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Mittwoch, 14. August 2013

Kairo bis Bangkok, da sehe ich Parallelen.

Zuallererst: Es geht in diesem Blogeintrag um Ägypten. In erster Linie. Thailand ziehe ich als Vergleich heran. Und ja, ich kann nur in dem Maße darüber schreiben, wie meine eigene Informationslage ist. Weder habe ich Quellen vor Ort, noch habe ich eine besondere Variation von Quellen. Auch beziehe ich mich teilweise auf die Quelle Tagesschau.de, was bei den Vorgängen in Thailand, auf die ich mich beziehe, ein Fehler war. Wenn ich also Fakten aus dem Gedächtnis rezitiere, dann sind sie subjektiv, unvollständig und natürlich von meiner eigenen Meinung geprägt.
Und meinetwegen kann man mir vorwerfen, mein christlicher, demokratischer Hintergrund spielt hier mit rein.

Aber fangen wir an: 2006 kam es in Thailand durch die sogenannten Gelbhemden, einer weit aufgestellten Koalition von Gegnern des damaligen Premiers Thaksin Shinawatras zu Demonstrationen gegen seine Regierung. 2008 besetzten sie unter anderem den Flughafen Bangkoks und verhinderten damit Thaksins Rückkehr ins Land. Diese Bewegung war nicht homogen, nicht themenbezogen außer dem Thema, dass der Premierminister nicht mehr tragbar war.
2009 wiederholte sich die Geschichte mit dem Aufstand der Rothemden, deren Anhänger wiederum Thaksin nahestanden und dessen Rückkehr begrüßten. Zwar sollten auch sie laut Wikipedia "quer durch die Gesellschaft" aufgestellt sein, aber die Informationen, die ich damals sammelte, besagten, dass zumindest das "Fußvolk" aus gewaltbereiten, organisierten Männern aus dem unterentwickelten Nordosten des Landes stammte. Sie errichteten Barrikaden, waren bewaffnet und wurden bezahlt. Besondere Taten wie sich die Haare zu scheren oder Blut zu spenden, das vor dem Haus des damaligen Premiers verschüttet wurde, bekam eine Extra-Entlohnung. Viele Gruppierungen, darunter auch die deutsche Botschaft, unterstützten die Rothemden bis zum bitteren Ende, und das, obwohl der letzte "Befehl" an sie nach der Räumung ihres Lagers - nach bürgerkriegsähnlichen Zuständen, wohlgemerkt - war, "die Stadt brennen zu lassen." Tatsächlich kam es im Anschluss zu etlichen Brandstiftungen in Bangkok, was auch Menschen wie mich, die nicht vor Ort waren, daran denken lässt, dass sich echte Demokraten nicht verschanzen und einigeln, geschweige denn bewaffnen, solange sie nicht im Krieg sind. Auch stellen sie keine Kleinkinder auf die Barrikaden, was ich sehr ernüchternd fand.
Letztendlich halte ich meine anfängliche Sympathie für die Rothemden für einen großen Fehler. Hier hat eine Gruppierung von Mitläufern unter der Führung einer breit aufgestellten, aber kleinen Kommandantentruppe potentieller Nutznießer einer Rückkehr Thaksins versucht, die Regeln der Demokratie entgegen der Demokratie gegen sie zu wenden.

Kommen wir zum zweiten Beispiel. Kommen wir zu Ägypten. Dort kam es u.a. im Januar 2011 zu Großdemonstrationen gegen Staatschef Mubarak und seine Klüngel. Letztendlich trat er am 11.02.2011 zurück.
Bei den ersten freien Wahlen in Ägypten wurde im Mai 2012 Mohammed Mursi Staatschef. Getragen von einer breit angelegten Koalition wurde der Kandidat der Muslim-Brüder zum Hoffnungsträger.
Diese Hoffnung trog, denn bereits die von ihm eingebrachte Verfassung sah eine starke Hinwendung des Staats zur Religion vor. Bis Juli 2013 demonstrierten bis zu vierzehn Millionen Ägypter gegen die schleichende und offene Entwicklung zum Gottesstaat, bis das Militär ihn schließlich für abgesetzt erklärte.

