Seiten

Dienstag, 4. November 2008

Präsidenten, Präsidenten

Nun ist es endlich so weit. Für die Amerikaner, genauer gesagt die U.S.-Amerikaner, gehen zwanzig lange Monate Vor- und Hauptwahlkampf zu Ende. Heute entscheiden sie sich entweder für den demokratischen Kandidaten Barack Obama, oder den Republikaner John McCain.
Wer immer auch gewählt wird, es bedeutet in jedem Fall, dass George W. Bush Jr. das Weiße Haus zum Ende des Jahres verlassen und ein neuer Präsident dort einziehen wird.

Es ist natürlich nicht besonders schwer für mich die Demokraten zu bevorzugen, und damit ihren Kandidaten Barack Obama. Es ist auch nicht besonders schwer, die Republikaner direkt mit zwei Kriegen im Mittleren Osten in Zusammenhang zu bringen und als nächstes unter einem republikanischen Präsidenten einen Krieg gegen den Iran zu befürchten und ihren Kandidaten deshalb a priori abzulehnen.
Dies ist nicht nur meine Einstellung, sondern die eines Großteils der Welt. Würde sich Barack Obama um das jeweils höchste Amt innerhalb eines Staates stellen, würde er in den meisten mit überragender Mehrheit gewählt werden.
Ich könnte hier mit einer Lobeshymne auf Obama weiter machen, die er durchaus verdient hat. Aber zuvor muss ich noch einige Gedanken zum Thema aussprechen, die gerne unter dem Tisch fallen.

Zum Beispiel gibt es einen dritten Präsidentschaftskandidaten, den Verbraucherschutzanwalt und Millionär Ralph Nader, der regelmäßig bei Präsidentschaftswahlen antritt und mit erschreckender Regelmäßigkeit im Schnitt fünf Prozent der Stimmen erlangt. Er tritt an für die dritte Kraft in den U.S.A., die Grünen, und es ist nicht zu bestreiten, das diese Partei sich nach und nach ihre Stammwähler erwirbt. Das Zwei-Parteienprinzip der U.S.-Amerikaner steht damit nicht vor dem aus, aber irgendwann könnte diese Demokratie eine ebenso zerfaserte Parteienlandschaft aufweisen wie beispielsweise Italien oder Israel, aus denen in den letzten Monaten immer mal wieder über die Schwierigkeiten berichtet wurde, verschiedene Parteien zu einem Regierungsbündnis zu schmieden. Aber ich sehe darin nichts schlechtes, im Gegenteil.
Winston Churchill hat einmal gesagt: "Die Demokratie ist die schlechteste Staatsform, aber sie ist die beste, die wir haben." Wie Recht er doch hat.
Aus dem alten Griechenland, dem Ursprung der Demokratie, ist die Ansicht bekannt, dass man jeden einzelnen Tag um den Erhalt der "Herrschaft des Volkes" kämpfen muss, oder man verliert sie. Eine Ansicht, die ich teile.

Doch zurück zum Thema. Es ist allgemein bekannt, dass der junge Senator Obama zwar seine Kandidatur verkündet hat, ihm aber nicht allzu viele Chancen zugestanden wurden, tatsächlich Präsidentschaftskandidat zu werden. Es ist außerdem bekannt, dass der ehemalige Sozialarbeiter und Rechtsanwalt ein Zögling von Hillary Rodham-Clinton ist, ehemalige First Lady und ebenso ehemals Managerin eines Unternehmens des Bush-Imperiums. Ein kurzer Abstecher zu ihrem Mann und Ex-Präsidenten Bill zeigt uns, dass dieser Demokrat Mitglied der Geheimloge Skull&Bones ist, deren Maxime lautet, die Privilegien der Reichen zu schützen. Übrigens sind auch die Bushs geschlossen Mitglied in dieser Gesellschaft. Dieser Kontakt zu Skull&Bones gibt mir mehr zu denken als die Unerfahrenheit, die man Obama vorwirft. Allerdings ist er m.E. entweder ein toller Präsident, der helfen wird, nicht nur die Rassenschranken in Amerika ein für allemal niederzureißen und die Welt mit der ungerechten Außenpolitik Bush Juniors zu versöhnen (wer kennt ihn nicht, den Ausspruch nach der Weigerung Frankreichs und Deutschlands, sich am Irak-Krieg zu beteiligen: Das ist nur das alte Europa.) , oder aber er ist zumindest das kleinere Übel. Doch dazu später mehr.

