Es gibt eine Sache, die mich aufregt. Eine Sache, die ich in eine Linie mit Kreationisten, KTG-Verteidigern und BILD-Lesern einordne: Das sind die Kommentatoren in öffentlichen Foren, die nach der Katastrophe in Fukushima Daiichi versuchen zu beschwichtigen, schönzureden oder Panik zu schüren.
Typische Argumente: Japan ist weit weg. Ist doch alles gar nicht so schlimm da. Es ist nur eine Legende, dass bereits Kernbrennstäbe geschmolzen sein sollen. Unsere Kraftwerke sind ja viel sicherer. Wir haben keine Erdbebengebiete und keine Tsunamis. Man muss über dieses Thema doch mal sachlich diskutieren können, sprich: Atomkraftgegner bitte mal die Fresse halten. Ihr versteht ja alle gar nichts darüber, was in einem Atommeiler vor sich geht. Wollt Ihr denn, dass bei uns die Lichter ausgehen? Wollt Ihr denn, dass wir statt deutschem Atomstrom ausländischen Atomstrom aus Tschechien und Frankreich kaufen?
Und, mein liebstes und sehr neues Argument: Die derzeitige Debatte wurde von SPD/Grünen angeheizt, um Wahlkampf zu machen. Alles linke Propaganda, und das will ich mal sehen, was die kleinen Ökos sagen, wenn nachts die Lichter ausgehen.
...sacken lassen.
Ich bin schon vereinzelt in meinem Blog auf viele Dinge eingegangen, die ich hier noch mal zusammengetragen habe. Und ich werde vielleicht später noch mal gezielt auf die einzelnen Punkt eingehen. Diesmal aber will ich nur zwei Punkte erläutern, weil sie so ziemlich für sich sprechen.
Der erste Punkt ist folgender: Im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi sind vier von sechs Reaktoren betroffen. Bei dreien kam es zu Explosionen, vorgeblich durch Ansammlungen von Wasserstoff. Die Bevölkerung im Umkreis von zwanzig Kilometern wurde evakuiert, im Umkreis von dreißig Kilometern wird den Leuten geraten in den Häusern zu bleiben und Fenster und Türen geschlossen zu halten.
Drei Tage nach der Katastrophe meldete ein US-amerikanischer Flugzeugträger auf dem Weg nach Japan, sie hätten eine radioaktive Wolke durchquert.
Neueste Meldungen besagen, dass radioaktives Jod in Mengen über dem Grenzwert im Trinkwasser Tokios gefunden wurden. Ebenso wurde bereits belastetes Gemüse aus der Fukushima-Region entdeckt. Manche sagen, es wäre bereits zur Kernschmelze gekommen, japanische Beamte sprechen bestenfalls von einer "teilweisen" Kernschmelze. Reaktor drei der Atomanlage Fukushima Daiichi enthält Brennstäbe, die mit dem hochgiftigen Plutionium angereichert sind.
Und last but not least: Drei Arbeiter des Kraftwerks wurden verstrahlt. Zwei von ihnen mit Strahlungsverbrennungen an den Beinen ins Krankenhaus geliefert.
Die Belastung des Ozeans durch das kontaminierte Löschwasser ist noch nicht einmal ansatzweise abzusehen. Ob jemals Menschen wieder in die Häuser des Evakuierungsbereichs zurückkehren können steht m.E. noch nicht fest.
...sacken lassen.
Ich denke, wir können eine Sache sicher sagen: In Fukushima Daiichi kam es zum größten anzunehmenden Unfall, dem GAU, eventuell ist die Anlage an einem Super-GAU wie Tschernobyl vorbei geschlittert, eventuell auch nicht. Wir wissen es noch nicht. Aber allein die offiziell freigegebenen Informationen beweisen doch eines: Wir können die Folgen für Japan und speziell die Fukushima-Region noch gar nicht absehen. Doch allein die Evakuierung beweist, dass hier keine kleinen Brötchen gebacken werden.
