Der Rant
Okay, das wird wieder ein Rant. Eine Beschwerde über einen offensichtlichen Missstand. In unserer Kultur. Das hat nichts mit Zuzug zu tun, mit "Überfremdung" (wobei ich immer herzlich lachen muss, wenn ich das höre - im Angesicht von römischem Einfluss, Volkswanderungen von Kelten, Goten und Sachsen, dem frühneuzeitlichen Hugenotteneinzug in Preußen, der Urbanisierung deutscher Zechen durch die Abwerbung polnischer Bergleute für den Ruhrpott, die Okkupation von völkerrechtlich anerkannten Minderheiten wie Sorben, Friesen und Dänen in Deutschland, dem Mischgebiet an der deutsch-französischen Grenze, und, und, und... Deutsche als Volk, gibt es das? Sicher, aber nicht in genetischer Hinsicht. Wir in der Mitte Europas bilden einen großen genetischen Pool, der jeden Zuzug, der alles frisches Blut begrüßen sollte, das er bekommt. Darüber habe ich auch schon gebloggt, btw. Finde ich nur leider gerade nicht. ^^°), mit der "Ausmerzung der deutschen Kultur" oder anderen Lachnummern, die von rechten Populisten heruntergebetet werden, bis es mal einer glaubt.
Seien wir ehrlich, Stammtischparolen wie "das muss doch auch mal gesagt werden dürfen" und "die nehmen uns die Arbeit weg" oder "die kommen ins Land und leben von unserer Sozialhilfe" oder "da kommt gleich der ganze Stamm ins schöne Deutschland" sind eben genau das: Stammtischparolen, die glücklicherweise nur eine Nebenerscheinung in unserer Gesellschaft sind. Zwar mag der eine oder andere die eine oder andere These besonders vehement verteidigen, aber es gibt kein gemeinsames Konzept. Ein Fremdenhasser muss demnach nicht automatisch gegen politisches Asyl sein und jemand, der annimmt, die besten Jobs gingen nicht an Deutsche, sondern an billiger arbeitende, hochqualifizierte Ausländer nimmt ergo nicht automatisch an, Ausländer kämen wegen der tollen Sozialhilfe nach Deutschland. Randerscheinungen, von wenigen verbreitet, von wenigen geglaubt und umgesetzt (schlimm genug, dass jemand es tut), und da sollen sie auch bleiben.
En Detail
Nein, der wahre Untergang des Abendlandes findet auf einer völlig anderen Ebene statt. Nicht bei den "Killerspielen", nicht durch mit Burka herumlaufende und Burkini tragende muslimische Frauen, erst Recht nicht durch den Zerfall "guter alter deutscher Werte", nicht durch die Verwässerung des Binnenmarktbierangebots durch außereuropäisches Bier, das nicht nach deutschem Reinheitsgebot gebraut wurde (das wie alt ist? Vierhundert Jahre?), nicht durch Mischehen von Deutschen mit Norwegern und auch nicht durch die noch immer andauernde, permanente NSA-Überwachung aus den USA, unentschuldigt, nicht abgebrochen, und mit dem neuen Zentrum in Utah noch vehementer geführt. (Erinnert mich daran, dem Nächsten an die verbale Gurgel zu gehen, der über die NSA folgende Sätze sagt: "Ja, schon, sie überwachen uns, aber bedenkt doch, was sie auch für unsere Sicherheit getan haben" sowie "Wer keinen Dreck am Stecken hat, hat doch nichts zu befürchten".)
Nein, unser Untergang ist selbstgemacht, eigenverschuldet, selbst verursacht und im Prinzip ein Folgestück der ungehemmten, sich eben nicht selbst regulierenden, liberalen freien Marktwirtschaft (von der wir ruckzuck wieder abrücken müssen, bevor Merkel auch noch unser schönes, aber hochverschuldetes Deutschland austerisiert.).