John McCain ist Vietnam-Veteran. Und damit hat er vielen seiner Bekannten und Freunden im Geldadel einiges voraus. Er war Kriegsgefangener, hat überlebt und gilt in seiner Partei als Querkopf, als jemand der den Mund aufmacht. 2000 hatte er die Nominierung gegen Bush Jr. noch verloren, diesmal hat er sich gegen ein zugegeben unspektakuläres Mitbewerberfeld durchgesetzt. Aber der Mann ist zweiundsiebzig Jahre alt, gewiss nicht mehr der Fitteste, wie die lange Belastung durch den Wahlkampf immer mal wieder gezeigt hat, und mit Sarah Palin hat er die denkbar schlechteste Vize-Präsidentin in spe, die ich mir vorstellen kann.
Sara Palin. Hottie nennen sie sie in Alaska, und ihre außenpolitische Erfahrung ist die Tatsache: "dass man Russland von Alaska aus sehen kann." Mrs. Palin, man kann es nicht. Die Erdkrümmung verhindert das.
Palin ist erzkonservativ, geht mit dem Helikopter auf die Elchjagd, hat in ihrem politischen Einstand eine mittelgroße Stadt mit unnötigen Bauprojekten auf Jahre hinaus belastet, und ihr Amt als Gouverneurin ausgenutzt um einen Polizeipräsidenten zu entlassen... Sicherlich war es Zufall, dass er sich kurz zuvor von ihrer Schwester getrennt hat.
McCain ist zweiundsiebzig, was ihm, würde er gewählt werden, zum ältesten Präsidenten machen würde, den die U.S.A. bisher hatte. Seither geht ein Bedenken quer durch alle Communities, durch alle Blogs und Foren, die sich mit diesem Thema beschäftigen und nicht Pro-Republikaner eingestellt sind: Was wenn McCain etwas zustößt und Sarah Palin als Präsidentin vereidigt wird? Wenn sie quasi ihren Finger am roten Knopf hat? Eine Frau, die von sich selbst sagt, dass sie von ihren Eltern nach der Highschool eben nicht in die Welt geschickt wurde und Alaska kaum verlassen hat (und sich für die Welt auch nicht interessierte)?
Eine Frau, die sich nicht zu schade ist, Obama bei einem Wahlkampfauftritt als "Sozialist" und als "Gefahr für Amerika" darzustellen, also härteste und ungerechteste Bandagen aufzuziehen?
Man kann Respekt vor McCain haben, auch wenn man ihn nicht als Präsidenten will. Aber Sarah Palin im Sprung aufs potentiell wichtigste Amt der Welt... Bitte nicht.

