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Dienstag, 31. August 2010

Sarrazin schon wieder

Okay, ich gebe es gerne und offen zu: Ich irre, und das nicht gerade selten. Zum Beispiel habe ich wie alle anderen auf Sarrazin rumgehackt, als BILD ihn mit seinem "Kopftuchmädchen-Spruch" zitiert hat. Danach entdeckte ich irgendwann das Original-Interview, aus dem das Zitat stammt, im Web. Und ich musste erkennen, dass die Wortwahl vielleicht nicht sehr geschickt war, aber Sarrazin hier für die Integration dieser "Kopftuchmädchen" warb, anstatt es bei Sozialhilfe zu belassen und danach beide Augen für ihr weiteres Schicksal, ihr Zukunft und ihre Integration fest zu zu machen.

Im Moment wird über sein Buch diskutiert. Ich habe es nicht gelesen. Aber ich weiß, wie BILD damit umgeht. Und ich weiß, dass ich wieder Gefahr laufen würde, ihm Unrecht zu tun, wenn ich es nicht lese, und mich nur auf die Zitate in BILD und Spiegel berufe.
Das hole ich eventuell nach. Das Lesen, nicht das Zitieren.
Ein Argument jedoch, das gerade hitzig debattiert wird, will ich kurz mit meiner Laien-Bildung in Biologie beleuchten: Nämlich das hetzerisch zitierte "Juden-Gen".
Wenn BLÖD ausnahmsweise mal richtig zitiert hat, dann hat laut Sarrazin jeder Jude ein bestimmtes Gen. Und jeder Baske. Darüber regen sich die Medien jetzt auf und erklären das zu einer ganz bösen Sache.

Natürlich ist es vollkommener Unsinn. Nicht alle Juden haben ein bestimmtes Gen, das sie als Juden kennzeichnet, identifiziert, oder was man hier auch immer einsetzen möchte. Immerhin gibt es genügend konvertierte Juden aus vollkommen anderen Volksstämmen, Eingeheiratete, und dergleichen. Aber unsere Medien behandeln dieses Argument gleichbedeutend wie mit einer Herabwürdigung. Wieso?
Rein biologisch gesehen waren die Juden ein eigener Volksstamm. Und in einem solchen Stamm wird die eigene Genetik weiter gegeben. Das jüdische Volk zum Beispiel kommt an sich aus dem Nahen Osten und teilte früher (und teilweise heute noch) viele Charakteristika der Menschen in dieser Region. Das ist nun mal genetisch bedingt. Es ist absolut nicht auszuschließen, dass viele Juden ein bestimmtes Gen in ihrer Erbmasse haben, das wir Europäer oder Schwarzafrikaner nicht besitzen. Nicht einmal andere Völker im Nahen Osten. Das ist nichts Schlimmes, keine Diskriminierung, sondern einfach nur ein Fakt.
Uns Europäern werden in der Genetik beispielsweise fünf Frauen von den Spezies Homo Sapiens und Cro Magnon zugerechnet, von der alle Europäer genetisch abstammen. Auch das ist nichts Böses. Es ist Wissenschaft.

Natürlich will ich nicht ausschließen, dass Herr Sarrazin dieses Argument gewählt hat, um Juden und Basken zu diskriminieren. Aber ich glaube es nicht. Die Tatsache, WER dieses Zitat verbreitet, lässt vermuten, dass die Faktenverdrehung wieder Hochkonjunktur hat.

Mein Fazit: Ein "Juden-Gen" ist durchaus möglich, sogar wahrscheinlich. So wie es auch viele "Europa-Gene" gibt, die exklusiv in unserem Genpool vorkommen. Das ist nicht gut, das ist nicht böse, das ist einfach Wissenschaft. Wer das zur Diskriminierung nutzt, oder als Argument des Beweises der Diskriminierung, hat seine Biologie noch aus dem Dritten Reich der Herrenmenschenzeit. Wissenschaftlich ist das in keiner Weise haltbar. Denn was sagt schon ein Gen über einen Menschen aus? Vielleicht steuert dieses spezielle Gen den Hautstoffwechsel. Vielleicht bestimmt es die Größe des Blindarms. Vielleicht hängt von ihm die Größe der Nasenporen ab. Oder die Möglichkeit, Schuppen zu bekommen.
Na und? Das sagt nichts über die Genetik aus. Und es sagt absolut nichts über den Menschen aus, ob er nun Jude oder Christ, Europäer oder Asiat ist. Rein gar nichts.
Also, meine lieben Argumenteverdreher, freut Euch darüber, dass zu viele Menschen in Deutschland noch weniger von Genetik verstehen als ich, und macht weiter mit toll klingenden, aber recht substanzlosen Sprüchen und Zitaten Euren Reibach.
Ich sitze derweil hier, schüttle den Kopf und überlege ernsthaft, ob ich mir Sarrazins Buch nicht kaufen sollte, um es zu lesen und danach darüber zu urteilen.
Hättet Ihr besser auch in dieser Reihenfolge so gemacht, BILD und Spiegel.

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