Es ist noch nicht allzu lange her, da habe ich mich auf die Seite der multikulturellen Sprachvielfalt im Deutschen gestellt. Da habe ich mich offen dazu bekannt, dass Lehnwörter nicht nur ins Deutsche einfließen dürfen, sondern sogar MÜSSEN.
Der Kabaretist Thomas Freitag hat das mit seinem Bühnenprogramm noch weit deutlicher auf den Punkt gebracht.
Anhand des berühmten Schiller-Gedichts "Die Glocke" präsentierte er sämtliche Lehnwörter fremder Sprachen, die hierfür verwendet wurden - prompt war das Gedicht um ein Drittel kastriert. Die anschließende Fassung mit rein urdeutschen Begriffen war nicht nur unfreiwillig komisch. Da neigt man doch zu sagen: Ich fasse mir lieber weiterhin an die Nase als an den Gesichtsriechzinken, bleibe cool statt kühl und tippe weiterhin meine Gedanken in die Tastatur statt in meine Rechnerschreibhilfe... Ja, staunt nur, Tastatur ist ein italienisches Lehnwort. Und bei Rechnerschreibhilfe bin ich mir nicht so sicher, ob das wirklich deutsch ist.
Aber nun kommt der große Umkehrschluss, die große Wende, der Punkt an dem ich für die Reinerhaltung der deutschen Sprache kämpfe und mit hochrotem Kopf und pulsierender Stirnader auf die Barrikaden steige. Habe ich meinen Glauben an die Vielseitigkeit einer lebendigen Sprache aufgegeben? Bin ich nun ins Lager der meist unwissenden und häufig selbst ernannten deutschen Sprachexperten gewechselt? Wurde ich Paulus zum Saulus?
Weit gefehlt. Aber ein englisches Lehnwort, das uns mehr und mehr unterminiert, treibt mich zur Weißglut. Warum? Weil Menschen und Medien es benutzen, ohne sich bewusst zu sein, dass es eigentlich ein englisches Wort ist! Dabei kann man nicht einmal davon ausgehen, dass die Menschen es nicht wissen oder erkennen können, wie dies bei Nase, Meister oder Tastatur der Fall ist. Nein, denn es handelt sich um eine Abkürzung, und anscheinend macht sich niemand mehr die Mühe, diese Abkürzung vollständig auszusprechen oder wenigstens vollständig zu lesen, denn dann würde einem ja der Fehler bewusst werden...
Wovon ich spreche? Von der DNA.
Ja, genau, dieses merkwürdige Zeug mit den Aminosäuren, der Doppelhelix und den Auswirkungen auf den eigenen Körper. Ja, das Zeug, das mit AIDS zu tun hat. Oder vielmehr andersherum, AIDS hat mit der Doppelhelix des genetischen Codes zu tun.
Wo ist mein Problem? Nun, sprechen wir das Wort doch einmal aus. Okay, okay, euch arme Leser möchte ich nicht überlasten, also belassen wir es beim lesen. Ausgesprochen heißt es Desoxyribonucleinacid. Ja, das ist wieder so ein Mörderwort aus der Biologie und bezeichnet Aminosäuren und Doppelhelix und so... Das Problem liegt nur in den letzten vier Buchstaben. Acid. Den englisch sprachigen Lesern meines Blogs wird nun ein Licht dämmern. Hey, das ist doch englisch für Säure!
Genau. Es ist das englisches Wort für Säure. Das Nuclein innerhalb des Wortes wird übrigens mit c statt mit k geschrieben, was es ebenfalls ins englische rückt.
Nun der Gegenvergleich. Gibt es ein deutsches Wort dafür? Für die Doppehelix und die Erbinformationen und den ganzen Quatsch? Ja. Es heißt Desoxyribonukleinsäure.
Nun kommen die Englisch-Experten wieder zu Wort. Komisch, das ist das gleiche Wort wie DNA, nur eben mit Säure statt mit Acid am Ende. Und ein c wurde gegen ein k ausgetauscht.
Scharfsinnig und richtig bemerkt. Und hier liegt der Hund begraben, die Flinte im Korn und sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht. Überall sagen die Leute DNA. DNA hier, DNA da, DNA auf Wikipedia.de, dort sogar besonders konsequent, weil es so verdammt richtig klingt...
Und keine Sau merkt am Ende, dass sie eigentlich englisch spricht, wenn sie DNA statt DNS sagt. Das ist das Traurige an der ganzen Geschichte, sie denken sie sprechen das Wort deutsch aus. Dabei ist bereits die Abkürzung englisch.
Nun, der Wikipedia-Artikel ist etwas irreführend, aber er bestätigt meine Worte, liefert allerdings keine Erklärung warum der Autor bevorzugt DNA verwendet, geschweige denn dass er den Begriff näher erläutert. Für mich sehr enttäuschend.
Ich will euch den Link nicht vorenthalten: http://de.wikipedia.org/wiki/Desoxyribonukleinsäure
Zum Abschluss noch ein anderer, wesentlich kürzerer Wiki-Artikel, der mich mit der Welt wieder versöhnt hat... Der aber nicht verhindert, dass weiterhin DNA benutzt wird: http://de.wikipedia.org/wiki/DNA_(Begriffsklärung)
Liebe Leser, versteht mich nicht falsch. Ich will den Medien nicht ihr geliebtes Lehnwort wegnehmen und sie dazu zwingen fortan DNS zu sagen. Aber ich würde mich wahnsinnig darüber freuen wenn sie wenigstens WÜSSTEN, dass sie englisch sprechen.
So, nachdem ich mich abgeregt habe und wieder cool bin, betrachte ich meine Tastatur, um mir an die eigene Nase zu fassen. Aber es musste halt mal gesagt werden.
KW 36/25: Hör- und Gucktipps zum Wochenende
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