Tja, Sachen gibt's, die glaubt man erst, wenn man sie sieht. Zum Beispiel findet man auf Netzpolitik.org heute einen Artikel zum Thema Leistungsschutzrecht. Demnach hat der offizielle Twitteraccount des Bundes Deutscher Zeitungsverleger zur aktuellen Google-Kampagne Verteidige Dein Recht getwittert, es wäre eine schwache Kampagne. Auf Kritik des Users @ysannelsard_ am Leistungsschutzrecht erwiderte der offizielle Twitteraccount des BDZV: Sie sind also auch dafür, Ladendiebstahl zu legalisieren?
...sacken lassen.
Laut Netzpolitik.org hat @Bdzvpresse den entsprechenden Tweet wieder gelöscht, aber etliche User, darunter auch Netzpolitik.org, haben einen Screenshot des Tweets gemacht.
Ich will gar nicht so sehr auf die Diskussion selbst eingehen, die geführt wurde. Wer meinen Blog liest, weiß, dass ich das Leistungsschutzrecht noch weniger mag als ACTA oder die Auswüchse der deutschen Regierung, die versucht hat, wenig subtil Seiten im Netz sperren zu können, die ihr potentiell nicht gefallen. Nein, ich möchte etwas über die Problematik nachdenken.
Also, was haben wir hier? Google zieht sogenannte Snippets von News-Seiten und generiert daraus Schnuppertexte aus den Seiten der Verlagsangebote, die der interessierte User dann klicken kann, um zum entsprechenden Angebot zu gelangen. D.h., Google verlinkt mit kleinen Appetithappen Traffic auf die Seiten der Verlage. Und für diese Snippets soll Google jetzt bezahlen, so ist zumindest der Wille des Bundes Deutscher Zeitungsverleger. (Das ist zumindest noch davon übrig, nachdem die Netzgemeinde vollkommen berechtigt im schwammigen LSR einen Angriff auf die Informationsfreiheit und Blogger identifiziert hatte, und die Verleger zurückrudern mussten.) Das allerdings mit Ladendiebstahl zu vergleichen, ist schon ein starkes Stück.
Im Screenshot sagt dann auch Crazy Watto(@wattrak) prompt, dass die Verlage ihren Kontext dann eben nicht ungeschützt ins Netz stellen sollen - was die Musikindustrie ja auch nicht mache.
...sacken lassen.
Hm, darauf lohnt es sich, herumzukauen, denn wir wissen alle, dass die Musikindustrie eine wahnwitzige Abmahnindustrie ins Leben gerufen hat, um illegale Downloads ihrer lizensierten Musik zu verfolgen und mit Abmahngebühren von horrenden Ausmaßen zu belegen.
Nebenbei bemerkt stellt die Musikindustrie ihre Musik frei zur Verfügung; sie dudelt im Radio, im Fernsehen, auf Musiksendern und auf Stream-Radios im Internet, und das ohne Kopierschutz. Wie anno dazumal mit Kassette und Kassettenrekorder kann man sich "seine" Songs für Nix einfach saugen, wenn man die entsprechenden Tools hat. Und das völlig legal, weil die GEZ schon dafür sorgt, das für derart präsentierte Musik was gezahlt wird. Das macht sogar Youtube...
Hier haben wir ein recht merkwürdiges Thema, das dem Oberbegriff "Ladendiebstahl" nahekommt - aber auch nur nahekommt. Was passiert also mit all jenen, die Musik saugen, anstatt sie zu kaufen? Abgesehen davon, dass dies krankhaftes Verhalten sein muss - wer hört sich schon fünftausend Songs an? - entsteht den Musikverlagen nur symbolischer Schaden. Zwar ist klar, das ich als User ein gesaugtes Album wohl eher nicht mehr im Laden als Harddisc erwerbe, aber das bedeutet nicht automatisch, das ich das Album gekauft hätte, wäre es nicht im Netz illegal erhältlich gewesen.
(Btw kann ich den Großteil meiner Alben nicht hören, weil mein neues DVD-Laufwerk die Musik-CD's nicht erkennt. Ich arbeite dran. Bis ich eine Lösung habe, ärgere ich mich darüber und kaufe einfach keine CD's mehr, wenn ich sie nicht auf dem PC hören kann.)
Und der Haken ist, je mehr die Musik online illegal geshared wird, desto größer ist die Chance, dass User die Musik saugen, die vielleicht doch das Album im Laden oder auf Amazon gekauft hätten. Hier sehe ich noch einen gewissen Sinn, auch wenn die Methoden an Terror grenzen. Anstatt sich der Zeit anzupassen und Contents online und zu überschaubaren Preisen anzubieten - ich kaufe Musik zur Zeit nur auf Amazon zum Download - wird lieber eine Generation von Abmahnwölfen reich gemacht, die jenseits jeder Moral und zu horrendem Lohn agieren können.
