Eigentlich wollte ich zur Loveparade in Duisburg nichts schreiben, nicht auf den Zug aufspringen und bereits Gesagtes bis zur Unkenntlichkeit wiederkäuen. Eigentlich hatte ich gedacht, dass sich jeder denken kann, dass zu einer Loveparade mehr als die rund dreihunderttausend Menschen kommen würden, die auf das alte Güterbahnhofsgelände gelassen werden sollten. Und eigentlich sind Stadt und Veranstalter, so brutal das jetzt aus meiner Feder klingt, mit zwanzig bestätigten Toten und über fünfhundert offiziell gezählten und behandelten Verletzten, noch ziemlich glimpflich davon gekommen. Das hätte noch viel schlimmer ausgehen können.
Dennoch, zwanzig Tote sind zwanzig Tote zuviel, sind zwanzig Familien, die Angehörige verloren haben, sind zwanzig Schicksale, sind zwanzig unglaubliche Unglücksfälle, die hätten vermieden werden können.
Doch beinahe mag man aufatmen, weil es keine hundert oder tausend Tote waren.
Und man (in diesem Fall ich) kann nur hoffen, dass das derzeitige Hin und her-Schuldzugeweise bald einer sachlichen Analyse Platz macht, und die Verantwortlichen im Rahmen unserer Gesetzgebung angemessen bestraft werden. Hoffen wir auf eine Diskussion, die auf dem Boden bleibt, analysiert und erklärt, und nicht hetzt, beschämt und das Schicksal der Toten ausschlachtet.
Apropos Schicksal der Toten ausschlachten. Wer den Titel aufmerksam gelesen hat, der weiß was jetzt kommt. Richtig, wir haben natürlich einen berühmten Ausreißer in der Gruppe der brichtenden Medien, der ohne einen Hauch von Hemmungen Bilder der Verstorbenen auf der Titelseite präsentiert. Bilder, die sie fröhlich zeigen, lebendig, und die deshalb vermuten lassen, dass die BLÖD-Redakteure auf Teufel komm raus Bilder gesucht haben, und dazu meines Erachtens StudiVZ, MySpace und andere Dienste geplündert haben. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass hier zwanzig Familien das Recht am Bild ihrer toten Kinder verramscht haben, um sie dem geifernden Publikum wie ein Kuriosum zu präsentieren. Ich kann mir nicht einmal vorstellen, dass sie das wünschen. Übrigens wäre auch denkbar, das ein Teil der Bilder von der Loveparade selbst stammt, quasi von unbeteiligten Dritten, die des schnöden Mammons Willen an BLÖD verkauft haben. NOCH SCHLIMMER.
Und als wären die Bilder nicht schon schlimm genug, und würden sie nicht bereits massiv gegen den Pressekodex verstoßen, so titelt die BILD: "Dies sind die Toten der Loveparade." Weiter schreibt sie: "Wer büßt für die Toten?"*
Lieber Kai Diekmann, Chefredakteur der BILD: Wer büßt in der Redaktion der BILD-Zeitung für diese Berichterstattung? Für die obszöne Entehrung der gestorbenen Unfallopfer auf dem Küchentisch der Nation? Wer hat die Eier zu sagen: Wir hätten die Gesichter aus Respekt vor der Trauer und den Gefühlen der Angehörigen verpixeln müssen!? Wer hat bei Euch die Chuzpe zuzugeben, einen Fehler gemacht zu haben?
Das Schreckliche an der BLÖD ist leider, dass dort niemand diesen Fehler einsehen, eingestehen wird. Sie werden lieber ein paar zehntausend Euro Strafe für private Klagen zahlen, nur um ihre reißerischen Schlagzeilen behalten und die Bilder der Toten zeigen zu können.
Noch mal, und das aus tiefstem Herzen: Es ist journalistisch gesehen vollkommen unnötig, Bilder der Toten zu zeigen. Dies verletzt die trauernden Hinterbliebenen, verletzt das Schamgefühl einer Nation und degradiert uns zu Voyeuren, die wir nach Meinung der BILD-Redaktion sind. Ich bin entsetzt.
Es schmerzt ja beinahe schon das zu sagen, aber wir können wahrscheinlich froh sein, dass die BILD keine Fotos der Opfer auf der Titelseite zeigt, die nach dem Unglück aufgenommen wurden. Selbst das ist der BLÖD-Redaktion zuzutrauen.
Mein Mitgefühl gilt den Angehörigen. Mein Ärger Kai Diekmann.
*Die Schlagzeilen habe ich aus dem Kopf nachgeschrieben. Ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit jeder einzelnen Silbe. Man möge mir das verzeihen. Ich hatte einfach Hemmungen, für die BILD auch noch Geld auszugeben.
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vor 11 Stunden
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