnen mindestens argwöhnisch zu begegnen, nur um das gleich
zu Anfang zu sagen.
Hallo Ace,
in Bezug auf die Ängste Anderer redest du
meilenweit am Thema vorbei. Man merkt dir überdeutlich an, dass du
dich selbst noch für "unantastbar/unsterblich" hälst
(siehe unsere Diskussion per PN), weil du die Erfahrung der
Machtlosigkeit noch nicht machen musstest. Das ist keine Sache, die
sich rational erfassen lässt, auch nicht wenn man das will.
Und
ich beachte dabei deine Angstattacken nicht, die zählen da nicht,
die waren "selbstgemacht" und keinem Fremdeinfluß
geschuldet. Sorry, das nehme ich mir aufgrund eigener Erfahrungen
raus.Ace: Ich habe mich schon erheblich machtlos gefühlt,
als ich nicht wusste, warum der Scheiß anfing, warum ich plötzlich
nicht mehr aufstoßen konnte und geglaubt habe, deswegen gleich jede
Sekunde sterben zu müssen oder zu ersticken. Auch das Gefühl, sich
selbst übergenau zu beobachten und jede Merkwürdigkeit als neu
anzusehen, und als Gefahr, war keine nette Erfahrung.
Zugegeben,
ich habe noch nie vollkommen hilflos in einem Krankenbett gelegen,
musste mich nie durch Reha quälen. Aber hilflos meiner Angst
ausgeliefert war ich. Und das war kein schönes Gefühl. Selbst jetzt
noch quälen mich Reste dieser Angst, wann immer ich Auto fahre.
Und ich bin in der Beziehung einer Meinung mit dem
Vorschreiber, dass du das nie begreifen wirst, wenn du diese
Erfahrung nicht machen musstest. Und das ist kein böser Wille von
dir, das ist einfach so, weil du es vorher nicht erfassen kannst. Das
konnte ich auch nicht, bevor ich selbst in eine solche Lage geriet,
wenn ich daran denke, wie ich vorher und wie grundlegend anders ich
nachher gedacht habe... Emotional liegen da Welten dazwischen... und
diese grundlegende Emotion der Bedrohung und Machtlosigkeit ist so
essentiell, dass auch das rationale Denken davon immer beeinflusst
wird.Ace: Aber ich begreife
durchaus, was Angst ist und wie sie funktioniert. Und ich erkenne
auch verallgemeinernde Angst oder den Beginn einer Psychose. Und noch
einmal, ich widerspreche Dir. Es war eine sehr schlimme und lang
anhaltende Angst, die mich an manchen Tagen zwang, bewusst zu atmen.
Tagelang habe ich das gemacht, ohne zu wissen, woher es kommt und wie
ich es abstelle. Nachts wachte ich zweimal auf und dachte, ich muss
an meinem Schleim ersticken... War keine schöne Zeit. Sicher, das
geht schlimmer, aber ich kenne diese Erfahrung. Gut, Du siehst das
anders. So, wie ich es anders als Du sehe.
So sehr ich dir wünsche, dass du deine "Blauäugigkeit"
in der Hinsicht nie verlierst, so sehr ärgere ich mich, wie
leichtfertig du die Ängste anderer abwatscht. Nein, es geht nicht
nur um Rationalität, und auch auf Ängste muss man eingehen und sie
ernst nehmen, denn sie sind nun mal menschlich. Wenn man sie einfach
ignoriert und kleinredet, verselbstständigen sie sich nämlich erst.
Die Leute, die vorher "nur besorgt" waren, fühlen sich
nicht ernst genommen und gedemütigt und werden im schlimmsten Falle
tatsächlich radikal. Auch besorgte Menschen haben ein Recht darauf,
gehört, ernst genommen und nicht abgewiegelt zu werden. Und woher
nimmst du das Recht, alle, die besorgt sind, als Rassisten zu
beschimpfen? Und die, die sich Sorgen machen, eben weil sie
persönlich schlechte Erfahrungen machen mussten, sind auch nicht
automatisch blöd, wie du zu unterstellen scheinst. Deine einseitige
Beurteilung finde ich grenzwertig.Ace: Habe ich die Ängste
leichtfertig abgewatscht? Ich habe zum Thema recherchiert, als ich
damit konfrontiert wurde, vor allem den Part mit den vier
Vergewaltigungen. Heraus kam eine. Immer noch eine Vergewaltigung zu
viel, ich denke, das sehen wir beide ähnlich. Aber, hier kommt der
Mechanismus zum Tragen.
