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Mittwoch, 7. März 2012

Wie man ACTA sucht und Leistungsschutzrecht findet

Ich gebe zu, ich habe es schon vergessen. Nein, nicht ACTA, dieses unwürdige, schwammig formulierte Gesetz, das es ermöglichen würde, auf bloßem Verdacht ohne richterliche Kontrolle Webseiten zu sperren, und Provider dazu zu zwingen, ihre Kunden auszuspionieren, bzw. für sie zu haften.
Ich meine das Leistungsschutzrecht.
Um mal zusammen zu fassen, was ich noch darüber weiß: Deutsche Verlage wollen z.B. von Google Geld haben, wenn in der Suchmaschine bei einer entsprechenden Suche Teile des Textes von ihren Webseiten angezeigt wird. Dies sei, so die Lobbyisten, bereits eine Leistung, die Google erhält, und für die sie bezahlt werden sollen.
Die Koalition in Berlin hat dazu den Beschluss gefasst:
"Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass Verlage im Online-Bereich nicht schlechter gestellt
sein sollen als andere Werkvermittler. Deshalb sollen Hersteller von Presseerzeugnissen
ein eigenes Leistungsschutzrecht für die redaktionell-technische Festlegung journalistischer
Beiträge oder kleiner Teile hiervon erhalten."


...sacken lassen.
Ein paar Fragen werden aufgeworfen. Wieso sehen sich Verlage als schlechter gestellt wie andere Werkvermittler? Weil sie nicht genügend Traffic auf ihre Seite kriegen, was mehr Werbeeinnahmen bedeutet? Schauen sie neidvoll auf das Milliardenunternehmen Google und wollen es ZWINGEN, Geld für Leistungen zu zahlen, die Google selbst erbringt? Denn die Verlinkung und das Zitat ist eine eigenständige Leistung von Google.
Wir wissen es alle: Wenn jemand googled, dann sind es die Zitate unter dem Link, die uns entscheiden lassen, ob wir das Richtige gefunden haben, und was wir dann anklicken. Dieser Text soll in Zukunft kostenpflichtig sein. Google soll also dafür bezahlen, dass es Traffic auf die Seiten der Verlage schaufelt. Kurios.
...sacken lassen.
Was bedeutet das konkret? Nach meinem Verständnis sind die Verlage darauf aus, für die Arbeit, die Google sich macht, Geld zu bekommen. Wie kann das ein Leistungsschutzrecht sein? Und wie kann mir irgendjemand vermitteln, dass eine international gängige Praxis in Deutschland plötzlich kostenpflichtig sein soll?

Weiter heißt es bei Muberkel und Co.:
"Gewerbliche Anbieter im Netz, wie Suchmaschinenbetreiber und News-Aggregatoren,
sollen künftig für die Verbreitung von Presseerzeugnissen (wie Zeitungsartikel) im Internet
ein Entgelt an die Verlage zahlen. Damit werden die Presseverlage an den Gewinnen
gewerblicher Internet-Dienste beteiligt, die diese – mit der bisher unentgeltlichen – Nutzung
der Verlagserzeugnisse erzielen. Auch die Urheber sollen eine angemessene finanzielle
Beteiligung an der Verwertung des Leistungsschutzrechts erhalten. Einzug und Verteilung
der Entgelte soll über eine Verwertungsgesellschaft erfolgen. Die Schutzdauer soll
ein Jahr betragen."

Oder anders formuliert, die Verlinkung von Presseartikeln gilt künftig als Verbreitung.
Ich will das mal für mich erklären. Da zeigt jemand also auf die BILD, und die Springer AG will dafür jetzt den vollen Preis für das Druckexemplar haben? Wie shizo ist das denn?
Auch weist der Text ganz klar darauf hin, dass es um die Werbemilliarden geht. Die Verlage wollen mitverdienen am Werbevermögen Googles, anstatt dankbar dafür zu sein, dass durch Googles Verlinkung überhaupt erst Leser - und damit Klickzahlen  und damit Werbeeinnahmen - auf ihre Seiten finden.
Und dafür will die Bundesregierung noch eine eigene GEZ erschaffen.
...sacken lassen.

