Ich bin ein eifriger Leser des
BILDBlogs. Nicht nur, weil ich dort beinahe tagtäglich meine Meinung über ein gewisses Blatt mit vier Buchstaben bestätigt sehe, sondern auch, weil die BILDBlogger mittlerweile der ganzen Nation ihr Fett weg geben, auf kleinere Fehler hinweisen und größere Sünden aufdecken. BILDBlog ist unser WikiLeaks... Nur das wir keine Whistleblower brauchen, nur jemanden, der gewissenhaft Zeitung liest.
Die Rubrik "sechs vor neun", die bei BILDBlog ein neues Zuhause gefunden hat, hat es mir da besonders angetan, weil mir fast immer mindestens ein verlinktes Thema zusagt.
Auf diesem Wege bin ich sowohl an das Thema "Innocence in Danger" mit ihrem Aushängeschild Freifrau zu Guttenberg herangeführt worden, als auch an die Diskussion über mögliche unsaubere Arbeitsweisen des Vereins.
Letzten Samstag berichtete die Frankfurter Rundschau unter dem nicht sehr netten Titel
"Im Spendensumpf" über "Innocence in Danger", und ihre aus Sicht der Artikel-Autoren undurchsichtige Spendenpraxis.
Ein paar Tage später schoss die FAZ mit einem
Online-Artikel zurück. Man "müsse nur die richtigen Fragen stellen", hieß es da, und nach Kräften wurde versucht, die FR zu "korrigieren".
Eigentlich hatte ich nicht vor, mich mit diesem Thema zu beschäftigen. Aber manchmal finden die Themen den Blogger, nicht der Blogger die Themen.
Und auch wenn ich nur maximal vier Leser habe (erkennbar an der maximalen Zahl für einen Beitrag gedrückten Buttons), so kann ich immer noch schreiben was ich will, und wann ich es will. Diesmal möchte ich ein wenig die Vorgeschichte beleuchten, soweit sie mir bekannt ist, auf den FR-Artikel eingehen, und danach auf die Antwort der FAZ.
Beginnen wir ganz am Anfang. Ein RTL-Reportage namens "Tatort Internet" bringt einen spektakulären Beitrag, bei dem die federführende Redakteurin auf die Gefahren für Kinder im Internet aufmerksam macht. Sie greift selbst zur Tastatur und animiert potentielle pädophile Straftäter, sich mit ihr, bzw. einer achtzehnjährigen Schauspielerin, die sich als dreizehn ausgibt, zu treffen. Trifft der potentielle Täter ein, wird er mit dem Chatlog und Vorwürfen konfrontiert.
Bringen wir es mal auf den Punkt: Ich habe die Sendung nicht gesehen, und das ist wahrscheinlich auch besser so. Eine Gesellschaft misst man daran, wie sie ihre Kinder und ihre Schlimmsten behandelt. In diesem Fall hat die federführende Redakteurin die (potentiell) Schlimmsten erwischt und ins Rampenlicht gezerrt.
Gut, mögen manche sagen. Richtig so, die Schweine haben es nicht anders verdient.
Andererseits wissen wir nichts über diese Männer (abgesehen von ein paar Enthüllungen durch gewisse Zeitungen), und wir haben keine Ahnung, ob sie bereits pädophile Sexualverbrechen verübt haben. In diesem Fall hatten sie nicht einmal die Chance dazu. Klingt jetzt ein bisschen konfus, aber in Deutschland gilt: In dubio pro reo. Allerdings kann man bei schweren Kapitalverbrechen auch für die Planung desselben angeklagt und verurteilt werden. Anklage und Verurteilung aber übernehmen bei uns die Gerichte, und kein vorwitziges Fernseh-Medium. Und generell haben wir in Deutschland eine resozialisierende Gerichtsbarkeit, keine bestrafende.So. Für diese Sendung hat Frau von Guttenberg ihr Gesicht hergegeben, und gleichzeitig für den gemeinnützigen Verein Iid geworben, der vor allem auf den Tatort Internet verweist, und auf die Gefahren, die dort für Kinder und Jugendliche lauern. Richtig bekannt wurden Frau von Guttenberg und der Verein auch durch die halbe Million Euro, die sie bei Jauch gewonnen hat.