Auch wenn ich jetzt mit Hilfe diverser
Links beweisen kann, bleiben die Einsager bei vier Vergewaltigungen.
Schrauben sie hoch auf sechs oder gar acht, oder zehn. Es gibt
Menschen, die glauben das, die haben tatsächlich Angst. Und nicht
erst seit Nibiru wissen wir, dass manche Menschen diese Angst zu
ihrer Angst machen und jedes Wort glauben, das gesprochen wird oder
erzählt wird. Dann sind es vier Vergewaltigungen durch Flüchtlinge,
nicht eine, und wer was anderes sagt, der gehört zur Lügenpresse.
Es gibt nur zwei Möglichkeiten. 1) Man lässt die Menschen mit
ihren Ängsten allein und sieht dabei zu, wie sie wachsen und sie
terrorisieren und sie ins braune Lager treiben, die tatsächlich was
tun wollen. Mord und Totschlag. 2) Man stellt ihnen Fakten entgegen
und versucht zu informieren. Zumindest jene, die noch für Fakten
zugänglich sind.
Ich habe es mit dem Nibiru-Hype verglichen. Da
kamen Menschen zum Astronomen Freistetter, und haben sich erklären
lassen, warum das Thema Unsinn ist.
Ebenso ist es Unsinn, sich im
großen Magdeburg nach einer Vergewaltigung pauschal vor Flüchtlingen
zu fürchten. Magdeburg hat eine Viertelmillion Einwohner, davon
ungefähr die Hälfte Frauen. Jetzt gab es eine Vergewaltigung, deren
Täter ein „Südländer“ war, vielleicht ein Flüchtling. Deshalb
Angst vor allen Flüchtlingen zu haben, ist irrational.
Freistetter hat gesagt, das beste Mittel gegen Angst ist, sich zu
informieren. In diesem Fall heißt das, liebe Leute, prüft nach,
woher diese Gerüchte kommen. Wenn es keine anderen Quellen gibt als
jene Rechte Rand-Fischer, nicht einmal Privatleute, die ein
Facebook-Konto haben und nicht durch rechte Parolen aufgefallen sind
– ich nehme die „Lügenpresse“ hier mal komplett raus – dann,
liebe Leute, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es ein Fake ist.
Oder dass eine Straftat unnötig aufgebauscht wurde. Aber wie gesagt,
eine Vergewaltigung ist schon eine zuviel. Ich hoffe, der Täter wird
gefasst.
Es gibt keine Trennung in "Gutmenschen" und
"besorgte Bürger", zumal du die in deinem Aufsatz gleich
mal alle über einen Kamm scherst und in die rechte Ecke stellst.
Lies da noch mal nach, du polemisierst und malst schwarz-weiß.
Hm,
das kann ich auch: "Gutmenschen" = naiv, "Besorgte
Bürger" = realistisch. Auch nett, oder? ;-pAce: Dabei
übersiehst Du aber eines. Ich habe niemanden explizit als „besorgten
Bürger“ identifiziert. Wer also den Schuh überstreifen möchte,
könnte verwundert sein, wenn er passt. Weißt Du, Hetze und
Agitation fängt immer ganz klein an und steigert sich. Am Schluss
glauben zehntausend Leute, sie würden für 82 Millionen
sprechen.
Sicher, eine glatte Trennung zwischen Gutmenschen und
besorgten Bürgern wird es nicht geben. Weil dazwischen nämlich noch
sehr viele Standpunkte stehen. Ich gebe zu, ich habe den Begriff
Gutmensch hart abgegrenzt dargestellt, weil er in der rechten Ecke
als Schimpfwort gilt.
Dummerweise wurde ich damals auch von "südländisch"
aussehenden jungen Männern überfallen. "Südländisch",
den Begriff verwendet man, weil man natürlich nicht auf deren Stirn
ablesen kann, woher die Täter genau kommen. Dunkler Teint, dunkle
Haarfarbe und Augen und typischer Gesichtsschnitt eben gleich
"südländisch"... eben auch, weil man nicht sagen will
"Migrant", weil das ein Vorurteil impliziert... und man
dann so abgewatscht wird, wie du das hier tust.