Der Untergang
Das wahre Problem in Deutschland zeigte sich bereits während der PISA-Tests, die Deutschland, ein Land mit rund achtzig Millionen Einwohnern* ins europäische Mittelfeld rückte. Und wären da nicht die Bayern und die Baden-Württemberger mit ihren hervorragenden Schulsystemen gewesen, hätten wir noch schlechter abgeschnitten. Ja, unser Problem lautet Bildung. Die gesamte Bildung, die ein Mensch erlangen kann - und durch die staatliche Schulbildung augenscheinlich nicht mehr in dem Maße bekommt, das uns eigentlich zusteht. Erinnerungen an Zeiten werden wach, in der ab der fünften Klasse der Taschenrechner erlaubt werden sollte, "um die armen Kinder nicht zu überanstrengen", in Wirklichkeit aber, um die Jugend nicht zu fix im Kopf zu machen.
Heutzutage, das will ich nicht verhehlen, im Zeitalter von Internet und Wikipedia, kann tatsächlich, tatsächlich JEDER selbst bestimmen, wie viel Wissen und aus welchen Themen er aufnehmen will. Jeder entscheidet was er lernt und wann er es lernt. Und das ist traurig, weil es eigentlich die Aufgabe des Staates ist, für ein ordentliches Wissensfundament zu sorgen.
Die Folgen
Radikalste Folge sind Menschen, die korrekte Rechtschreibung (und das Tippen an einer Tastatur) erst durch das Chatten erlernen, anstatt in der Schule. Und selbst dann noch schwirren zehntausende Kommentatoren durch das Internet, deren Rechtschreibschwäche sie nicht davon abhält, überall ihren Senf zuzugeben. Schlimmer noch: Trotz offensichtlicher Defizite ist es ihnen egal, sie versuchen nicht den Bildungsgrad jener Kommentatoren zu erreichen, die fehlerlos schreiben können, sondern geben sich mit ihrem Niveau zufrieden und verteidigen dieses auch noch - indem Kritiker zum Problem gemacht werden, nicht etwa die eigenen Unzulänglichkeiten. Um das live zu erleben, muss man sich nur beliebige Leser-Kommentare anschauen auf tagesschau.de, SpOn.de, BILD.de (da besonders) oder beliebigen anderen sowie beliebten Online-Formaten, auf denen viel kommentiert wird. Und warum, frage ich, warum sollten sie danach streben, besser zu werden? In den USA gibt es sogar ein Schimpfwort für Leute, die andere korrigieren:
Grammar Nazi.
Warum sie das so sehen? Weil die Zeitungen und Seiten, auf denen sie ihre rechtschreiblichen Gräueltaten posten (oder die sie lesen), um keinen Deut besser sind. Denn hier fällt auf, was sich seit zehn Jahren schon angedeutet hat und wird zur peinlichen Gewissheit: Deutschland spart nämlich seine Lektoren kaputt.
Das (traurige) Ergebnis
Hat jemand von Euch in letzter Zeit eine Zeitung aufgeschlagen? Ja? (Nein, wir gehen nicht ins Internet dafür. Da ist es viel zu offensichtlich. Gibt es überhaupt eine Online-Redaktion, die einen Lektor hat? Ich weiß es nicht, glaube es aber auch nicht.) Und, ist euch da einer der folgenden Fälle aufgefallen?:
1) Im internationalen Teil sind zwei kurze Artikel zum gleichen Thema.
2) Ein wichtiges Wort fehlt im Text.
3) Ein wichtiges Wort fehlt in der Überschrift.
4) Ein Wort fehlt.
5) In einem Wort ist ein Buchstabendreher.
6) Ein Wort ist falsch geschrieben.
7) Zwei Wörter hängen zusammen, weil das Leerzeichen vergessen wurde (aber das zweite Wort ist daraufhin korrekt klein geschrieben worden.).
8) ST wurde getrennt.
9)
Hurenkinder und Schusterjungen treten in vermehrtem Maße auf.
10) Ist mir gerade begegnet: Ein Wort ist zuviel, weil der Satz nachträglich umgebaut wurde, aber nicht alle Wörter des alten Aufbaus entfernt wurden.