Fazit: Okay, das Leistungsschutzrecht ist nicht so schlimm wie ACTA, aber eines können sich Google, die anderen Suchmaschinen und jeder kleine Blogger wie ich - natürlich auch die Großen - in Zukunft in die Haare schmieren: Artikel auch nur auszugsweise zu zitieren und auf sie zu verlinken. Das kostet dann nämlich Geld. Viel Geld, wenn ich die Verlage richtig verstanden habe.
Tja, Pech, dann verlinke ich eben nicht mehr auf euch, und euer Traffic geht dadurch runter.

Was in jedem Fall kommen wird, und das begrüße ich, das ist sehr viel weniger Traffic für die Verlage. Warum? Weil Google, wenn es schlau ist, die Seiten von deutschen Verlagen einfach sperrt. Sie werden in den Suchanfragen einfach nicht mehr auftauchen, ganz so als gäbe es sie gar nicht. Das ist einfacher, ökonomischer und logischer als an die neue GEZ für Internet-Mimosen zu zahlen. Und es hat meine volle Unterstützung.
War ACTA ein Angriff auf die Meinungsfreiheit und die Kommunikationsfreiheit im Internet, so ist das Leistungsschutzrecht vor allem eines: Die Idiotie zu glauben, Google und andere Suchmaschinenbetreiber würden da mitspielen. Hier denkt eine Lobby, das es ohne sie nicht geht. Sie wird eines Besseren belehrt werden. Und das zu sehr hohen Verlusten im finanziellen Sektor.
Das ist aber auch gut so. Vielleicht lernen sie daraus.

Fazit 2: Es gibt so etwas, das nennt sich Bezahlschranken. Dahinter kann ein Verlag online seine Premium-Artikel verstecken und seine Leser dazu auffordern, dafür zu löhnen. Macht natürlich kaum einer. Weil kaum einer dafür bezahlt, wenn er es nicht auch intensiv nutzt.
Es gibt aber auch Werbung, die man auf seiner Seite platzieren kann, und über die man sich refinanzieren kann. Z.B. indem vorbeikommende Surfer auf die Werbung klicken. Oder indem einfach der Traffic gezählt wird.
Ich finde, anstatt am eigenen Konzept zu arbeiten, hat die Verlags-Lobby einfach neidisch auf den großen Kuchen bei Google gestarrt und dran gefeilt, wie man ohne Aufwand was davon abkriegt.
Nur wenn die Verlinkung einbricht, weil Google ganz einfach nicht für diesen Scheiß bezahlen will, dann stehen die Verlage noch schlechter da. Mal sehen, was sie dann für ihre Rettung verlangen, anstatt etwas dafür zu tun.
ACTA=Böse.
Leistungsschutzrecht=Tolldreiste Dummheit.

Edit ein paar Minuten später: Das hier habe ich zum Thema gefunden. Lesenswert.

Edit am 08.: Das sagt der Perlentaucher.

12 Kommentare:

Stinkstiefel hat gesagt…

Ja, habe ich schon gesehen. Ein regelmäßig von mir besuchter Sicherheitpolitischer Blog hat dies auch schon gemeldet.
Jedenfalls das er nicht mehr verlinkt.

Erdacht von Leuten die keine Ahnung vom Internet haben sicherlich.

Ace Kaiser hat gesagt…

Erdacht von Leuten, die meinen, Google beißt in den sauren Apfel und bezahlt, weil wir das zweitgrößte Medienland der Welt sind.
Aber siehe Belgien. So wird es auch bei uns kommen.

