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Sonntag, 14. Februar 2010

Westerwelles bunte Wirtschaftswelt

Wer hat sie nicht mitgekriegt, die harsche Kritik von Herrn Westerwelle, seines Zeichens unser Außenminister und Vize-Kanzler, die er gegen Hartz IV-Empfänger vom Stapel ließ?
Wer hat nicht gehört, wie er diesen Menschen vorgeworfen hat, in "spätrömischer Dekadenz" zu leben?
Und wem gellen nicht noch die Ohren von seinen Worten, dass etwas in Deutschland falsch laufe, wenn ein Arbeiter weniger nach Hause bringt als ein Hartz IV-Empfänger?
Heute hat er noch mal nachgelegt, und auf Tagesschau.de munter weiter gewettert. Die Arbeitnehmer seien "die Deppen der Nation" und man "müsse sich mittlerweile entschuldigen, wenn man von seinem Verdienst etwas behalten wolle".
Und so schürt Herr Guido Westerwelle den gerechten Zorn auf den Sozialstaat, der denen, die nicht arbeiten, alles gibt, und denen, die arbeiten alles nimmt - möchte man denken. Aber WARUM kommt ein Familienvater mit Vollzeitjob im Verdienst den Bezügen nahe, die ein anderer Familienvater mit Hartz IV erhält? Ich will es mal in einem Satz zusammen fassen: Weil Westerwelle es so sehen will. Richtig, an diesem ganzen Konstrukt ist nichts dran, außer Guido Westerwelle. Okay, die BLÖD natürlich auch, die mehr als einen Hetz-Artikel gegen Hartz IV geschrieben hat. Und natürlich andere Zeitungen, wie Bildblog.de zu berichten weiß.

...sacken lassen.
Leute, mal ganz ernsthaft, bedeutet es denn in einem Sozialstaat zu leben, dass man automatisch an die ARMUTSGRENZE kommt, kaum das man unverschuldet arbeitslos geworden ist?
Bedeutet Hartz IV automatisch, seine Kinder hungrig zur Schule schicken zu müssen, mittags von "der Tafel" gespeist, und eingekleidet mit Second Hand-Kleidung aus dem Sozialkaufhaus?
Muss denn jeder Bezieher von Hartz IV darunter leiden, dass die Medien ständig irgendwelche Langzeit-ALG-Bezieher hervor kramen, die freimütig sogar im Fernsehen sagen, dass sie nicht mehr arbeiten gehen wollen, weil "es ihnen ja so schon gut geht und sie genug Geld zu Leben haben"?

Müssen wir unsozial werden und einer Familie einen gewissen Standard verweigern, der es ihnen dann verbietet, ihre Kinder auf Klassenfahrt mit gehen zu lassen? Nein, das glaube ich nicht.
Müssen wir für jeden faulen Langzeit-Hartz IVer in jeder Zeitung und jeder Talkshow automatisch die Daumenschrauben für alle anderen Leistungsempfänger anziehen, um sie "zum arbeiten zu zwingen"? Nein, garantiert nicht.
Müssen wir wirklich alles auf Hartz IV schieben und die Sozialhilfeempfänger zu Sündenböcken unserer Nation machen? Ja, wenn es nach Guido Westerwelle geht.

Aber, Herr Westerwelle, Ihre Argumentation kann man auch anders herum verstehen: Wenn die Leistungsbezieher fast so viel Geld kriegen wie die Arbeiter, was läuft dann schief in Deutschland? Ich meine: Warum kriegen Menschen mit Arbeitsplatz für ihre solide Arbeit so verdammt wenig Geld? Hartz IV-Empfänger kriegen eine Grundversorgung - und etliche Deutsche mit Job kratzen an diesen Beträgen? Was läuft falsch in Deutschland? Was läuft falsch in der FDP?
Wir leben in einem Land, das Bezieher von Hungerlöhnen zwingt, sich vom Staat subventionieren zu lassen. Ursprünglich war diese Zahlung dazu gedacht, um neue Jobs zu schaffen. Mittlerweile gibt es Firmen, die darauf ihr Wirtschaftsmodell aufbauen, auf illegale Steuersubventionen, um Firmen kaputt zu machen, in denen die Arbeitsplätze vor der Subvention sicher waren, siehe Post und PIN.
Wir leben in einem Land, in dem Zeitarbeitsfirmen ihre hohe Zeit haben, in der ein Leiharbeiter in einem Unternehmen, zum Beispiel Opel, ein Mensch zweiter Klasse ist, und für die gleiche Arbeit weniger kriegt... Den Rest muss eben der Staat ausgleichen, während immense Zahlungen an die Leiharbeitsfirma gehen.
Wir leben in einem Land, in dem uns eingeredet wird, Lohnerhöhungen zu verlangen würde unsere Arbeitsplätze gefährden - so als ob das Geld gar nicht da wäre. Stattdessen schlagen die Firmen Unsummen um. Es kommt eben nur nicht dem Arbeitnehmer zugute, sondern dem Aktionär. Dem Hauptaktionär vor allem.
Wir leben in einem Land, in dem Kurzarbeit plötzlich eine Modewelle ist. Firmen halten die Hand dafür auf, um ihre Leute in unbezahlten Urlaub schicken zu können, egal ob sie es mussten oder nicht. Aber die Subvention muss mitgenommen werden - und anschließend muss auch der Erhalt der Arbeitsplätze gefeiert werden. Nachdem der Scheck der Bundesregierung ankam und ordentlich auf Arbeitgeberseite verbucht wurde.

Arbeit muss sich wieder mehr lohnen als Hartz IV? Interessant, Herr Westerwelle. Was planen Sie dafür zu tun? Was plant die FDP dafür zu tun? Die richtige Antwort wäre meines Erachtens nach angemessene Entlohnung für anständige Arbeit, und ein Ende der staatlichen Billigsubventionen, die richtige Arbeitsplätze zerstört. Aber das ist ja nicht so leicht zu vermitteln wie das Märchen vom bösen, arbeitsfaulen Hartz IV-Empfänger, der synonym für alle Leistungsempfänger steht. Ich ärgere mich, Herr Westerwelle, gerade über Sie.

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