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Montag, 9. August 2010

Leserbrief an die LDZ zum heutigen Kommentar

Sehr geehrter Herr Schneider,

mit großem Interesse habe ich heute Ihren Kommentar im überregionalen Teil der LDZ zum Thema "Körperscanner" gelesen. Der Kommentar trug die Überschrift: Keine Peepshow.
Hierzu muss ich Ihnen sagen, dass ich von Ihrer Unsachlichkeit und schlechten Recherche überrascht und enttäuscht bin. Ihr Kotau vor der Nacktscanner-Industrie ist schlicht und einfach peinlich. Lassen Sie mich das näher erläutern, in der Hoffnung, dass ein gestandener Journalist wie Sie ein Profi ist, der aus Fehlern lernen kann.

Zuerst möchte ich erwähnen, dass ich am Thema Nackt/Körperscanner sehr interessiert bin und es aufmerksam verfolge. Nicht weil ich ein Gegner der Technologie an sich bin, oder eine "Peepshow" befürchte, sondern weil sie schlicht und einfach nicht funktioniert. Das hat Markus Lanz bereits letztes Jahr in seiner Sendung eindrucksvoll bewiesen, als der aus amerikanischer Produktion stammende Körperscanner nicht in der Lage war, eine mit Klebeband ans Knie eines Gastes befestigte sogenannte Sprengkapsel zu entdecken. Auch war er nicht in der Lage, das Termit in seiner Jackentasche abzubilden. Das Termit wurde anschließend in einem Feldversuch in einer Stahlpfanne entzündet und durchschnitt sie bei viertausend Grad.
Ich sehe zwei Dinge nicht ein: Warum für eine Technologie Geld ausgeben, die nicht funktioniert?
Und: Warum Sie Ihre journalistische Integrität auf dem Altar der Industrie opfern.
Das erinnert doch stark an jene Zeiten in den USA, in denen ein Plastikbeutel mit Klebeband das eigene Haus vor Gasangriffen schützen sollte. Eine solche Hysterie und Geldverschwendung brauchen wir in Deutschland nicht. Der internationale Flughafen von Tel Aviv, der sicherste Flughafen der Welt, geht vollkommen andere Wege und wird den Nacktscanner gewiss nie aufstellen. Ihre Methode des "profiling" der Fluggäste erlaubt einen weit höheren Sicherheitsstandard als die Nacktscanner-Technologie.

Sie haben im Kommentar gesagt, zwei Drittel aller Deutschen hätten sich aus Sicherheitsgründen für den Nacktscanner ausgesprochen. Sie sehen mich überrascht. Diese Umfrage ist an mir vollkommen vorbei gegangen, und ich bin an dem Thema SEHR INTERESSIERT.
Sie haben keinerlei Quelle für diese Aussage angegeben, deshalb unterstelle ich Ihnen, dass Sie sich diese Zahlen aus den Fingern gesogen haben. Bitte belehren Sie mich mit einer Quellenangabe eines Besseren. Aber die Zahl ist defacto falsch, da Sie suggerieren, die gesamte Bevölkerung Deutschlands mit zweiundachtzig Millionen Menschen wäre befragt worden, nicht etwa ein repräsentativer Teil. Das ist peinlich für einen professionellen Journalisten.

Das Schlimmste an Ihrem Kommentar ist jedoch folgende Aussage:
"Nun führen die Kritiker an, die Geräte garantierten auch keine Sicherheit und könnten von skrupellosen, technisch versierten Terroristen umgangen werden, indem sie die Bomben im statt am Körper tragen. Korrekt. Doch nicht alle Terroristen sind Vollprofis."
Herr Schneider, was ist das für ein Quatsch, den Sie hier geschrieben haben?
Erstens: Wollen Sie sich darauf verlassen, dass Ihr nächster Flug von einem Terroristen gesprengt werden soll, der kein "Vollprofi" ist?
Zweitens: Diese Geräte sollen die Sicherheit verbessern, und sie sollen gerade die "Vollprofis" heraus fischen. Für einen professionellen Journalisten ist diese Aussage unkorrekt, schlecht recherchiert und blauäugig wiedergegeben. Mit anderen Worten: Setzen, sechs.

Lediglich mit dem Schlussabsatz stimme ich überein. Kompetenzwirrwarr verhindert Absprachen, und schlecht ausgebildetes Billigpersonal in der Flughafensicherheit erhöht die Fehlerquote. Das sind allerdings Baustellen, auf denen das Geld für die Nacktscanner besser investiert wäre.
Und ja, absolute Sicherheit im Flugzeug kann und wird es nie geben. Immerhin können die Mistdinger immer noch abstürzen.
Mit diesem Teil Ihrer Aussage kann ich mich identifizieren. Der Rest ist, Entschuldigung, Industriepropaganda. Ich hoffe, Sie wurden wenigstens dafür von den Herstellerfirmen bezahlt. Sonst war ihr Kotau nicht nur peinlich, sondern auch umsonst.

Mit freundlichem Gruß,

Alexander Kaiser


Anmerkung: Dieser Leserbrief ging heute per E-Mail an die Redaktion. Ich bin gespannt, ob und wie Herr Schneider reagiert.

Nachtrag am Mittwoch: Noch keine Reaktion. Dafür aber ein neuer Kommentar von Herrn Schneider in der Zeitung, in dem er eifrig auf Google Street View einbasht. Er suggeriert tatsächlich, Streetview hätte ein Interesse daran, SÄMTLICHE STRAßEN z.B. Hamburgs und damit auch die Wohnviertel aufzunehmen. Ein derart logistischer Aufwand erscheint mir doch zu hoch zu sein. Herrn Schneider allerdings nicht.

Nachtrag am Montag: Nach einer Woche noch immer keine Reaktion von Herrn Schneider. Ich hoffe, dass ihn meine Mail schlicht und einfach nicht erreicht hat; andernfalls wäre das ein Armutszeugnis für einen professionellen Journalisten.

Nachtrag am 06.05.2011: Natürlich nie eine Reaktion. Entweder ist die überregionale Redaktion der LDZ des E-Mailens nicht fähig, oder mein Leserbrief ist stantepede im Datenpapierkorb gelandet. Beides sehr peinlich für eine Zeitung, die in heutigen Zeiten bestehen will.

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