Nein, ich bin nicht unter die Legastheniker gegangen. Nein, ich habe auch nicht Baggies angezogen, auf Halbmast gezogen und Goldschmuck angelegt. Der Titel ist lediglich mein brillanter Versuch, zu meinem aktuellen Thema überzuleiten: Christian Wulff, niedersächsischer Landesvater in der zweiten Legislaturperiode, und seine Einstellung zur deutschen Energiewirtschaft.
Zugegeben, ich war nie wirklich glücklich mit C.W., um ehrlich zu sein nicht einmal ansatzweise.
Seine Regierungszeit zeichnet eine gewisse Rücksichtslosigkeit gegen kleinere Sozialverbände aus, seine Ansichten in der Bundespolitik sind selbst für einen CDU-Mann konservativ, und der Mann hat nicht mal die Chuzpe, sich zur Wahl als Bundeskanzler zu stellen. Stattdessen kommt es mir so vor, als warte er auf das Straucheln von Angie, um dann als Retter der CDU herzukommen. Mein Eindruck, wohlgemerkt.
Nun, letzte Woche hat C.W. etwas getan, was ihn in meinem Ansehen noch weiter hat sinken lassen: Er hat bei der 25-Jahresfeier von Grohnde, einem AKW gleich um die Ecke an der Weser, tatsächlich den Atomausstieg in Frage gestellt und längere Laufzeiten z.B. für Störfallfreie AKWs wie Grohnde gefordert.
Meine Frage ist: Warum?
Warum propagiert er immer noch Atomstrom als billige Energiequelle, wenn längst bekannt ist, dass der Staat unsere Steuergelder als Subventionen verschwendet, um Atomstrom künstlich billig zu kriegen?
Warum propagiert er Atomstrom immer noch als Stütze der Gesellschaft, wenn er nicht einmal ein Drittel des gesamten Strommarkts ausmacht, Tendenz fallend?
Warum sind Atomkraftwerke notwendig wenn es doch die Kohlekraftwerke sind, die Energiespitzen in System ebenso wie Schwankungen abfangen müssen, weil sich AKWs NICHT dazu eignen, kurzfristige Spitzen zu bedienen?
Warum propagiert der niedersächsische Landesvater Atomstrom, wenn wir mit Gorleben und Asse fünfzigtausend Jahre Probleme vom Rest des Bundes aufgeschoben bekommen?
Vielleicht weil er parteihörig ist und Niedersachsen als relativ großes, aber industriell nicht hoch bedeutendes Bundesland "geopfert" werden kann? So kommt es mir zumindest vor.
So nicht, C.W., so nicht.
Zugegeben, Grohnde hat seit Inbetriebnahme nicht einen schweren Störfall zu verzeichnen, wobei unter Störfall eine Panne zu verstehen ist, die sofort meldepflichtig ist, also noch keine Bedrohung für die Bevölkerung darstellt. (Andererseits, erzählt das mal den leukämiekranken Kindern in der Elbmarsch.)
Nein, Grohnde hatte bisher nur rund vierhundert nicht meldepflichtige Pannen, ist also tatsächlich für ein AKW sicher. Allerdings wird es nicht jünger und hat schon fünfundzwanzig Jahre auf dem Buckel. Die Chance auf Störfälle reduziert sich nicht, sie erhöht sich. Genauso gut kann es natürlich sein, dass es tausend Jahre fehlerfrei läuft, aber ich bin nicht bereit, darauf zu wetten. C.W. anscheinend schon. Auf Kosten Niedersachsens.
P.S.: Der Anteil an Atomstrom liegt nicht nur mittlerweile bei unter einem Drittel. Ein Vergleich im
Spiegel aus dem Jahr 2006 spricht von weniger als dreizehn Prozent. In einem hochindustrialisierten Land wie Deutschland ist das ne Hausnummer, die nicht ohne Weiteres ersetzt werden kann. Aber es ist relativ schnell möglich. Und selbst wenn wir die kostenintensiven Castor-Transporte mal außen vor lassen: Raffinierung, Wiederaufbereitung und Endlagerung sind auch ohne Unmengen an Demonstranten verdammt teuer.
Strahlende Zukunft für Deutschland - Ja. Durch Atomstrom - Nein.