Jedermann, der versucht, diese Katastrophe herunter zu spielen, schön zu reden oder zu erklären, dass "das" in Deutschland nicht möglich ist, sage ich folgendes: Wir haben den atlantischen Rücken, also Erdbebengebiet. Die Nordsee ist sehr flach. Mit dem Rheingraben und der Eiffel haben wir Erdbebengebiet, und vulkanisches Gebiet mitten in Deutschland. Und das Wichtigste: Wir haben Atomkraftwerke, in denen theoretisch die Kernbrennstäbe schmelzen können. Wie in Fukushima gesehen, können selbst international als extrem sicher geltende Meiler Schaden nehmen und Einfluss auf ihre Umgebung ausüben. Das wissen wir nicht erst seit Three Miles oder Tschernobyl.
Jedermann weiß, dass die Endlagerung vom Bund bezahlt wird, und zudem für einhunderttausend Jahre strahlende "Reste" noch immer ungeklärt ist - Salz fällt aus, weil Wasserlöslich - die Betreiber dafür aber bisher keinen Euro lockern müssen. Die Brennstäbesteuer dürfen sie darüber hinaus reduzieren, falls sie Umrüstungskosten für mehr Sicherheit haben. Zudem hat Atomstrom nur noch einen Anteil von einem relativen Viertel an der deutschen Stromerzeugung, und zufällig ist das recht genau die Menge, die deutsche Kraftwerke ins Ausland exportieren.
Also, bitte, liebe Atmstrombefürworter: Das hässliche Gesicht der atomaren Katastrophe wird nicht wieder verschwinden, nur weil Japan weit weg ist, und "hier so etwas nicht passieren kann". Im Gegenteil. Wir haben die Kraftwerke, und damit sind sie da, die kleinen nuklearen Potentialkatastrophen. Alleine das ist Grund genug ergebnisoffen über die Zukunft von AKW's zu diskutieren - und nicht wie Ihr alle Gegner als "grüne Idioten und SPD-Wahlkampfhelfer" zu beschimpfen und den Ausgang der Diskussion herbeibefehlen zu wollen. Hat schon bei KTG so nicht funktioniert. "Mit uns kann man reden, solange man die Klappe hält", so kommmen mir eure unsachlichen kreationstischen Argumente vor. Mit Diskussion oder gar Diskussionsbereitschaft hat das nichts, aber auch gar nichts zu tun.
Argument Nummer zwei: SPD und Grüne benutzen das Thema für den Wahlkampf.
Nett. Netter Versuch, mal wieder eine linke Verschwörung herbeizudichten, genau wie bei KTG natürlich die linke Presse und linke Agenten an der zusammengeklauten Dissertation des ehemaligen Verteidigungsministers Schuld war. Oder sie unerlaubterweise in eine frei verkäufliche Doktorarbeit rein geschaut hatten, verbunden mit der Frechheit, auch noch was zu finden. Autsch.
Wer hier wirklich Wahlkampf mit dem Thema macht, steht ja seit der "angeblichen", weil mittlerweile dementierten Aussage von Wirtschaftsminister Brüderle schon fest: Die CDU mit Übermutter Muberkel.
Ein kleiner Epilog sei mir erlaubt: Nicht ganz zu Unrecht weisen Atomkraftbefürworter darauf hin, dass bei der Atom-Diskussion das Leid und die Not der Opfer von Beben und Tsunami unterzugehen drohen.
Nun, ich stelle fest, dass zwar die Berichterstattung über Fukushima mehr Raum erhält, aber dass die Tsunami und ihre Opfer nicht unerwähnt bleiben.
Dennoch sollten wir, wir alle nicht vergessen, dass zehntausende Japaner in einem Land, das zu den großen Industrienationen gehört, durch diese Katastrophe vor dem Nichts stehen, und dass sie, bis Japan wieder Tritt gefasst hat, auch unsere Hilfe brauchen. Das sollte jeder tun. Entweder so wie ich, durch regelmäßige Spenden an eine karitative, weltweit operierende Vereinigung, oder direkt durch eine Spende an eine jener Organisationen, die gerade für die japanischen Opfer von Beben und Tsunami sammeln. Auch auf die Gefahr hin, das nicht alles Geld ankommen sollte.
Und wem das nicht möglich sein sollte, aus welchen Gründen auch immer, kann dennoch seinen Teil leisten, indem er/sie die Erinnerung an die Katastrophe wachhält, hier im Internet.
KW 49/24: Hör- und Gucktipps zum Wochenende
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Hurra, Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer
Wochenendausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme
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vor 9 Stunden