Okay, ich mache es Euch von Anfang an leicht. Ich bin den Gutmenschen zuzuordnen. Nicht, weil ich die Realität nicht sehen möchte oder keine Angst vor Problemen, zu naiv bin, um "die Wahrheit" zu sehen, sondern weil besorgte Bürger mich in diese Schublade stecken. So einfach ist das.
When it fits, it sits, sagen die Amerikaner. Das passt auf diesen Fall sehr gut.
Das nur als Einordnung, damit ich niemanden enttäusche. Einige können jetzt weitergehen und "noch so einer" murmeln, andere mögen weiterlesen.
Was ist ein Gutmensch? Geht es nach seinen Kritikern, will er nicht erkennen, dass der Zuzug so vieler "Moslems" unsere "abendländischjüdische Leitkultur" gefährdet, dass es im Zuge der Flüchtlingskrise "zweifellos zu einem Anstieg von Gewalt und Verbrechen durch eben jene Flüchtlinge kommen wird", der "alles durch die rosarote Brille sehen will", aber "selbst nichts dafür tun will, dass es klappt", "selbst keine Flüchtlinge Zuhause aufnimmt", und, das ist der wichtigste Punkt, nicht einer Meinung mit den besorgten Bürgern ist.
An dieser Stelle möchte ich gerne mal einhaken. In der Hauptortschaft meiner Samtgemeinde, Gronau Leine, gab es dieses Wochenende Vandalismus. Eine Ampelanlage wurde mit Swastika-Symbolen, eben jenem Nazi-Hakenkreuz, und fremdenfeindlicher Ignoranz verunstaltet. "Dumm ist der, der Dummes tut", sagte schon Forrest Gump, und hier hat jemand sehr Dummes gehandelt. Kein Vergleich zu der Reichskriegsflagge auf dem Pflaster vor der Kreissparkasse oder den Schmierereien an der Turnhalle der Gesamtschule, für die man zwei Leute und eine Leiter benötigt hat. Das war Qualitätsvandalismus. Dafür, oder vielmehr dagegen sind dann auch rund dreihundert Leute nach nur einem Tag Vorbereitung auf die Straße gegangen. Sie haben demonstriert. Gegen die Schmierereien. Gegen dieses Gedankengut, Menschen könnten in Klassen eingeteilt werden. Gegen den Totalismus der Nazidenke, gegen Gleichschaltung und Indoktrination durch "Herrenmenschen".
Darüber habe ich gebloggt.
Worüber ich nicht gebloggt habe, war eine Begegnung im Supermarkt rund zwei Wochen zuvor. Ein einzelner Mann und ein Paar, alle um die sechzig rum, unterhielten sich über die "Flüchtlingswelle". Dabei wurden Argumente ausgetauscht, die man auf Facebook öfters gelesen hat. Soll ich mich jetzt drüber freuen, dass auch Rentner die neue Technologie nutzen, oder soll ich Angst haben, weil die Angst vor dem Fremden Stammtischparolen erleichtert?
Hier ein paar Argumente, mit denen die drei sich aufgeputscht haben: "Die wissen nicht mal, wie man eine Toilette benutzt." "Das sind Moslems." "Die haben es doch gut in ihrem Land."
Kurz und gut, jedes Klischee wurde abgefeiert bis auf genau zwei. Die Krankheiten, die "sie hier einschleppen", blieben ebenso unberücksichtigt wie "die wollen deutsche Frauen vergewaltigen".
Ich blieb da nicht ganz still, und als mich die Frau fragte, warum ich bei ihren Worten schnauben würde, zweifellos erfüllt vom Gefühl, im Recht zu sein, und sowieso im Besitz der Wahrheit, tat sie sich keinen Gefallen. Als wenn es in ganz Aleppo keine Toilette gäbe, geschweige denn eine Kanalisation. Nun, jetzt vielleicht nicht mehr, nach vier Jahren Bürgerkrieg. Auch die anderen Argumente waren eher leicht zu entkräften. Und nach meiner Bitte, den Flüchtlingen doch überhaupt erstmal die Chance einzuräumen, sich daneben benehmen zu können, anstatt ihnen das von vorneherein zu unterstellen, zog das ältere Ehepaar von dannen.