In meinem Fall
waren es Jugendliche mit "Migrationshintergrund",
ermittelt, erwiesen und verurteilt.Ace: Ich weiß. Aber
verurteilst Du jetzt automatisch alle „südländischen“ Menschen
oder „Migranten“ als potentielle Straftäter? Oder beurteilst Du
jeden einzeln für sich und anhand seiner Taten?
Mir ist klar,
dass es Problemviertel gibt, Schattengesellschaften und libanesische
Clans, und, und, und. Mir ist klar, dass sich Migrantenkinder
aufgemacht haben, um an der Seite der Daesh zu kämpfen. Mir ist aber
auch klar, dass Deutschland und auch keine Problemviertel per se
Rechtsfreier Raum sind. Aber ich denke, dass auch Problemviertel in
den Griff zu kriegen sind, wenn man es wirklich versucht. Auch wenn
man mit vierzig Jahren Verspätung anfängt.
Dummerweise waren die Schläger, die mit Baseballschlägern im
Szeneviertel in Berlin auf meine Bekannten losgingen, "Südländer",
genauer junge Türken, die "Schwule klatschen" gingen. Da
konnte man aus dem Gegröle sehr gut heraushören, wer genau das
war.
(Und zu DDR-Zeiten gab es da auch mysteriöse Gruppen aus dem
nahem Osten, die im Studentenwohnheim untergebracht waren, und über
die wir nichts wissen durften.)Ace:
Homophob halt. Die findest Du nicht nur unter Türken. Das
auszurotten wird noch ein langwieriger Prozess sein. Schwer, lang,
voller Stolpersteine. Aber ein Anfang ist seit langem gemacht.
Beide neueren Vorfälle haben gemein, dass die
Gewalttätigkeiten mit der Religion und dem sozialen und
gesellschaftlichen Selbstverständnis der Täter begründet wurden.
Und das das in beiden Fällen Serientäter waren. Also bin ich
besorgt und vorsichtig, wenn ich auf einmal mit größeren Mengen
jungen und männlichen "Südländern" konfrontiert
werde.Ace: Das gleiche Gefühl habe ich, wenn ich beim
Fußball in eine Gruppe Hooligans gerate. Und ich hätte es, würde
ich je in eine Pegida-Veranstaltung geraten. Und ja, auch eine Horde
gewaltbereiter Türken mit Baseballschlägern würde mir Angst
machen.
Allerdings hat mich ein Hund gebissen. Wirklich. So ein
kleiner Wadenbeißer. Seitdem habe ich Angst. Vor kleinen Hunden. Ich
misstraue allen Tieren erst einmal, aber ganz besonders den kleinen
Hunden. Vorsicht ist gut und schön, aber man muss erkennen, was
begründet ist, und was Angst ist.
Und das heißt trotzdem nicht, dass ich fremdenfeindlich
wäre oder gar rechtsradikal.
Die meisten meiner Freunde in
Heidelberg waren Ausländer und Migranten, tatsächlich. Schon wegen
der vielen Studenten dort. Hier, in dieser ländlichen Gegend, in der
ich wohne ist es nicht mehr so, weil es hier nicht so viele Ausländer
gibt... ganz einfach. In der Regel ist es mir wurscht, woher ein
Mensch kommt, mit dem ich mich gut verstehe und es gibt auch mehr als
genug deutsche Vollhonks.
Ace: In einem Punkt hast Du recht: Alle meine negativen
Erfahrungen habe ich bisher Deutschen zu verdanken, nicht den
Ausländern. Deshalb sind sie bei mir noch nicht negativ konnotiert.
Noch? Nun, ich hoffe doch sehr, dass ich meinen Vorsatz, niemals zu
verallgemeinern und zu pauschalisieren nicht fallen lassen werde.
Keine Sorge, ich weiß, dass Du weder fremdenfeindlich bist, noch
rechtsradikal. Aber Dein letzter Satz spricht doch genau das aus, was
ich sagen will...
Nein, ich unterstelle nicht allen Flüchtlingen,
gewalttätig und rücksichtslos zu sein.