Da haben wir es. Willkommen im bereits stattfindenden Untergang unserer grandiosen deutschen Kultur. Nehmt Abschied vom Land der Dichter und Denker, denn seine Vorreiter, die gedruckten Zeitungen, arbeiten effektiv am eigenen Untergang, weil sie das Wichtigste, was das Zeitungslesen überhaupt erst ermöglicht, abschaffen und kaputtsparen: Den Lektor. Autschautschautschautsch. Und dafür gibt es keine Ausrede und keine Entschuldigung, Leute. Dies sind typische Einsparungen, die das gesparte Geld einfach nicht wert sind.
Meine Meinung
Ihr wisst, ich schreibe. Viel sogar. Und ja, ich mache immer noch eine Menge Fehler, vor allem bei der Kommasetzung. Ihr, meine Leser, habt das bisher immer toleriert und mir nicht das grammatikalische Messer an die Kehle gesetzt. Und gerade weil ich selbst schreibe, weiß ich, dass ich viele eigene Fehler, vor allem aus Flüchtigkeit entstandene, nicht selber sehe. Logisch, ich habe sie ja auch gemacht. Ein zweites Paar Augen, vornehmlich von jemandem, der mindestens mein grammatikalisches Niveau hat (denn letztendlich beherrsche ich ein vorbildliches Deutsch in Schrift und Wort), ist IMMER eine sehr gute Idee. Vor allem, wenn man wie ich mit den eigenen Texten nebenbei Geld verdienen will.
Was mich gleich wieder dazu bringt, auf die linke Seite meines Blogs hinzuweisen, wo Ihr die Verkauflinks zu meinen Büchern sowie zu deren Leseproben findet. <------- i="" kaufet="" kommentiert="" lest="" und="" zuhauf.="">------->
Wenn jetzt also in der Internetredaktion niemand Korrektur liest, weil Meldungen oft im Minutentakt veröffentlich werden, mag man das entschuldigen. Die Reporter und Redakteure dort haben die gleichen Probleme wie alle Menschen, die schreiben. Aber es dann so zu lassen, das ist das Verwerfliche. Und in den gedruckten Exemplaren, meine lieben Leser, da BLEIBT der Fehler. Für die Ewigkeit, solange es Belegexemplare gibt. Nichts und niemand wird jemals wieder ausgerechnet dort korrigieren können, auch nicht mit Tipp-Ex. Nicht im Anbetracht von Auflagen von mehreren zehntausend Exemplaren.
Die Forderung
Leute, unterstützt Eure Lektoren. Jene, die Euch Hobby-Autoren unter die Arme greifen, egal ob
kommerziell, oder einfach aus Freundschaft heraus, aber auch die Profis. Unterstützt die Lektoren in den Redaktionen, eben indem Ihr Euch über Fehler beschwert. Macht den Zeitungen und den Online-Redaktionen klar, dass gerade sie, die sich als vierte Staatsgewalt sehen, als allererste Instanz auf perfekte Rechtschreibung Wert legen müssen! Ein Rechtschreibprogramm ersetzt NIE einen Lektor. Wir BRAUCHEN Lektoren. Die Redaktionen BRAUCHEN Lektoren! Die deutsche Sprache ist groß, bunt, vielschichtig und sehr interessant. Sie BRAUCHT Lektoren, Leute, die gelernt haben, wie man sie richtig benutzt. Steht auf, und sagt den Kosten-Nutzen-Rechnern in den Verlagen und Redaktionen, dass sie gefälligst weiterhin oder wieder in Lektoren investieren MÜSSEN. Fehler macht jeder mal, klar. Und man kann einem Autor nicht vorwerfen, dass er nicht perfekt ist oder Flüchtigkeitsfehler macht. Aber man kann der Redaktion vorwerfen, dass sie die Fehler unberichtigt lässt.
Für eine deutsche Lektorenbewegung, quasi.
*nur so ein Gedanke, den ich beim Tippen hatte. Statt zweiundachtzig Millionen Einwohnern hat Deutschland seit der neuesten Volkszählung ja "nur" achtzig. Was bedeutet das statistisch für die Weltbevölkerung?