Vom einzelnen Herrn kamen dann die Argumente über Hartz IV und Obdachlose, die vollkommen berechtigt sind, aber für ihn augenscheinlich erst wichtig geworden sind, seit sie als Nebelkerzen in der Flüchtlingsdebatte gestreut werden. Daraufhin fragte ich ihn, ob er getauft sei. Er bejahte, und ich fragte ihn, ob ihm das Gebot der Nächstenliebe bekannt sei. Daraufhin entzog auch er sich der Diskussion. Das war einfach.
Ich gebe das natürlich nur verkürzt wieder, betone aber ausdrücklich, dass ich weder laut geworden bin, noch eine der drei Personen beschimpft habe. Ich habe sachlich ihre Argumente demontiert, und ich denke, das rückt mich dann in das Lager der Gutmenschen, und das Paar und den einzelnen Herrn ins Lager der besorgten Bürger.
Machen wir uns nichts vor, besorgte Bürger gibt es in Gronau Leine ebenso wie im Rest von Deutschland. Und, das ist der springende Punkt: Nazis und deren Sympathisanten gibt es auch. Zwar bin ich mir sicher, dass für die Schmierereien in Gronau und die erstaunlich gut gemachte Reichskriegsflagge auswärtige Nazis eingeflogen wurden, aber Sympathisanten gibt es genug.
Also, Gutmensch. Ich. Allerdings keiner von denen, die am Bahnhof gestanden haben, um das Eintreffen der Flüchtlinge zu beklatschen. Die haben mit Gutmenschen nichts zu tun. Ich denke, sie waren da, um sich besser zu fühlen. Sie halten keinen Vergleich aus mit den abertausend Ehrenamtlichen, die sich in ihrer Freizeit engagieren, um unsere sozialen Dienste darin zu unterstützen, den Flüchtlingen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.
Es gibt nämlich nur eine, genau eine Möglichkeit, um dafür zu sorgen, dass nicht noch mehr Menschen in Deutschland Asyl beantragen. Das sind keine Transitzonen, da hilft auch das Streichen von Bargeld und das Setzen auf Sachleistungen nicht, da nützt kein am rechten Rand fischender Seehofer, und erst Recht kein Abschaffen der "Willkommenskultur", die vor einigen Jahren noch schlicht und einfach Nächstenliebe oder Menschlichkeit genannt wurde - was beides gerne mal mit Füßen getreten wird. Da hilft nur, und alle Rechten werden dem zustimmen - Achtung, meine Wortwahl wird jetzt sehr extrem - zu schießen. Gezielt. Auf die Menschen. Männer, Frauen, Kinder. Die Frage ist: Wollen wir das? Ich für meinen Teil sage ganz klar: Nein. Ich will nicht, dass auf Männer, Frauen und Kinder geschossen wird, die in unserem Land auf ein besseres Leben hoffen. Oder eben nur durchreisen wollen, um Länder mit einer besseren Flüchtlingspolitik wie Schweden zu erreichen. Dieses Argument, dass sie nicht einreisen dürfen sollten, damit sie "nicht unsere Sozialsysteme belasten" ist genau der Rassismus, der sich über die Jahrzehnte in die Köpfe vieler Deutscher festgesetzt hat.
Immer noch nicht fertig, Ace? Nein, leider nicht.
Was ist denn ein besorgter Bürger? Tja, da muss ich weiter ausholen. Ein besorgter Bürger hat Angst. Angst, dass die Fremden, die da ankommen, unser Land durcheinander bringen. Die Angst haben, dass die christlichjüdischabendländischen Grundwerte erschüttert werden, also solche Dinge wie Nächstenliebe, Nachbarshilfe und dem Selbstverständnis, dass alle Menschen im Grunde gleichen Ranges sind und auf Augenhöhe stehen.
Sie haben Angst, dass sich die Flüchtlinge in der Toilette rasieren, weil die das nicht kennen.
Sie haben Angst, dass die Flüchtlinge respektlos gegenüber Frauen sind, also so wie Neonazis jetzt, die Frauen und Mädchen drillen, damit sie ihre Plätze als (zukünftige) Mütter und Hausfrauen nicht verlassen.
Sie haben Angst, dass die Verbrechensrate hochgeht, und natürlich die Zahl der Belästigungen und Vergewaltigungen. (Ich weiß gerade nicht, was im Land los wäre, würde man den Männern unter den besorgten Bürgern klarmachen, dass auch Männer vergewaltigt werden können...)
Sie haben Angst, dass die Flüchtlinge ihnen die Arbeit wegnehmen, selbst wenn sie schon Rentner sind.