Aber ich sehe auch, dass
es solche Menschen in den Flüchtlingsmengen geben wird, Gesetz der
Zahl und Erfahrung. Und das es nicht hilfreich sein kann, Menschen
ohne ausreichende Vorbereitung irgendwo zusammenzupferchen, schon gar
nicht Menschen, die traumatisiert sind, Hauptsache wir haben sie
erstmal "reingelassen", um uns selbst auf die Schulter
klopfen zu können, wie solidarisch und human wir doch sind. Und noch
was, wie sollen Menschen diese Flüchtlinge vom Grunde ihrer Herzen
willkommen heißen, wenn sie sich als Einheimische übergangen und
nicht ernst genommen fühlen?
Fakt ist eben auch, dass auch
besorgte Bürger mit anpacken und helfen, wenn es nötig ist, und
eben nicht irgendwas abfackeln. Hier in meinem Umfeld ist das
jedenfalls so.
Im übrigen sind nachweislich 2/3tel der Brände
dadurch entstanden, dass in den Unterkünften auf offenen Feuern
gekocht wurde. Ace: Auf FB bin ich mit einigen Leuten
befreundet, die ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe tätig sind.
Ja, in einem Flüchtlingslager kommt schon mal die Polizei. Ja,
da gibt es auch Ärger, und dann stehen plötzlich alle Afghanen
geschlossen hinter ihrem Landsmann, und die Syrer hinter ihrem. Aber,
und das ist der spannende Punkt im Geschehen, es kommt
glücklicherweise nicht oft vor. Wäre das der Fall, hätten rechte
Gruppen das schon ausgeschlachtet, anstatt falsche Geschichten zu
verbreiten.
In den Aufnahmelagern sollen die Menschen nach der
Registrierung ankommen, zu sich selbst zurückfinden, aufhören,
Angst zu haben. Nationalitäten sind da erst in zweiter oder dritter
Linie ein Problem. Satt werden, es warm haben, und vielleicht mit
jemandem Schach spielen, keine Langeweile aufkommen lassen, Deutsch
lernen... Bis eine Wohnung zugeteilt ist.
Das sind übrigens
Aktionen des Bundes und der Länder, die zugegeben sehr spät auf den
zu erwartenden Anstieg reagiert haben, nicht die von Gutmenschen.
Die stehen eher an einem Bahnhof und organisieren ehrenamtlich
Busverkehr, Arztbesuche und eine warme Mahlzeit, gehen auch schon mal
durch einen vollbesetzten Zug und verschenken die eigenen Schuhe an
Fremde. Das sind keine offiziellen Aktionen, aber Dinge, vor denen
ich Respekt habe. Ich denke nicht, dass diese Freiwilligen sich dafür
auf die Schultern klopfen.
An der Stelle lasse ich es hier gut sein, natürlich kann
man über jeden einzelnen angesprochenen und vor allem nicht
angesprochenen Punkt tagelang diskutieren, ohne alles erfasst zu
haben.
Sorry, ich kann einfach diese "Gut gegen
Böse"-Rhetorik nicht mehr hören oder lesen, das ist fast
genauso dumm und einseitig, wie rechtsradikales Gedankengut.
Vereinfachung halt. Nur mit dem Unterschied, dass man es eben sagen
darf, es so gewünscht und gutgeheißen wird in der Öffentlichkeit.
Scheuklappen, nur in der anderen Richtung *lol*. Die Welt ist nun mal
nicht schwarz-weiß und wird es auch nie sein.Ace: Ich finde
es gut, wenn man argumentieren kann, wenn man argumentieren darf.
Standpunkte austauscht, usw. Und ich finde es auch problematisch,
wenn es in Flüchtlingsheimen zu offener Gewalt kommt, z.B. weil ein
Christ den Koran im Klo runterspülen wollte. (Das enthebt uns
allerdings nicht, polizeilich feststellen zu lassen, wer was wem wie
angetan hat und gemäß unserer Gesetze zu ahnden.) Oder wenn eine
ethnische Gruppe auf die andere losgeht. Aber ich halte es für böse
Rhetorik, wenn davon gleich auf alle Flüchtlinge geschlossen wird.
Klar ist das Bild nicht schwarz oder weiß. Aber ebenso klar ist,
dass viel Unsinn im Spiel ist.
