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Mittwoch, 17. Februar 2010

Sind Hartz IV-Bezieher schlauer, oder einfach nur ausgebeuteter?

"Bin ich dumm, weil ich noch arbeiten gehe?", titeln heute die gedruckte BLÖD auf der Titelseite und Bild.de.
Zweifellos will damit das Erfolgsprodukt aus dem Springer-Verlag - btw, wie macht man korrekt Ironiezeichen? - zweifellos einerseits die "Grundsatzdiskussion zu Hartz IV, losgetreten von Westerwelle" stützen und andererseits das "Hartz IV-Bashing" weiter betreiben.
Grundsatz der BLÖD-Sicht ist dabei: Hartz IV bedeutet nicht arbeiten und leben wie die Made im Speck.

...Was für ein Blödsinn. Warum arbeiten die BLÖD-Redakteure eigentlich noch, wenn sie es doch besser wissen? Sollen sie sich kündigen lassen, ein Jahr ALG I bekommen und danach an Hartz IV beantragen, was die Anträge hergeben, wenn das Leben als Sozialhilfeempfänger um so viel besser ist. Das werden sie aber nicht tun, denn nicht zuletzt dank ihrer Vorarbeit und ihr fortgesetztes Bashing hätten sie dann wie die anderen Hartz IV-Empfänger ebenfalls einen Ruf als Sozialschmarotzer oder Schlimmeres weg. Und nebenbei bemerkt sind die Bezüge auch nicht ansatzweise so üppig, wie die "Journalisten bei BILD" - ich brauche wirklich diese Ironiezeichen - behaupten.

Was wissen wir eigentlich über Hartz IV? Ursprünglich wurde es geplant, um die Verwaltungskosten für Sozialhilfe zu reduzieren, den Staatshaushalt zu entlasten, und den Arbeitslosen mehr Anreize zu geben, um wieder in Arbeit zu kommen, sprich von der eigenen Hände Arbeit zu leben. Dafür hat die damalige Rot/Grüne Regierung viele Anreize geschaffen, vor allem für die Arbeitgeber, um neues Personal einzustellen. Gerade Langzeitarbeitslose werden im ersten Jahr massiv gefördert. Andere Arbeitsplätze, die aus dem Nichts entstehen sollen, werden staatlich subventioniert, damit die Arbeitgeber anhand der Umsätze sehen können, ob sich der Arbeitsplatz selbst finanziert.

Was ist daraus geworden? BLÖD plappert über Sozialmissbrauch, Westerwelle wirft Hartz IV-Empfängern spätrömische Dekadenz vor und irgendwelche Couch Potatoes werden nur zu bereitwillig von den Medien als Musterbeispiel für den faulen Langzeitarbeitslosen heran gezogen. Auf die Idee, dass das Gros von ihnen arbeiten WILL, kommen sie gar nicht.
Stattdessen sieht die Entwicklung wie folgt aus: Westerwelle will, dass die Bezüge sinken, um die Staatskassen zu entlasten. Als Grund nennt er den Umstand, dass manche Hartz IV-Empfänger mehr Geld verdienen als vergleichbare Arbeitnehmer.
Aber woher kommt das? Ein simpler blauer Rechenfehler, oder ist das der Tatsache geschuldet, dass in Deutschland Tarife gedrückt werden, und den Arbeitgebern die Arbeit ihrer Untergebenen immer weniger wert ist, sodass sich die Löhne auf das Hartz IV-Niveau herab bewegen?

Ich habe oben die Regularien angesprochen, die Arbeitslosen den Wiedereinstieg erleichtern sollen. Ich finde es nicht richtig, wenn zum Beispiel PIN ihr Konkurrenzmodell zur Deutschen Post darauf aufbaut, dass alle Vollzeitkräfte einen Hungerlohn bekommen und sich den Rest beim Staat holen. Permanent, wohlgemerkt, nicht als Übergang. Soll sich Arbeit auf diese Weise wieder lohnen, Herr Westerwelle?
Alle Länder Europas, die Mindestlohn verordnet haben, fahren damit sehr gut - ohne Massenentlassungen, bei voller Produktivität. Warum soll das nicht auch in Deutschland funktionieren - und Arbeit wieder lohnender machen, ohne staatliche Aufstock-Subventionen?
Herr Westerwelle, ich stelle folgendes fest: Hartz IV-Empfänger kriegen definitiv NICHT zu viel Geld, sondern viele Arbeitnehmer kriegen zu wenig. Und jeder, der schreit, dass die Hartz IV-Sätze gesenkt werden müssen, sorgt auch dafür, dass diese Leute von immer weniger Lohn und immer mehr Subventionen leben müssen. Dafür ist der Sozialstaat nicht da, Herr Westerwelle. Obwohl, für Ihre Klientel schon.

Ein Satz liegt mir am Herzen, den ich für wegweisend in dieser Diskussion halte: "Jeder Arbeitnehmer verdient sein eigenes Gehalt, seine eigenen Sozialleistungen und die kompletten Arbeitgeberleistungen sowie einen Profit für seinen Arbeitgeber. Anders funktionieren Unternehmen in Deutschland nicht."
Wenn wir Hartz IV kastrieren, Löhne senken und Subventionen erhöhen, was tun wir dann, Herr Westerwelle? Wir erhöhen den Profit der Unternehmen. Das ist im höchsten Maße unsozial, denn auch der Arbeitgeber hat gegenüber dem Arbeitnehmer Pflichten, und die erfüllt er in einem Lohndumping-Staat nicht. Aber auch das ist im Sinne Ihrer Klientel, Herr Westerwelle.

Und, liebe BLÖD-Redakteure: Schade, dass die Springer AG das Erfolgsmodell der PIN-Subventionierung durch den Staat nicht durchhalten konnte. Aber das ist wiederum gut - für die Vollzeitangestellten bei der Post.

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