Die Welt ist merkwürdig, finde ich. Zumindest, wenn man versucht, sie von der Warte eines Stromkonzerns in Deutschland zu sehen. Es gibt vier große Stromerzeuger in Deutschland, die wohl jeder kennt oder deren Namen man gehört hat: eOn, Vattenfall, EnBW und RWW. Diese vier Riesen stehen mittleren Betrieben gegenüber und dezentralen Versorgern, die ich unter "Stadtwerke" zusammenfassen möchte. Noch kleiner sind natürlich die bürgerlichen Genossenschaften, die in einem gemeinsamen Aufwand, ja, Kraftaufwand, Windenergie-, und Solarenergieprojekte aufgezogen haben.
Nun gab es ein Ereignis, nämlich im Jahr 2002, das Atomgesetz in der Novellierung von 2002, das den schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie bis 2011 vorsah. Richtig, das wäre vor zwei Jahren gewesen.
Dann geschah das, worauf die Stromkonzerne eventuell gehofft haben: 2009 gewann Schwarz-Gelb, und es kam zur Novellierung von 2010, welche den Atomstrombetreibern großzügige Verlängerungen der Laufzeiten von bis zu vierzig Jahren gewährte... So mancher Heißsporn der Atomlobby wollte einige Kraftwerke sogar sechzig Jahre laufen lassen. Mit Absegnung von Mama Merkel.
Dann war das Touhoku-Erdbeben mit einer Stärke von 9.1 in Japan, mit anschließender, riesiger Tsunami, die in Japan alleine fast fünfhundert Quadratkilometer Landfläche überspülte, also Meilenweit ins Landesinnere eindrang. Die Katastrophe im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi kann angesichts dieser Tragödie nahezu vernachlässigt betrachtet werden, obwohl noch immer in dreißig Kilometer Umkreis rund um die havarierten sechs Blöcke des Kraftwerks mit der Radioaktivität und diversen radioaktiven Isotopen von z.B. Iod, Strontium und Cäsium nicht gerade gut Kirschen essen ist. Grund genug für Mama Merkel, nun um einhundertachtzig Grad zu drehen und das Atomgesetz 2011 erneut zu novellieren. Nun sollte die Kernkraftwerksindustrie in Deutschland nach einem Moratorium doch abgehandelt werden, und zwar bis 2022.
...sacken lassen.
Ich erinnere mich gut daran, wie hoch die Wellen der Debatte geschlagen waren: Deutschland drohe der Blackout, es scheine ja nicht den ganzen Tag die Sonne, erneuerbare Energien könnten nicht genug Strom liefern, einzig Atomkraftwerke laufen immer (solange es genug Wasser zur Kühlung gibt, wohlgemerkt), und, und, und. Nun laufen genau zu dieser Zeit neun Reaktorblöcke, wobei manche Standorte mehrere Reaktoren vorhalten, und dazu acht weitere Blöcke in Nichtleistungsbetrieb.
Tatsächlich gibt es so viel Strom, dass die Großen Vier lautstark darüber nachdenken, unrentable Kohle-, und Gaskraftwerke abzuschalten. Weil mehr Strom da ist, als gebraucht wird.
...sacken lassen.
Okay, ist schon klar, was die Stromkonzerne hier versuchen. Sie machen drauf aufmerksam, dass die Kraftwerke nicht rentabel sind und hoffen darauf, dass die Bundesregierung sie anweist, diese trotzdem in Reserve zu halten - was ihnen natürlich großzügig vergütet werden würde. Um die Netzstabilität zu gewährleisten, hieß es ja noch im Winter 2011, man müsse mindestens ein Kernkraftwerk in Reserve halten. Davon sprechen die Energiekonzerne heute nicht mehr.
Stattdessen wollen sie auf Staatskosten die Strommenge weiter reduzieren, die in Deutschland produziert wird.
Fazit: Tja, was haben wir hier also? Ich will mit meiner schlimmsten Befürchtung gleich ins Haus fallen: Deutschland hat all die Jahre viel zu viel Strom produziert. Sehr viel mehr als wir brauchen. Entweder wurden die Ausbauraten von erneuerbaren Energien hoffnungslos unterschätzt (wobei ich eines nicht verstehe: Wenn einer konstanten Nachfrage ein höheres Angebot gegenübersteht, sinkt der Preis für die Ware - warum geben die Stromkonzerne das nicht an den Endverbraucher weiter?), oder aber Deutschland - laut dieser Seite zahlen wir mit deutlichem Abstand den zweithöchsten Strompreis Europas mit 25,9 Euro pro 100Kw - produziert nicht nur zuviel Strom, sondern finanziert den Stromkonzernen den Export des Stroms ins europäische Ausland, wo er natürlich noch einmal bezahlt wird... Und das noch immer, denn, wie gesagt, die Großen Vier wollen ja weitere Kapazitäten abschalten, weil mehr als genug Strom zur Verfügung ist.
Und btw, die erneuerbaren Energien sind laut diesem Interview übrigens deutlich günstiger als Atomstrom...
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2 Kommentare:
Gewinn, mein lieber Ace. Ich würde den Preis ja verstehen wenn man in das Stromnetz investieren würde. Aber leiden schmälert dies ja auch den Gewinn und bringt für die Konzerne keinen Mehrwert.
Die berühmte "Wir brauchen sieben Prozent Rendite um jeden Preis"-Problematik, die sehenden Auges in den Untergang führt. Ich weiß.
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