Die
Frankfurter Rundschau sah dem Verein mal näher auf die Finger und klopfte kräftig drauf. "Kein Spendensiegel, das die Seriösität bescheinigt", war da eine Sache. "Verein gibt keine Angaben über Höhe der Verwaltungsausgaben und Aufwendungen der Projekte", eine weitere.
Außerdem kamen verschiedene Vertreter anderer Kinderschutzorganisationen zu Wort, denen IiD relativ neu unter die Augen gekommen war, und mit deren Projekten sie nicht vertraut waren. Vereine, die sich vor allem auf das soziale Umfeld konzentrieren, weil dort neunzig Prozent der Missbrauchsfälle von Kindern stattfinden, die unter anderem Beratungsstellen und so genannte
Kinderhäuser anbieten.
Der Hauptvorwurf der FR ist nicht die mangelnde Seriösität des Vereins durch die RTL-Sendung "Tatort Internet", sondern die nicht vorhandene Transparenz.
Tja, wenn eine Prinzessin in Gefahr ist, muss natürlich ein Ritter her. In unserem Fall heißt er Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nicht nur, dass IiD rechtliche Schritte bis zur Klage gegen die FR und die Redakteure des Berichts erwägt, der Ritter auf strahlendem Ross haut auch noch tüchtig in die Kerbe rein und verteidigt IiD recht ritterlich.
Das Spendensiegel habe IiD "nicht beantragt, weil das Geld direkt in die Projekte zu Gunsten der Kinder fließen soll, und nicht woanders hin".
Darüber hinaus koste "das Spendensiegel bis zu zehntausend Euro."
Dann schreibt die verantwortliche Redakteurin, dass IiD "nur dem Finanzamt gegenüber verpflichtet sei, ihre Zahlen offen zu legen", dies gemacht habe und "für weitere fünf Jahre die Gemeinnützigkeit bestätigt" bekommen habe.
Und das ist erst der Anfang, denn die FAZ kann mit den Zahlen aufwarten, die den Redakteuren der FR nicht zur Verfügung standen (oder nicht gestellt wurden), und kann das Spendenaufkommen aufführen. Die halbe Million von Jauch sei "da aber noch nicht drin, weil das Geld noch nicht überwiesen wurde".
Schließlich kann die Redakteurin noch darauf verweisen, dass IiD "alle Fragen beantwortet", und mit so viel "Medienrummel nicht gerechnet" habe, und deshalb keine Aufschlüsselung ihrer Zahlen fertig hatte, da die Buchführung von einem Steuerberater gemacht würden.
Außerdem hätten "Greenpeace, Dunkelziffer e.V. und Deutsche Krebshilfe ja auch kein Spendensiegel".
Zum Abschluss kann die FAZ noch mal drauf hinweisen, dass andere Vereine und Organisationen wie z.B. die UNESCO mit IiD zusammen arbeiten.
Die Zahlen zu 2009 und 2010 wolle "der Verein bald vorlegen".
Fazit: Ich weiß nicht, Freifrau hin, Freifrau her, die IiD hat bei mir den gleichen schalen Nachgeschmack, den ich verspüre, wenn ich irgend etwas über meine Lieblingsverbraucherschutzorganisation Foodwatch sehe oder lese.
Es wurde viel Krach geschlagen, es wurde teilweise am Rande der Legalität gearbeitet, vor allem mit "Tatort Internet".
Und all das, um Spendengelder für Projekte zusammen zu bekommen, die es ermöglichen, beispielsweise Jugendliche dazu auszubilden, um andere Jugendliche für die Gefahren im Netz zu sensibilisieren? Das ist BLÖD-Vorgehensweise.
Auch finde ich es nicht sehr überzeugend, dass IiD den Chatroom kurzerhand zum "direkten sozialen Umfeld des Kindes" erklärt, und somit zu den achtzig bis neunzig Prozent der Missbrauchsfälle aufschließt, bzw. das Internet darin einbindet.