Anonym hat gesagt…

Je nachdem wie dreißt die Verlage sind, werden sie bei der Bundesregierung Betteln gehen, ähnlich wie die Banken. Sollte sie Googles Beukott ähnlich hart treffen.

MfG
L. Cunningham

Ace Kaiser hat gesagt…

Ich glaube, das dürfte schwer zu vermitteln sein, wenn z.B. die Axel Springer AG zehn Prozent Umsatzplus vermeldet...

Anonym hat gesagt…

Wenn ich Leistungsschutzrechte höre, erinnere ich mich immer an die Leistungsschutzrechte für Musik... Da wurde auch, entgegen der Meinung aller Spezialisten, die Geltungsdauer von 50 auf 70 Jahre verlängert... (leider hat die Öffentlichkeit diese Entwicklung verpennt... http://www.wbs-law.de/urheberrecht/musikindustrie-setzt-verlangerung-der-leistungsschutzrechte-an-tonaufnahmen-durch-14217/ http://irights.info/userfiles/Schutzfrist_A5_dt_web_final(1).pdf )
Jetzt will man uns noch dass Zitat recht wegnehmen...
Die Richtung in die der "Schutz" von geistigem Eigentum geht gefällt mir so ziemlich gar nicht..
MFG Kroll

Ace Kaiser hat gesagt…

Stimmt, habe ich heute auch gelesen. Und, dass die Musikindustrie trotzdem nicht zufrieden ist, weil, sie hat neunzig Jahre gefordert.
Es sieht ganz so aus, als würde hier für eine kleine Randindustrie eine ziemlich große Extrawurst gebraten werden. Ich frage mich, wie viel wir uns da noch gefallen lassen müssen.

Ich habe heute übrigens auch gelesen, dass man beim Zitieren im eigenen Blog vorsichtig sein sollte, denn bestimmte Formulierungen könnten "künstlerisch wertvoll und deshalb schützenswert" sein. D.h., wer sie zuerst formuliert hat, hat ein gewisses Anrecht darauf.
Ich glaube, spätestens jetzt sollte man schon mal die Fackeln und die Mistforken bereit legen...

Nenos hat gesagt…

Also Ace, sei doch mal ehrlich. Wie angenehm wäre deine Welt ohne BZ, Bild oder der gleichen?

Du könntest in deinen Blog über den ersten Vogelfang deiner Nachtbarskatze in diesem Jahr posten.

Oder wie es dir passierte das du bei der morgendlichen Pflege dir in den Finger geschnitten hast und welche Preventivmaßnahmen ihr im Stadtrat beschlossen habt.

Ich bin eindeutig für das Gesetz

Ace Kaiser hat gesagt…

Wenn das Gesetz durchkommt, dann darf ich nicht mehr zitieren, weil das automatisch kostenpflichtig ist.
Bereits jetzt muss man aufpassen, wenn man zitiert, dass man nicht zuviel vom Originalcharakter übernimmt, denn das ist strafbar. Ich bin also definitiv gegen das Gesetz. Vor allem auch weil es maßlos ist.
Davon abgesehen versuchen die Verlage hier an die Gewinne Dritter heran zu kommen, und dies durch ein Gesetz legitimieren zu lassen. Ich bin kein Kapitalist, aber richtiger wird es dadurch auch nicht.