Diese Ereignisse riefen die Muslim-Brüder auf den Plan. Sie wollten mit einer Demonstration von Millionen Menschen die Wiedereinsetzung Mursis und damit verbunden die Fortsetzung des alten Kurses erreichen. Die erwarteten oder von ihnen propagierten Zahlen erreichten sie nie. Dennoch hinderte sie das weder an der Errichtung zweier permanenter, mit Barrikaden geschützter Protestcamps, deren Teilnehmer teilweise bewaffnet waren/sind, sie unterließen es auch nicht zu betonen, Mursi sei demokratisch gewählt worden und gehöre deshalb wieder eingesetzt.
Vor allem aber die Kopten und andere Minderheiten hatten unter der zunehmenden Verkirchlichung Ägyptens zu leiden. Letztendlich wurde heute über den Staat vom Präsidenten eine nächtliche Ausgangssperre verhängt, um die Gewalt einzudämmen, nachdem beide Camps gewaltsam geräumt wurden.

Fazit:
Ich weiß nicht wie das andere so sehen, aber ich bin nicht prinzipiell gegen die Muslimbrüder, nur weil sie religiös sind. Aber ich bin ein großer Verfechter der Trennung von Kirche und Staat, die von Mohammed Mursi gezielt unterminiert wurde.
Zudem hatte ich ein Problem mit den bewaffneten Rothemden hinter ihren Barrikaden, deren Forderungen, nachdem sie erfüllt worden waren, nur noch radikaler wurden, eventuell um einen Bürgerkrieg zu provozieren. Zugleich sind mir die Muslimbrüder suspekt, wenn sie einerseits für eine Radikalisierung der Verfassung und damit eine Ausschaltung der Demokratie stehen, andererseits aber die Mittel der Demokratie gegen sie wenden, sprich Proteste, Demonstrationen, Petitionen, Betonung der freien Wahlen.

Meine Meinung:
Ich habe kein Vertrauen in Institutionen und Organisationen, die Demokratie missbrauchen, um sie zu überwinden, wie es die Forderungen der Muslimbrüder sind, wie es der Kurs ihres abgesetzten Präsidenten war.
Es ist noch nicht so lange her, da haben vierzehn Millionen Ägypter für die Absetzung Mursis demonstriert, während Anhänger der Muslimbrüder noch munter Minderheiten wie die Kopten terrorisierten. Jetzt demonstrieren die Muslimbrüder selbst, jedoch mit sehr viel bescheideneren Zahlen. Weil sie wissen, dass nur noch eine Wiedereinsetzung Mursis ihre Pläne gegenüber der großen Mehrheit ihrer Mitbürger durchsetzen kann. Pläne, die nur sie und ihre Minderheit an Anhängern fordern.
Zwar ist es richtig, dass in einer Demokratie auch die Wünsche und Bedürfnisse dieser Minderheiten gehört und berücksichtigt werden - etwas, was Mursi den Demonstranten nie zugestanden hätte, die gegen ihn waren, btw - aber dazu gehören keine Wünsche und Bedürfnisse, die die Demokratie unterminieren.

Ich denke, bevor Mursi vom Militär abgesetzt wurde, stand das Land vor einem großen Bürgerkrieg. Als der Verteidigungsminister reagierte, tat er dies vor allem, um die Spannung aus dem Land zu nehmen. Deshalb ist Mursi auch an unbekanntem Ort interniert, um eben diese Spannung nicht wiederaufleben zu lassen, sprich zu verschärfen oder gar um ihn herum zu konzentrieren.
Nun steht das Land wieder vor einem Bürgerkrieg. Aber vor einem kleineren. Das ist nichts, was gut und richtig oder wünschenswert ist. Es sind die Muslimbrüder, die wie schon die Rothemden in Bangkok kein Zugeständnis und keinen Kompromiss anzunehmen bereit sind. Sie spielen "Alles oder nichts". Aber gegen vierzehn Millionen Ägypter, die aktiv gegen Mursi auf die Straße gegangen sind, nehmen sie sich doch eher klein aus.
Minderheiten müssen gehört werden, richtig. Aber man muss sich nicht von ihnen gängeln lassen.

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