Sie haben Angst, dass die Flüchtlinge Krankheiten wie Krätze, Tuberkulose und Masern mitbringen... Moment, zurück. Gegen Masern haben besorgte Bürger ja nichts, weil das "Erfahrungen sind, die ein Kind durchmachen muss, und danach hat es einen guten Wuchs". Und Krätze, ja, das ist so eine Krankheit, die wird von Hautparasiten ausgelöst, einer Milbenart. Die stirbt allerdings relativ schnell und einfach ab, sobald man medizinische Seife verwendet. Ist halt eine Lauge, falls das jemandem etwas sagt. Also eigentlich kein Problem, ebenso wenig wie die Tuberkulose, die gerade in Deutschland bestens behandelt werden kann. Aber sie haben halt Angst.
Sie haben Angst vor Überfremdung. Das ist, wenn eine Kneipe mit achtzig Deutschen besetzt ist, ein Moslem reinkommt und sich an einen freien Tisch setzt...
Sie haben Angst, dass die Flüchtlinge ihre Kultur und ihre Werte mitbringen. Und damit meinen sie die Schattengesellschaften der Deutschtürken in Frankfurt oder Berlin, die fröhliche Urstände feiern, nicht aber den sonntäglichen Anruf beim Lieblingsgriechen oder beim Marrokkaner, um sich lecker Essen liefern zu lassen und mit dem Inhaber noch etwas zu quatschen, weil "der letzte Abend mit der ausländischen Musik ja so schön" war.
Wir stellen fest: Besorgte Bürger haben Angst. Und es GEFÄLLT IHNEN. Sie haben gerne Angst. Sie tun nichts gegen diese Angst. Sie studieren keine Polizeiberichte, um zu schauen, ob es tatsächlich zu mehr Gewaltverbrechen kommt. Stattdessen glauben sie unbesehen, dass Flüchtlinge in Supermärkten einkaufen dürfen, ohne zu bezahlen (also klauen, mit klarer Anweisung an das Personal, wegzusehen),
egal, wie sehr die Supermarktleiter diesen Unsinn dementieren.
Sie haben Angst um unsere Leitkultur, also diesen Mischmasch und Wirrwarr aus Deutschen (Bayern, Franken, Badenern, Rheinländern vom Ober-, und Niederrhein, Hessen, Niedersachsen, Thüringern, Sachsen, Brandenburgern, Hamburger, Schleswigern,usw.usf., die auch noch unterteilt werden können), Sorben, Friesen, Dänen und den üblichen kleinstvermengten Völkern an den Grenzen. Aber verzichten auf Döner, Gyros, Kötbullar, Guinnes, Schweizer Käse, holländischen Wohnwagen, französischem Brot, Paella und Pizza und viele weitere Dinge (Wodka. Wodka nicht vergessen) wollen sie eben auch nicht.
Wir sind ein Einwanderungsland. Das ist nun mal so. Das war auch schon immer so. Damals, als die römische Republik zum Kaiserreich wurde, zogen die Westgoten nach Osten, und die Ostgoten nach Westen. Die Hunnen fielen ein in einem Gebiet, das wir heute englisch Hungary nennen. Und die damaligen Sachsen machten sich in einer großen Völkerwanderung auf, um in England die Waliser und Pikten zu verdrängen. Um achthundert eroberte Karl der Große Deutschland bis zur Elbe und machte die Sachsen auf der anderen Seite tributpflichtig. Einwanderer und das Regierungsprinzip der Kaiserpfalzen veränderten nicht nur das Gesicht des Landes, sondern eben auch den Durchschnitt der Einwohner.
Dreihundert Jahre später waren es die Kreuzzüge, diverse Seuchen und kleinere Konflikte, die die damaligen "Besitzer" des Landes dazu veranlasste, Zuzug in die verwaisten Landstriche zu fördern.
Dann kam auch schon die Reformation dran, und nach einem elendig langen Krieg um die richtige Ideologie, nämlich ob der Papst die guten Taten der Jünger Christi verkaufen konnte, um den Petersdom finanzieren zu können oder nicht, wurden die Katholiken nach Süden geschickt, und die Reformatoren nach Norden. Viele bayrische Protestanten landeten schließlich im Deutschritterstaat Ostpreußen, so auch die Vorfahren meines Vaters.