Die FR hat erklärt, dass das Spendensiegel für kleinere Organisationen fünfhundert Euro kostet, danach 0,35% des Spendenaufkommens. Die FAZ aber bläst für die IiD ins Horn und winkt wieder mit den "bis zu zehntausend Euro", und verweist auf Greenpeace und Co... Aber die veröffentlichen ihre Zahlen auch. Regelmäßig. Ohne negative Zeitungsberichte im Vorfeld. Die sind drauf vorbereitet.
Ich sage es mal ganz ehrlich, Stefanie zu Guttenberg ganz außen vor gelassen: Eine Organisation oder ein Verein, die oder der nicht bis auf den letzten Cent nachweist, was mit den Spendengeldern passiert - und zwar unabhängig davon, ob sie oder er vorbereitet ist - muss sich definitiv den Vorwurf der Unseriösität gefallen lassen.
Wer diesen Vorwurf nicht durch eine hieb- und stichfeste Bilanz entkräftet, disqualifiziert sich selbst.
Das Schlimmste aber ist der Schlussblock des FAZ-Artikels, in dem die Redakteurin zu verkünden weiß, dass derzeit überlegt wird, ein Spendensiegel zu beantragen. Also eines von den Dingern, die bis zu zehntausend Euro kosten? Und das, wo doch alles Geld in die Projekte zum Schutz der Kinder fließen soll? Das verstehe, wer will.
Nebenbei bemerkt sind mir etliche Kommentare zum FAZ-Artikel sauer aufgestoßen, in denen einfach mal behauptet wurde, die FR würde eine Kampagne gegen Frau zu Guttenberg fahren, damit "an ihrem Mann, dem potentiellen zukünftigen Kanzler auch etwas hängen bleibt". Das sei ganz klar eine "SPD-Masche".
Meine lieben Kommentatoren, das entkräftet in keinster Weise den Vorwurf der Unseriösität. Werft der Partei meines Vertrauens ruhig eine Kampagne vor - ich konzentriere mich auf das Wesentliche in diesem Fall, und das ist das Versprechen von IiD, die Bilanzen zu 2009 und 2010 nachzuliefern. Denn damit steht und fällt das Vertrauen in IiD, vollkommen unabhängig davon, ob ihre Projekte von der UNESCO unterstützt werden, oder nicht.
Kommt diese Veröffentlichung nicht - was ich im Moment stark vermute - nützt auch kein neuer FAZ-Artikel irgend etwas. Dann steht meine Meinung fest.
Kommt die Veröffentlichung, werden wir sehen, wie viel Geld in die Projekte fließt, und wie viel die Verwaltung kostet.
Herrschaften, wir brauchen in Deutschland immer Zivilcourage, Menschen die schwierige Themen anpacken, die sich dort engagieren wo andere fortschauen. Wir brauchen immer beherzte Personen, die, nun, Herz haben und Herz zeigen. Was wir nicht brauchen ist Hollywood unter den gemeinnützigen Organisationen und Vereinen.
Edit am Sonntag, dem 05.12.: Der Jahresbericht 2009 von IiD kann auf der Homepage abgerufen werden. Keine Zahlen, keine Fakten, aber ein Verzeichnis aller Veranstaltungen, der Konferenzen zu denen IiD eingeladen wurde, um einen Vortrag zu halten, und weitere Selfmarketing-Maßnahmen.
Vom Jahresbericht 2010 ist auch noch nichts zu sehen, aber das ist vielleicht auch etwas früh. Sein Versprechen hat der Verein bisher nicht gehalten. Das macht mich skeptischer.
Edit am Samstag, dem 11.12.: Eine Kinderärztin sagte während einer Reportage des ZDF über eine Kinderklinik: "Am schlimmsten ist es, wenn Kinder eingeliefert werden, die misshandelt oder missbraucht wurden. Das ist viel öfters der Fall, als man denkt."
Ein Schelm, der jetzt denkt, dass die Studie Recht hat, die über neunzig Prozent dieser Fälle ins persönliche Umfeld rückt. Und der auch noch denkt, dass das Internet damit überhaupt nichts zu tun hat...