Anonym hat gesagt…

Das Gesetz ist ein weiterer Schritt in die falsche Richtung. Dabei hat man schon viel zu viele solcher schritte gemacht. Dieses Gesetz ist eines Klägers feuchter Traum, und eines Benutzers Albtraum, es ist so schwammig Formuliert das man da Praktisch alles reinformulieren kann.
Leider eine weit verbreitete Praxis.
Urheberrechte und so genannte "verwandte" Rechte sind so umfangreich und schwammig formuliert, das man kaum irgendetwas machen kann, ohne dabei irgendwelche Rechte zu verletzen. Theoretisch sind die Klamotten die du trägst, der stuhl auf dem du sitzt, und der Bildschirm auf dem du dieses Kommentar liest (und dieser Kommentar natürlich auch :P ) das Geistige Eigentum von jemandem. Machst du davon ein Photo solltest du Theoretisch auch diese Urheberrechte würdigen, natürlich finanziell... Der erste schritt in diese Richtung wurde schon gemacht: Für verkauf von gebrauchten Kleidungen auf e-bay wurden Abmahnungen verschickt, da diese : "zum Verkauf angebotenen Waren die geschützten Werke angebracht, ohne die erforderliche Zustimmung unseres Auftraggebers einzuholen.". Wenn es weiter so geht kann man zukünftig nur noch nackt-Photos machen. Eigentlich hat alles was uns so umgibt irgend einen "schöpferischen Wert", und könnte daher Gegenstand von Gebührenforderungen werden. Und irgendwie sind wir dieser absurden Realität mit jedem neuem, schärferen Gesetz ein Schritt näher...
Die Geltungsdauer von Urheber und Leistungsschutzrechten ist auch absurd. Streng genommen könnte sich in 100 Jahren mein Urenkel melden, der gerade meine Urheberrechte vererbt hat, und Gebühren für meinen Gastbeitrag verlangen... So etwas ist heute Praxis, Menschen die vor 60 bis 70 Jahren gestorben sind, und ihre Werke erstellt haben als sie noch jung waren (z.B. vor 140 Jahren) haben die Rechte für diese Werke an jemanden vererbt...
Noch schlimmer ist die Unsicherheit. Jeder bekommt die gleichen Urheberrechte automatisch wenn er etwas "Erschafft". Es gibt kein Patentamt das diese Rechte Registriert, und klar feststellt wem diese gehören, und wann sie auslöschen... Man muss also die Biographie des Künstlers, und seine Erbschaftsfolge kennen, um zu wissen ob, und wen man um Erlaubnis bitten muss, um dieses Werk zu benutzen. Viele Werke werden nicht veröffentlicht, weil niemand feststellen kann, ob und wem sie gehören.
Die Lobbyisten sind offensichtlich nicht an klaren Regeln interessiert, sie möchten eher Regelungen die so unklar sind, das Leute eher für etwas bezahlen, auch wenn sie das Recht haben es gebührenfrei zu benutzen. Das Zitatrecht ist hier ein prima Beispiel.
MFG Kroll

Ace Kaiser hat gesagt…

So gesehen läuft mir gerade ein kalter Schauder der Angst über den Rücken.
Was ist aus "Im Zweifel für den Angeklagten" geworden? Brrrrrr.

Echt jetzt? Der Verkauf von gebrauchten Klamotten auf eBay wurde abgemahnt? Wie krank ist das denn? Sollen die Menschen nur Neuware kaufen, oder was?

Anonym hat gesagt…

ist ja das selbe Prinzip wie bei Computerprogrammen. Oft musst du das Programm Registrieren, was bedeutet dass du den Träger nicht mehr weiterverkaufen kannst... Urheberrechte sind am Stärksten in bereich von Musik und Film ausgebaut. Also muss z. B. ein Restaurant Tantieme bezahlen, wenn es Musik laufen lässt, da diese ja "Kunden anlockt". Blöderweise werden die Kunden auch von schönen Möbeln und Kelnerinnen in schönen Klamotten angezogen. Die sind ja aber auch Geistiges Eigentum von jemanden... Der einziger Grund wieso diese nicht genau die selben Gebühren bekommen ist weil die Musikindustrie eine bessere Lobby hat als die Mode- und Möbeldesigner.
Zumindest noch...

MFG Kroll

Ace Kaiser hat gesagt…

Man stelle sich mal vor: Der Otto_Versand bekommt von einem Restaurant Tantiemen, weil die Kellner ja theoretisch ihre Jeans tragen könnten...
Wo sind wir hier? 1984 für Geschäftsleute?