Ein Beispiel: An einem Internat sollten junge unbegleitete
Flüchtlinge aufgenommen werden. Zwischen vierzehn und sechzehn. Ein
Ehepaar mit zwei Töchtern stellten sich am Abend der Vorstellung
extrem quer und befürchteten ganz offen, dass ihre beiden Töchter
von den jugendlichen Ausländern vergewaltigt werden würden. Ohne
Beweis, ohne Tendenz, nicht einmal mit dem geringsten Hauch an
Fakten. Weißt Du, was diese Eltern wirklich sagen wollten? „Ich
will nicht, dass meine Töchter mit Freunden nach Hause kommen, die
Ahmad und Ursai heißen. Und dunkle Babies sollen sie auch nicht
kriegen.“
Und genau das ist der springende Punkt im Geschehen.
„Die“ sind eben „anders“ und sollen auch „woanders“
bleiben. Das ist schon sehr tief in unserer Gesellschaft angekommen.
Ich bin jederzeit bereit, mit jemandem zu diskutieren, auch über
Flüchtlingspolitik. Aber wenn er oder sie mir Quatsch erzählt,
widerspreche ich. Fakt für Fakt. Nichts anderes. Zum Beispiel das
Pärchen aus Gronau, beide über sechzig: „Die Flüchtlinge wissen
gar nicht, wie man eine Toilette benutzt.“ Originalton. Der Punkt
ist, sie haben Recht. Syrer zum Beispiel waschen sich nach dem großen
Geschäft gleich den Hintern und nehmen nicht wie wir tonnenweise
Papier. Wenn die also keine Wasserkannen auf dem Klo haben, sind sie
von der Papierrolle etwas ratlos.
Ich will damit sagen, dass „der
kann kein deutsches Klo benutzen und rasiert sich in der Schüssel“
doch kein Argument ist, um solchen Menschen Asyl zu verweigern. Das
Gleiche hat übrigens eine große deutsche Boulevardzeitung schon mal
behauptet – über einwandernde Russlanddeutsche, btw.
Und nein, ich habe nicht vor, rechtsradikales Gedankengut, vor
allem, wenn es zur Gewalt aufruft, zu verharmlosen. Das sollte
selbstverständlich sein. Das sag ich nur vorsichtshalber, denn ich
könnte wetten, dass so eine Entgegnung kommt ;-).
Ace: Das
habe ich Dir auch nicht unterstellt. Im Gegenteil, Dein Standpunkt
ist im Gegensatz zu den bornierten Eltern oder dem älteren Ehepaar
gut zu verstehen und nachzuvollziehen. Zudem baust Du Deine
Argumentation auf Fakten auf. Und es ist weder verkehrt, in der
Flüchtlingsfrage ein Auge auf das Thema und die Menschen zu haben,
noch wäre es richtig, zum Beispiel Flüchtlingsgewalt und
Flüchtlingskriminalität totzuschweigen oder zu verharmlosen. Aber,
und das behalte ich mir vor, wenn ein EDEKA-Eigentümer auf Facebook
einen Artikel veröffentlicht und da klipp und klar sagt, kein
Flüchtling dürfe bei ihm klauen, ohne dass er Strafanzeige stellt,
und der Laden wäre auch nicht schon halb ausgeräumt, dann teile ich
das.
Rechtsradikales Gedankengut wie die ständig aufkommenden
Vergewaltigungsvorwürfe, „die die Lügenpresse verschweigt“,
geht bereits zu weit. Ich denke, die Problematik ist, dass viele
Menschen zwei, drei Schritte weiter gehen als Du. Die noch nie durch
einen Ausländer oder einen Flüchtling Schaden erlitten haben, und
die einfach auf sie schimpfen, weil sie anders sind. „Wer ein
Smartphone besitzt, der muss nicht flüchten.“ „Junge Männer in
der Blüte ihrer Jahre, die hätten statt zu flüchten ein Gewehr
nehmen und für ihr Land kämpfen sollen.“ „Die schächten Lämmer
auf dem Balkon.“ Solche Dinge sind noch lange nicht rechts, aber
rechter als Dein Standpunkt, und dann auch noch nicht mal
gerechtfertigt. Rechts von Dir gibt es, bevor die Rechtsradikalen
kommen, tatsächlich noch eine Menge „besorgter Bürger“. Und die
sind sich gar nicht bewusst, wessen Argumente sie verbreiten. Darum
sage ich es ihnen.
Mit herzlichem Gruß
Akira
Ace: Du bist hier immer ein gern gesehener Gast. Und ich freue
mich auf eine gute Diskussion.