Rennaissance, napoleonische Kriege, Norddeutscher Bund, Kaiserreich, all das waren Etappen auf dem Weg des heutigen Staatsgebildes, das zusammenfassen sollte, was zuvor in Klein-, und Kleinstreiche aufgesplittert war, ethisch und ethnisch eigentlich nicht zusammengehörte, und wieder und wieder durch Zuzug neues Blut aufnahm. So geschehen während des englischfranzösischen Krieges durch die Hugenotten (habe ich das zeitlich richtig eingeordnet? Egal), und Mitte den achtzehnten Jahrhunderts mit den polnischen Bergfacharbeitern, die im Ruhrpott für den Abbau der Steinkohle zuständig waren. Die brachten nicht nur das Ki und das Ky hinter dem Namen nach Deutschland.
Tja, dann kam der Krieg, dann noch einer, und Deutschland wurde kleiner, Pommern und Schlesier, Bessarabiendeutsche, Sudetendeutsche und sicher auch ein paar Elsässer, um nur einige zu nennen, zogen in Siedlungsgebiete, die ihnen nicht gehörten, die auch schon belegt waren. Unter ihnen mein Vater. Ihre Heimat war im Osten und im Süden, aber nicht in den Gebieten, in denen sie Aufnahme fanden. Wieder wurde heftig durcheinandergewürfelt, genetisch, kulturell, ideologisch.
Deutschland ist ein Sammelbegriff, und das nicht nur wegen der anerkannten Minderheiten wie den Sorben, den Friesen und den Dänen. Deutschland ist nur ein Oberbegriff, um viele verschiedene Kulturen und Flkloren zu erklären, ein Sammelsurium aus vielen Dialekten und mehreren fremden Sprachen. Deutschland ist ein Einwanderungsland, denn während der Boomjahre holte es Millionen Gastarbeiter nach Deutschland; aus der Türkei, aus Italien, aus Spanien und anderen medieterranen Staaten, die größtenteils ihre Familien nachholten.
Jahrzehnte danach setzte der Zuzug der Russlanddeutschen ein, signifikant, unsere Gesellschaft verändernd. Denn sowohl wir als auch unsere Kultur verändern uns ständig, sind dynamisch und müssen es auch sein.
Klar bedeuten mehr Menschen im Land auch mehr Spannungen. Klar bedeuten sie auch Konfliktpotential. Klar kollidiert deren Weltsicht in einigen Dingen mit unserer, obwohl unsere Religionen nahezu identisch sind - es ist der gleiche Gott, und sie verehren Jesus Christus.
Und klar gibt es Gewalt untereinander und gegen Deutsche. Es ist leider nicht in der Natur der Menschen, dass sich unter ihnen keine Idioten befinden. Und klar hört man immer wieder zum Beispiel auch aus Polizistenmund, ihnen wäre "befohlen worden, Ausländerkriminalität schönzureden". Nur, ist das ein Problem, das aktuell entstanden sind? Ist die Schattenkultur in Berlin-Kreuzberg quasi über Nacht entstanden, oder hat sie gar nichts mit der derzeitigen Situation zu tun? Brennen Muslime deutsche Flüchtlingsheime ab, oder ist das immer noch ein Job für Deutsche, wenn ich mal ganz zynisch fragen darf?
Ich möchte so langsam zum Ende meines Essays kommen und Euch, liebe Leser, etwas verdeutlichen. Nationalsozialismus. Ja, genau der. Also Gleichschaltung der Bevölkerung, die Definition der Rolle der Frau als Gebärmaschine und Herdstute, Hörigkeit gegenüber dem "Führer" und der Industrie, und natürlich das Präsent, Teil der "Herrenrasse" zu sein, die allen anderen Menschen überlegen ist. Halt, vergessen wir nicht, dass Nationalsozialismus auch ein sehr genaues Feindbild liefert. Was früher die Juden waren, geht heute nicht mehr, denn es ist ja eine abendländischjüdische Leitkultur, die hier auf dem Spiel steht. Stattdessen ist jetzt der Moslem, der Einwanderer, die Gefahr, der Terrorist, der Vergewaltiger, derjenige, vor dem man sich fürchten muss, der bekämpft werden darf. Und natürlich immer wieder die linken Zecken, also Leute wie ich, die Gutmenschen, die "Deutschland zugrunde richten in ihrem Menschenfreundlichkeitswahn".
"Ich bin ja wirklich kein Nazi, aber..." Was immer danach gesagt wird, beweist immer, dass zumindest das Nazi-Gedankengut fruchtbar war in jenen dort.