Man kann vieles über Barack Obama sagen, positives wie negatives. Viel ist mir in seinem Wahlkampf aufgefallen, was mich geradezu drängt, seine Partei zu ergreifen (solange Nader chancenlos ist). Und generell muss man mit einem Mann sympathisieren, der halb Kenianer und halb weißer Amerikaner ist, sich für eine Sozialversicherung für alle einsetzt, die Finanzkrise lösen und den Krieg im Irak beenden will. Zwar hat er erst neulich gesagt, dass er alles tun wird um als Präsident die Urananreicherung im Iran zu beenden, aber diplomatische Lösungen hat er damit nicht ausgeschlossen, im Gegenteil.
Überhaupt war der Wahlkampf durchwachsen und hat mehr als einmal auf seine genetische Abstammung gezielt. Ich erinnere mich sehr gut an einen Kommentar eines Users auf Web.de, der sich selbst als weißer Amerikaner ausgab und meinte, er und seine Freunde würden jetzt zu Obama-Wahlveranstaltungen gehen, aber er und alle anderen würden dann doch McCain wählen. Ihre Anwesenheit dort solle die Demokraten und ihren Bewerber nur in Sicherheit wiegen.
Auch im Hinterkopf ist mir noch die Geschichte mit der Wahlregistrierung, bei der sich Personen, ob im Ernst, ob im Spaß, mit dem Namen von Comic-Figuren anmelden wollten. Dies wurde sofort Barack Obama als versuchter Wahlbetrug untergeschoben. Unberechtigterweise.
Und ich erinnere mich nur zu gut an den Vorwurf, Obama sei Sozialist und wolle die Reichen besteuern... Wobei ich ehrlich gesagt nicht weiß ob den Republikanern das Wort "Kommunist" schlicht zu heiß war um es auszusprechen, oder ob sie überhaupt wissen was ein Sozialist ist. Wobei die Reichen zu besteuern grundsätzlich keine Benachteiligung darstellt.
Einfügen an dieser Stelle würde ich gerne noch eine Szene, die mittlerweile massiv ins Vergessen abgedrängt wurde. Eine junge McCain-Wahlkampfhelferin wartete mit der Geschichte eines Raubüberfalls und der Misshandlung durch einen großen Afro-Amerikaners auf, der ihr, nachdem er sie beraubt und geschlagen hatte, ihren Pro-McCain-Aufkleber auf ihrem Wagen sah und ihr deshalb mit einem Messer ein B in die Wange ritzte.
Die Republikaner sprangen sofort auf diesen Zug auf und scherten sich einen Dreck darum, warum das blaue Auge so merkwürdig gleichmäßig aussah und warum das B spiegelverkehrt und nicht einmal besonders tief eingeritzt worden war... Stunden später entpuppte sich die Geschichte als Fake, als die junge Frau geständig war. Leider hatte sich McCains Wahlkampfleiter da schon auf die Geschichte gestürzt. Heute bemüht man sich, diese Episode zu vergessen. Hoffentlich auch McCains Wahlkampfleiter, der sich nicht zu schade war, ein wenig Rassismus in den Wahlkampf zu packen.

Ich bin definitiv für Obama und drücke ihm die Daumen dafür, dass die Bürger der U.S.A. ihn wählen. Nicht nur weil er einst Sozialarbeiter in Chicago war und alle Spektren der Gesellschaft gesehen hat, nicht nur weil seine Wahl die Schranken in den Köpfen zerbrechen könnte, nicht nur weil er seine kenianischen Wurzeln pflegt (ein Jugendfoto in Landestracht beim Besuch seiner kenianischen Oma wurde im Wahlkampf wieder ausgegraben, um ihn als Al Kaida-Sympathisanten zu diffamieren), sondern vor allem weil seine Wahl so unwahrscheinlich war.
Man sagt, dass man von zwei Übeln das kleinere wählen sollte. Barrack Obama stand sicherlich bei vielen der alteingesessenen Lobbyisten nicht auf dem Plan; und obwohl er angeblich dreimal so viele Wahlkampfspenden erhalten hat wie McCain und diese Spender irgendwann einen Gegenwert erwarten, so kann Obama doch auf eine breite Basis in der Bevölkerung hoffen, die ihn unterstützt.
Kann man seine Parolen "Change" und "Yes, we can" glauben? Millionen Amerikaner tun dies, und sie tun vielleicht nicht einmal schlecht daran.

Eine kleine Anekdote darüber wie schwer sich doch viele Weiße mit ihm tun, die ich ebenfalls im Web gefunden habe, ganz zum Schluss.
Ein Mann besuchte seine Oma, und seine betagte Großtante. Großtante sagte klar und ausdrücklich, dass sie einen Schwarzen niemals zum Präsidenten wählen würde.
"Aber Tante", antwortete der Besucher, "er ist doch zur Hälfte weiß. Kannst du ihn nicht wenigstens für zwei Jahre wählen?"

Keine Kommentare: