Okay. Zuallererst steht wohl das Wichtigste an, was ich hier schreiben muss: Ich entschuldige mich. Ich entschuldige mich aufrichtig für zwei Dinge. Einerseits dafür, dass ich die Verbreitungszahlen schlicht und einfach unterschätzt habe. Das, was ich angenommen habe, spielt sich derzeit in Deutschland ab, aber nicht in Italien oder in Spanien. Das habe ich nicht erwartet, vor allem nicht in dieser Form, und den sich abzeichnenden Zusammenbruch der Gesundheitssysteme beider Länder, die deutlich überfordert sind, ebenso wenig. All das habe ich nicht gesehen und nicht erwartet. Ja, ich werde mich später noch rechtfertigen. Aber im Moment muss ich zugeben, dass es viel schlimmer gekommen ist, als ich in meinem jugendlichen Leichtsinn prognostiziert habe. Länder wie die USA, Brasilien und diverse Drittweltländer mit noch schlechterem Gesundheitssystem werden noch richtig leiden, weil dort die notwendigen Maßnahmen nicht ergriffen wurden oder nicht ergriffen werden konnten. Oder eben zu spät wie in England.
Aber kommen wir zum Zusatz des Titels: Keine Panik.
Wenn man über siebzig ist und zwei oder mehr Vorerkrankungen hat, ist stark erhöhte Vorsicht natürlich angebracht, nicht ohne Grund sind die Altenpflegeheime in Deutschland in eine freiwillige Quarantäne gegangen, die sie bis zum Abfall der Neuinfektionszahlen aufrecht erhalten werden.
Generell sollte man sich nicht anstecken, weil so eine Grippe einerseits einen ziemlich üblen Verlauf haben kann, der auch bei jüngeren Generationen zum Tode führen kann (Spätfolgen, vergessen wir die Spätfolgen nicht), andererseits ist jeder Infizierte auch ein Verbreiter.
Ich möchte da mal ein Beispiel nehmen. In der Nachbargemeinde wurden Anfang vorletzter Woche zwei!!! Infizierte gemeldet, die sich sofort in häusliche Isolation begaben. Dabei ist es nicht geblieben, und heute in der Zeitung steht, dass es derzeit siebzehn Infizierte gibt, wobei sechs aber (die müssen wir dazu zählen) auch schon wieder genesen sind. Macht für den Nachbarort mit achttausend Einwohner bisher bekannte neunzehn Infizierte. Wie kommt es dazu? Wir als Normalbürger kennen weder die Vita der Infizierten, noch ihr normales Verhalten. Was wir aber im Gegensatz zu vielen anderen Staaten der Welt wissen, das ist, ungefähr, nicht exakt genug, aber immerhin ungefähr, wer infiziert ist und wer nicht. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Labore testen, was das Zeug hält.
Aber wir wissen halt nicht, wo sich die Leute angesteckt haben und wie viele es noch werden. Wir wissen nur, sechs sind wieder gesund, und im ganzen Landkreis Hildesheim mit 119 Infektionen gibt es drei stationär aufgenommene Fälle. Das sieht in meinem direkten Umfeld eher nach dem Verlauf aus, den ich dummerweise für die ganze Welt angenommen habe und wofür ich mich oben entschuldigt habe.
Schauen wir nach Italien, schauen wir auf die Todeszahlen dort, wissen wir im Gegensatz zur Nachbargemeinde - in meiner Samtgemeinde gibt es immer noch keinen einzigen Infektionsfall, und wir sind nur sieben Kilometer auseinander - recht genau, wer dort gestorben ist. Das Durchschnittsalter der dortigen Todesfälle wurde letzte Woche mit 79 angegeben, und Vorerkrankungen spielten eine ganz große Rolle in der ganzen Geschichte. Auch steigt die Zahl der Toten und Infizierten weiterhin an. Ein Abflachen beider Zahlen ist nicht so bald zu erwarten. Aber warum ist das so? Nun, vor allem, weil die Italiener jetzt mehr testen und damit auch mehr Infektionen identifizieren, die einen schwachen Verlauf verursachen oder nur übertragen. Dies ist der gravierenste Unterschied zwischen uns und Italien, Spanien und den USA. Wir haben den ungefähren Überblick, ob, wie und wo sich Corona ausbreitet. Die Gesundheitssysteme der genannten Länder erfahren dies mangels Tests oft erst nach dem Tode der Patienten, und mögliche Infizierte werden oft gar nicht getestet. In so einem Fall ist die "Stay at Home"-Anweisung natürlich eine Möglichkeit, zumindest die Streuung zu reduzieren. Aber in Italien wird es noch Wochen brauchen, bis sich der Erfolg dieser Maßnahme durchsetzt, eben weil jetzt mehr getestet wird und die Seuchenmediziner erst jetzt die Ausbreitung des Virus voll erfassen können.
Immerhin als gute Nachricht: Festland-China hat nur noch mit infizierten Fluggästen zu kämpfen, also Personen, die den Virus wieder ins Land tragen, es werden aber im Land keine Neuinfektionen gemeldet. (Hong Kong und Taiwan hingegen melden Neuinfizierte, also kann man davon ausgehen, dass sich die Neuinfektionen in Festland-China entgegen der offiziellen Verlautbarungen nur abgeschwächt haben, dies sogar deutlich, aber sicher noch nicht am Ende sind.)
Wo wir gerade bei China sind, ist eine zweite Entschuldigung fällig. Ich schrieb recht emotional und wie ich jetzt weiß nachweislich falsch gegen das Reiseverbot. Tatsächlich ist Reiseverbot eine der effektivsten Maßnahmen, um einen Virus an der Ausbreitung zu hindern. Dafür muss ich mich entschuldigen. Allerdings, zu meiner Verteidigung, habe ich gar nicht den internationalen Flugverkehr gemeint, sondern die absolute Isolierung in den Wohnungen in Wuhan, wo ganze Wohnhäuser zugeschweißt wurden.
In Italien aber habe ich den ortsübergreifenden Verkehr gemeint, und wie sich jetzt herausstellt, waren das Reiseverbot und der Hausarrest die richtigen Maßnahmen, nur viel zu spät.
Aber, auch hier gilt wieder: Keine Panik. Warum nicht? Will ich hier auf den eher milden Verlauf in den jüngeren Altersgruppen hinaus und die wenigen Todesfälle bei ihnen? Möchte ich mich nachträglich in irgendeiner Form gutreden oder rechtfertigen?
Gutreden nicht, aber rechtfertigen. Warum also schreibe ich: Keine Panik!? Abgesehen von den katastrophalen Situationen in Italien, vor allem in den Skigebieten der Lombardei, Spanien und den zu erwartenden humanitären Katastrophen in Brasilien, den USA und weiteren Ländern sowie der Tatsache, dass durch nachträgliche Tests sehr viele weitere Infizierte hinzu kommen werden, deren Krankheit man nicht erkannt hat... Keine Panik.
Dazu verlinke ich den Wikipedia-Artikel und verweise auf die im von mir verlinkten Unterkapitel vorhandene Grafik über weltweite Infektionen, Genesungen und Todesfälle. Wie ich schon zweimal schrieb, ist jeder Tote natürlich einer zuviel, und die Lombardei und der Rest Italiens ist hart gebeutelt mit über sechstausend Toten, aber die Zahl der Infektionen und der Todesfälle ist dafür, dass sich Corona in sehr bevölkerungsreichen Ländern verbreiten konnte, bevor Maßnahmen ergriffen wurden, die die Verbreitung eindämmen sollten, sehr hart.
Das Ergebnis: Jeder fünfte Infizierte über siebzig Jahren ist mittlerweile in der Lombardei an einer Mischung aus Vorerkankungen und Corona (Fieber, Sekundärinfektionen durch Bakterien aka Lungenentzündung) verstorben.
Schauen wir uns dann die Grafik noch mal an, kommen wir auf einen Stand von bekannten fünfhunderttausend Infizierten weltweit. Verdoppeln wir das wegen der Dunkelziffer auf rund eine Million Fälle Infizierter, Corona-Toten und Genesenen, und lassen wir dabei für den Moment außer Acht, dass die Krankheit in vielen Ländern erst so richtig losgeht.
Im Vergleich dazu meldet der Merkur für die eigentliche Influenza-Saison alleine zum Stichtag 12.03.2020 119.280 bestätigte Fälle der echten Grippe in Deutschland, bei 19.819 Aufnahmen im Krankenhaus und bis zum Stichtag 202 Todesfällen. Corona wird da mit erfasst, zumindest wird es nicht gesondert geführt.
Was will ich damit sagen? Dass wir es immer noch nicht mit den Ansteckungsraten der normalen Influenza haben. Ich erwarte auch nicht, dass es zumindest hierzulande dazu kommt, dass sechzig bis siebzig Prozent unserer Bevölkerung infiziert werden. Der abschließende Wert von nachgewiesenen Corona-Fällen dürfte abschließend weit unter denen der echten Grippe liegen, wenngleich die Sterblichkeit höher als von mir angenommen ist, wir kommen wohl tatsächlich auf die drei Prozent, die von der WHO von vorne herein diagnostiziert wurde.
Wieso ist es in Italien so schlimm? Wieso rottet Italien seine alte Bevölkerung quasi aus? Nun, einerseits wurde der Großteil der Maßnahmen erst ergriffen, nachdem lange bekannt war, dass das Virus sich beinahe schrankenlos ausgebreitet hat; im Zuge dessen wurden auch sehr viele alte Leute angesteckt, von denen rund jeder Fünfte dann auch verstorben ist. Und das mitten in der Grippe-Saison. Das italienische Gesundheitssystem kollabiert geradezu, und das, obwohl das Land genau wie wir die saisonale Grippe kennt und darauf vorbereitet ist. Sollte es zumindest. Ich zitiere hierzu den Tweet von Jakob Augstein zum Thema: "Was wäre eigentlich, wenn am Schluss rauskommt, dass nicht das Virus so
gefährlich ist sondern die Gesundheitssysteme in vielen Ländern so
schlecht sind?
Man sollte jetzt damit anfangen eine Liste der Punkte zu machen, die
nachher besser werden müssen."
Und noch ein weiterer Punkt gehört natürlich untersucht. Nämlich, inwieweit die Lombardei als beliebtes und sehr gut besuchtes Skigebiet als Multiverbreiter gedient hat, und dies weltweit.
Und, das möchte ich als meine eigene Spekulation hinzufügen, Viren von Kleinsäugetieren wie Mäusen und Fledermäusen bekommt man nicht nur, wenn man die Fledermaus vor dem Essen nicht gut genug kocht. Man bekommt sie in erster Linie, wenn man ihre Fäkalien beseitigt und den dabei entstehenden Staub inhaliert. Ich denke, in puncto Herkunft und Ausbreitungswege stehen uns im Corona-Fall noch einige Überraschungen bevor.
Mein Fazit: Doch drei Prozent Sterblichkeit. Meine optimistische Hoffnung ist damit zu Grabe getragen. Aber wieder mal: Keine Panik. Wir haben es nicht mit SARS zu tun, und auch nicht mit Pocken und Pest, nur mit einer zehnmal tödlicheren, aber weit weniger ansteckenden Grippe, der vor allem Menschen mit Vorerkrankungen zum Opfer fallen - aber eben nicht nur. Wer will schon gerne Lotto spielen und der eine von fünfhundert in seiner Altersgruppe sein, der an Corona stirbt? Und wer möchte mit einem ruhigen Gewissen leben mit der Sicherheit, die Senioren der eigenen Familie mit Corona infiziert zu haben? Eine Grippe, die einen schweren Verlauf hat, ist immer eine ganz gefährliche Geschichte, egal ob echte Grippe oder Corona. So weit sollte es nicht kommen müssen. Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten beobachten können, wie wirklich marode Gesundheitssysteme wie jenes der USA mit dieser humanitären Katastrophe umgehen werden - oder auch nicht, je nachdem, was die politischen Führer entscheiden. Und was diese Entscheidungen bringen werden.
Aber auch hier gilt: Selbst ein sich ungebremst ausbreitender Virus würde die Gesundheitssysteme prekär überlasten, aber nicht die Mehrheit der Bevölkerung infizieren, geschweige denn umbringen.
Hierzu empfehle ich als Lektüre einen aktuellen Artikel des Volksverpetzers mit Thema Umgang mit der Situation: Hammer and Dance, der auf einen Fachartikel verweist.
Es bleibt eigentlich nur das, was wir auch bisher schon tun: Zuhause bleiben. Distanz halten zu anderen Personen. Einkäufe weitmöglichst reduzieren. Risikogruppen meiden. Nicht husten und nicht anhusten lassen. Und das meine ich ganz besonders in Richtung der vielen Senioren, die ich gestern im Supermarkt gesehen habe, in dem ich meinen Wocheneinkauf erledigt habe.
Klopapier horten, das bis Weihnachten 2022 reicht, gehört übrigens ausdrücklich nicht dazu.
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vor 1 Tag
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