Es hat nie eine Entnazifizierung stattgefunden, die über die Nürnberger Prozesse hinausgegangen wäre. Es gab nie einen Austausch nationalsozialistischer Beamter. Es gab auch nie in konservativen Kreisen einen wirklichen Ideologie-Austausch. Es gibt noch immer Stockkonservative in der Polizei, in der Justiz, in der Politik, die rechts gesinnt sind. Nicht zu Unrecht wird dem Verfassungschutz und auch der Justiz vorgeworfen, auf dem "rechten Auge blind zu sein". Wer erinnert sich nicht an den letzten Versuch, die NPD zu verbieten, der vor allem daran gescheitert ist, weil die Führungsriege mit V-Leuten des Verfassungsschutzes durchsetzt war? Nun, die haben sich dort nicht gerade für mehr Verständnis für das Grundgesetz und die Demokratie eingesetzt, btw.
Es ist ein Zeichen für Rechts, dass "man" sehr flexibel ist. Ideologisch und auch demagogisch. Es gibt immer mal wieder ein neues Feindbild, je nachdem, wer sich gerade besser anbietet, also mal wir linken Zecken, dann vielleicht doch die Türken in Deutschland, oder aktuell die Flüchtlinge, was sich halt anbietet. Dagegen wird gehetzt. Bis ein Flüchtlingsheim brennt. Bis Bücher brennen. Bis Menschen brennen.
Es gibt in Deutschland einige verschworene, aber zahlenmäßig kleine Gruppierungen, die man ohne weiteres in die rechte Skinhead-Schublade stecken kann, weil ihre Weltsicht und ihre Forderungen genauso plakativ und unsinnig sind - nur die Haare lassen sie heute wachsen. Es gibt diese rechte Schattengesellschaft, die nach "alten deutschen Werten" erzieht und den "Klassenfeind" bekämpft, sich auf "den Kampf der Gesellschaft" vorbereitet.
Liebe besorgte Bürger, habt Ihr es nicht gemerkt? Die Worte und Sprüche, die Ihr von Euch gebt, über Menschen aus zivilisierten Gebieten, die vor einem Bürgerkrieg geflohen sind, weil sie "Krankheiten mitbringen, keine Toiletten kennen oder aber freiwilligen Helfern, meist Frauen die Putzarbeiten überlassen" würden, das ist rechtes Gedankengut. "Wir sind besser als die, wir können eine Toilette benutzen, aber die gehören hier nicht her". Und wenn sie doch herkommen, dann bitte nur als Diener, als Untermensch.
"Die vergewaltigen unsere Frauen und Mädchen" wirft die Frage auf: Wer sind "die?" Alle, wie sie da stehen, die Syrer, die Kongolesen, die Afghanen, die Eriträer, die Albaner und Kosovaren und Iraki? Alle auf einen Schlag? Nein, natürlich nicht alle, werdet Ihr jetzt denken. Aber warum wiederholt Ihr das denn unreflektiert?
"Die sind gegen die Werte des Grundgesetzes", das ist auch so ein schöner Spruch, denn die rechten Gruppen, die dieses Schlagwort benutzen, wollen genau dieses Grundgesetz abschaffen. Wenn Ihr diese Worte wiederholt, stellt Ihr Euch gegen Recht und Ordnung des Rechtsstaats.
"In den Kasernen finden sie Waffen und kommen, um uns zu töten." Nein, liebe besorgte Bürger, sie finden da keine Waffen, auch keine Munition und auch keine Panzer. Es sind ehemalige Kasernen. Und wären sie das nicht, wären es Kasernen voller deutscher Soldaten, und da kommt man erst Recht nicht an Waffen und Panzer ran, geschweige denn an Munition.
"Wegen der Muslime fehlen uns Gelder für Hartz IV-Empfänger, für Rentner und für Obdachlose." Oh ja, ein nettes Argument. Und wann ist Euch das aufgefallen? Als die Bundesregierung dreißig Milliarden Euro Eurer Steuergelder ausgegeben hat, um Banken zu subventionieren, die laut freiem Markt besser über den Jordan gegangen wären? Als im vorletzten Winter Obdachlose in der Kälte erfroren sind? Merkwürdigerweise erst, seit diese "Informationen" von Pegida verbreitet werden.
