Heute Mittag lief eine Reportage auf WDR. Sie widmete sich einem wichtigen Thema, nämlich der Frage, ob Vitamine, in Neusprech Antioxidanzen, einen Nutzen haben. Tatsächlich könnte und würde laut dem Bericht die Einnahme in verschiedenen Fällen zum Tode führen.
Ich bin nun weder Mediziner, noch Laie auf dem Gebiet der Vitamin-Forschung. Und von der übermäßigen Einnahme von Vitaminen, sprich Tablettenschlucken, halte ich persönlich auch nicht viel. Vom zweifelhaften Nutzen der künstlichen Vitamine auch als Antioxidanz und Schutz vor den "Freien Radikalen" einmal ganz abgesehen. Kümmern wir uns nicht um diesen Teil des Films. Kümmern wir uns auch nicht um die skandinavische Studie, auf der dieser Bericht basiert, und in der laut WDR die "Gefahr von Vitamin-Präparaten aufgedeckt" wurde. Schauen wir uns den Bericht an.
Tatsache ist, der Mensch braucht Vitamine. Bis auf Vitamin C produziert der menschliche Körper sie allesamt selbst, zum Teil aus Provitaminen. Vitamin C erhält man auf natürlichem Wege aus Obst. Zum Beispiel Äpfeln. Dieser Fakt ist unumstritten, und sogar ich kenne ihn. Ich glaube, das kann ich so stehen lassen, ohne für Tablettenpresser Partei zu ergreifen, oder so im Licht da zu stehen, die Studie, auf der der Bericht basiert (und die ich nur als Zitat aus dem Report kenne), anzuzweifeln.
Tatsache ist aber auch, dass der Bericht höchst parteiisch ist. Wenn ich einen Bericht sehe, in dem der potentielle "Gegner" zwar zu Wort kommt, aber seine Statements zu zwei halbherzigen Sätzen zusammengestrichen werden, dann bekomme ich Zweifel am Motiv des federführenden Journalisten.
Wenn ich einen Bericht sehe, in dem alles getan wird, um die These über die Nutzlosigkeit, ja Gefährlichkeit des angeprangerten Produkts zu untermauern, dann sind wir normalerweise einen gigantischen Skandal auf der Spur.
Normalerweise.
Aber reißerische Musikuntermalung, Herumgespringe durch ein halbes Dutzend Themen und geschickter Schnitt lassen mich gleich an "Heilung unerwünscht" denken, jenen unsäglichen Werbefilm für die kleine rosa Paste, die vor kurzem aus Copyrightgründen umbenannt werden musste.
Gut, gut, ein amerikanischer Forscher kommt zu Wort, der sagt, dass der Körper freie Radikale braucht und dass Antioxidanten damit augenscheinlich ihr Ziel verfehlen, dem Menschen zu nützen. Aber was hat das mit der Gefahr der Todesfälle durch die Einnahme von Vitaminpräparaten zu tun?
Und wenn dann ein Sportler zu Wort kommt, der an einer Versuchsreihe mit Antioxidanten teil genommen hat, und zu berichten weiß, dass eine Gruppe beim Training Muskelkater hatte, die andere aber nicht...
Dann fragt man sich schon: Wenn eine Gruppe Antioxidanzen bekam, und die andere nicht, welche hatte dann bitte Muskelkater? Das klärt der Film leider nicht.
Und übersehen wir mal geflissentlich die Frage, ob es Sinn macht, den Sportlern zu sagen, in welcher Gruppe sie überhaupt sind, um PLacebo-Effekte zu vermeiden.
Kümmern wir uns nur darum, wie der Film berichtet, wie er die Fakten behandelt. Halbherzig. Und halbfertig, wie man am Sportler sieht. Welche Gruppe hatte denn jetzt den Muskelkater? Warum fragt man nicht den Chef der Studie? Und was ist so bahnbrechend am Muskelkater, dass er die Gefährlichkeit von Vitamin-Präparaten untermauert?
Der Film will viel beantworten, hinterlässt aber noch viel mehr Fragen.
Okay, ich will nicht kleinlich sein. Es gibt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass Vitaminpräparate in hohen Dosen schädlich sind. Die ist sogar recht hoch. Es gibt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass künstliche Vitamine nicht nützen. Dass sie sogar zu Todesfällen führen können, meinetwegen.
Es gibt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass Vitamine gar keine "Freien Radikalen" binden können, oder eben dass sie damit dem menschlichen Körper keinen guten Dienst erweisen.
Und natürlich gibt es die Möglichkeit, dass die Industrie sich mit gekauften Fachleuten und gekauften Studien sowie einer geschickten Propaganda einen gigantischen Markt offen hält, auf dem sie mit wertlosen, ja gefährlichen Produkten groß verdienen. All das ist möglich. All das versucht dieser Report zu vermitteln, ja, aufzudecken. Ich will dazu als Nicht-Fachmann auch nicht mehr sagen, als ich schon getan habe.
Aber hektische Schnitte und eilig zusammengemixte Fachleute gegen unterschiedliche Aspekte sind keine stringente Erzählung, und erst Recht keine logisch durchdachte Beweisführung.
Angenommen, wir stehen hier wirklich am Anfang eines Skandals, der enthüllt, dass ein paar Tausend Menschen in den letzten Jahren nicht hätten sterben müssen, wenn große Chemiekonzerne keine Vitaminpräparate unters Volk gebracht hätten...
Angenommen, wir stehen vor einem Skandal, dessen Tragweite Korruption von unglaublichem Ausmaß enthüllt...
Angenommen, wir stehen vor diesem Skandal, dann hat der WDR sich mit "Die Vitamin-Falle" einen Auftakt geleistet, der auf BLÖD-Niveau rangiert.
Von einem Bezahlmedium wie dem WDR erwarte ich seriösen Journalismus, keine reißerischen Schnitte und Halbwahrheiten. Ich erwarte, dass entweder die Kripo bei den Produzenten von Vitaminpräparaten wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung in tausenden Fällen Razzien veranstaltet, oder aber die Befürworter der Vitaminpräparate in einem stärkeren Maße zu Wort kommen als in zwei Sätzen.
Bitte kein "Alarm für Cobra 11" in einem ernsten, seriösen Thema, in dem es um Leben und Tod geht.
Btw: Ich persönlich halte Vitamin-Präparate für nicht sehr hilfreich bis sinnlos; man sollte doch verdammt noch Mal seinen Tagesbedarf mit der regulären Ernährung abdecken können, vielmehr müssen. Aber bei einem so einseitigen Bericht stellen sich mir die Nackenhaare auf. Eventuell kriegen wir einen Skandal. Nur könnte er die Wissenschaftsredaktion des WDR betreffen, weniger die Produzenten von Vitamin-Präparaten.
Ich beobachte das Thema weiter. Eine Entschuldigung meinerseits wird es nie geben. Dazu war der Bericht zu schlecht, dem ernsten Thema nicht angemessen. Schade, WDR.
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