Kommen wir aber zum Thema zurück, zum Leistungsschutzrecht. Wie sieht es hier aus, verglichen mit der Musikindustrie oder gar dem Ladendiebstahl? Ja, wenn ich mir Musik hole, ob frisch im Laden geklaut oder downgeloadet und damit einen imaginären oder realen Geldschaden verursache, dann hat der Ladenbesitzer das Recht, zu jammern, der Musikverleger vielleicht. Aber die Zeitungsverleger?
Was macht Google denn überhaupt? Die Snippets, also die kurzen Anheizer-Zeilen, bestehend aus Überschrift und kurzem Beitext, sehen die Verlage bereits als eigene künstlerische Leistung an. Diese zu bringen soll Google Geld kosten. Wenn es geht, viel Geld. Sehr viel Geld, denn Google ist ja reich und kann das zahlen. Aber nur, weil Google das Geld hat - ist es legal und moralisch richtig, es zu fordern? Nein. Denn im Gegensatz zur gesaugten Musik, wo ich tatsächlich etwas habe, hat Google... Nichts. Ein paar Zeilen, die zu was taugen? Richtig, den Content-Eigentümern Besucher auf die Seiten zu spülen. Es hat ein wenig von Sponsoring. Zeig mein Logo, damit ich bekannt werde. Ich habe den Nutzen durch Mehrkunden. Google geht da noch einen Schritt weiter. Es sagt die Richtung und wie weit es bis zur Firma ist, für die sie wirbt.
Für die Snippets Geld zu verlangen ist eine Frechheit. Eigentlich müsste Google für den Traffic bezahlt werden, den es den Verlagen auf die Seiten leitet, nicht umgekehrt. Und nur weil Google die Taschen voll hat und erfolgreich ist, heißt das nicht, es ist moralisch richtig, das Leistungsschutzrecht durchzusetzen. Natürlich kann man mal bei den Amis nachfragen, wann sie Google zerschlagen, wenn dessen Monopolstellung den freien Wettbewerb verhindert. Und natürlich steht es den Verlagen frei, nach chinesischem Vorbild eine eigene Suchmaschine zu erstellen, zu bewerben und vom User nutzen zu lassen. Allein, sie tun es nicht. Weil es einfacher ist, mit Google Geld zu verdienen. Auch ohne Leistungsschutzrecht.
Dann gibt es da noch das fadenscheinige Argument, neben den Snippets würde Werbung stehen, an der Google verdient, und das Geld, das Google verdient, müsse auch zum Teil an die Verlage gehen, wegen der Snippets... Wenn ich einen Supermarkt habe, kriege ich dann auch Geld von Aral, weil unter dem Wegweiser zu meinem Supermarkt eine Werbung für den Ölkonzern steht? Ich BITTE Euch, BDZV... Genau dieses Verhalten ist es, das Euch letztendlich scheitern lassen wird. Und zwar furios scheitern lassen wird. In Belgien hat Google die Zeitungen ausgelistet, Euch selbst ist das aus eigener Initiative im robot.txt gegen die Crawler von Google (keine Ahnung, was es genau bedeutet, aber es klingt wie cooler Scheiß) möglich. Und nebenbei hat Rupert Murdoch seinen Google-Boykott keine zwei Jahre durchgehalten, bevor er die robot.txt wieder hat ändern lassen, um doch Snippets von Google ziehen lassen zu können. Google sitzt nicht nur am längeren Hebel, Google hat auch Recht: Einfach einen Konzern zu zwingen für etwas zu bezahlen, was den Verlagen ohnehin Geld bringt, hat etwas von Diktatur. Nicht nur von Netz-Diktatur, sondern von richtiger Diktatur. Es ist eine kleine Entmündigung, und ein ebenso offensichtlicher Beschneidungsversuch wie ACTA und Co.
Zum Schluss noch mal ein kleiner Gedanke von mir als kleiner Blogger, der zur eigenen Sicherheit vor Abmahn-Anwälten weder Bilder veröffentlicht, noch direkt aus Zeitungen zitiert: Das Leistungsschutzrecht soll doch den künstlerischen Inhalt, also die Arbeit der Journalisten, schützen, richtig? Das, wofür die Verlage Geld bezahlen, und wofür sie in Form ihrer Druckzeitungen und Bezahlschranken, bzw. indirekt über die Werbung auf ihrer Homepage Geld verlangen...
Spätestens, als uns Usern zugesichert wurde, das recht schwammige und nachgiebige Leistungsschutzrecht würde nicht für Blogger gelten, war doch allen klar: Es geht nicht um Recht und Freiheit, Urheberrechtsschutz oder künstlerische Freiheiten, es geht nur ums Geld. Um Googles Geld. Und nebenbei werden auch noch alle anderen Suchmaschinen, selbst die kleinen, spezialisierten, gleich mit terrorisiert. Wenn ich so drüber nachdenke, wäre eine Lex Google wenigstens nicht verlogen gewesen.
In dem Sinne: Fordert Euer Leistungsschutzrecht, liebe Mitglieder des BDZV. Ihr werdet schon sehen, was Ihr davon habt, wenn Google Euch auslistet. Denn dann braucht Ihr ein Gesetz, das es Google verbietet, Euch auszulisten, und DIE Erklärung will ich dann mal sehen.
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