Ich sage es nicht gerne, aber in Deutschland gibt es eine sehr aktive, zwar kleine, dafür aber umso entschlossenere Szene aus Neonazis, die genau das brechen wollen, was Ihr, besorgte Bürger, so vehement beschützen wollt: Das Grundgesetz. Sie vergiften die Menschen über soziale Netzwerke und Mundpropaganda mit scheinbar harmlosen Schlagworten, stacheln sie an, wiegeln sie auf, präsentieren ein Feindbild, schüren Ängste vor diesem Feindbild, um was zu tun? Ja, besorgte Bürger, um die Demokratie zu stürzen, eine Diktatur zu errichten und das Land zu regieren, damit hier wieder "Zucht und Ordnung" einkehren. Wenn Ihr also auf Pegida-Märsche geht oder mit ihnen sympathisiert, wenn Ihr sagt: "Das wird man ja noch sagen dürfen", wenn Ihr "Lügenpresse" ruft oder denkt, dann seid Ihr auch nicht mehr weit entfernt von "Deutschland den Ariern" und "Rassenreinheit". Ist halt so. "Deutschland den Deutschen" ist nur die Einstiegsdroge.
Wie Goebbels sagte, als er als Abgeordneter in den Reichstag einzog:
"Ich bin ein Agent zum Sturz Eurer Ordnung, und Ihr seid Narren, dass Ihr mich dafür auch noch bezahlt."
Und dann werden natürlich ein paar unbequeme Zeitgenossen, die die öffentliche Ordnung stören, fortgeschafft werden. Oder um es mit den Worten von
Marrtin Niemöller zu sagen:
„Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen,ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Sozialdemokrat.
Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter.
Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“
Das Ziel dieser Gruppierungen ist simpel. Während sie sich in unserem Deutschland hinstellen können, sogar dürfen, um ihre Propaganda zu verbreiten, solange sie nicht gegen den Rechtsstaat verstößt, werden wir, wird unsere Meinung in ihrem Deutschland nicht geduldet sein. Nicht totgeschwiegen, sondern totgeprügelt. Dann gilt nur die offizielle Linie. Schon wieder mal.
Wenn Ihr, besorgte Bürger, also unreflektiert ihre Sprüche übernehmt und weiterverbreitet, nicht prüft, ob sie wahr oder erfunden sind, oder, es sind ja nicht alle Flüchtlinge Engel, unnötig aufbauscht, dann unterstützt Ihr bereits jetzt Gewalt gegen die Vertreter der Demokratie, gegen Journalisten und linke Zecken. Auch gegen Flüchtlinge. Gerade gegen Flüchtlinge. Die sind ja gerade der neue Feind, gegen den gehetzt werden darf. Und macht Euch keine Hoffnungen, danach sind wieder die Juden an der Reihe, die Deutschtürken, alle anderen Ausländer, und schließlich und endlich wenden sich die Nazis den Feinden unter den Deutschen zu. Wie, das wird nicht geschehen? Nicht noch einmal, meint Ihr wohl. Aber ja, doch, so wird es passieren, wenn wir sie lassen. Wenn Ihr sie unterstützt. Wenn Ihr nicht versteht, dass Kritik richtig und wichtig ist, und wir viele Fragen klären müssen, wenn es um Flüchtlinge geht, Ihr aber den Nazis in die Hände spielt, wenn Ihr ihre Sprüche wiederholt...
Für die Nazis ist es klar. Sie greifen jetzt Reporter und Freiwillige an, weil sie glauben, es bliebe für sie straffrei, weil sie glauben, die Zeit für ihren Aufstand wäre bereit. Weil sie glauben, ihre Ideologie hätte endlich die Massen erreicht. Und das glauben sie nicht zuletzt dank Euch besorgter Bürger, die jetzt ihre Parolen nachplappern und danach die Augen verschließen, wenn sie wirklich an die Macht kommen und den politischen Gegner holen kommen. Wie es schon mal passiert ist.
Ich will das nicht. Ich mag das nicht. Ich möchte das nicht zulassen und es auch nicht erleben. Aber das Geschehen zeigt sehr schön, wie Gewaltbereitschaft entsteht und zu was Menschen bereit zu tun sind, wenn sie tatsächlich glauben, keine Strafe fürchten zu müssen.
Und daran, jenseits von Lügenpresse, falscher Bundes-, und Asylpolitik, Einwanderung und Auswanderung, daran habt Ihr einen aktiven Anteil, besorgte Bürger. Ist so.