Letzten Samstag war in der Leine Deister Zeitung der Leserbrief eines Bürgers aus dem Nachbarort. Er verteidigte die Maskengegner als "Leute aus der Mitte", ohne sie irgendwie sonst zu verteidigen oder gar die Argumente dieser Leute zu erwähnen oder gar zu stützen zu versuchen.
Stattdessen ging er in die Offensive und beschwerte sich über eine Gegendemonstrantin, indem er sie persönlich angriff, anstatt sich mit ihrem Standpunkt auseinander zu setzen. Jedenfalls, das hat mich so geärgert, dass ich einen Leserbrief geschrieben und noch Sonntagabend abgeschickt habe. Bis heute ist dieser nicht erschienen, leider. Vielleicht war er auch einfach etwas lang, ich weiß es nicht.
Ich möchte Euch weder meine Meinung noch meine Antworten vorenthalten; da wir hier im Internet sind, habe ich den Namen des Verfassers des Leserbriefs anonymisiert und werde seinen Namen auch nicht nennen. Aus dem gleichen Grund bringe ich auch seinen Leserbrief nicht (und aus Rechtsgründen).
Aber ich denke, anhand des Textes meiner Antwort kann man sich schon zusammenreimen, wie der Leserbrief von Herrn M. ausgesehen hat.
Na, vielleicht erscheint mein LB ja morgen. Schaunmermal. Hier ist er jedenfalls schon mal für Euch.
Liebe Leser der LDZ, wissen Sie, was
eine Nebelkerze ist? Das ist nicht nur eine chemische Reaktion,
sondern auch ein stilistischer Kniff, mit dem in einer Diskussion
einer der Diskutierenden von einigen nicht so gut zu verteidigenden
oder nicht so nachhaltigen Punkten seiner Argumentation abzulenken
versucht. Was Herr M**** aus Eime am Sonnabend in der LDZ
veröffentlicht hat, ist so eine Nebelkerze. Er beginnt damit, das
Anliegen per se der Gegner der Coronamaßnahmen als gerechtfertigt
hinzustellen, ohne es mit Fakten zu untermauern. Ja, er verteidigt
ihre Argumente nicht einmal. Sie bleiben vollkommen unerwähnt,
obwohl er angetreten ist, sie zu rechtfertigen. Und dann fährt er
anhand einer Gegendemonstration fort seine Nebelkerze zu zünden,
indem er eine der KritikerInnen aufgrund ihrer parteilichen
Orientierung, ihres Studiengangs und ihrer in seinen Augen mangelnden
Lebenserfahrung diskreditiert. Auch hier wieder ohne auf irgendeine
Form von Fakten oder Argumente einzugehen. Allein die Gesinnung der
Person reicht als Kritik.
Es ist ein alter rhetorischer Kniff,
jemanden persönlich anzugreifen, wenn man an seinen Argumenten nicht
rütteln kann; besonders peinlich ist es aber, wenn man jemanden so
angreift, dass er sich nicht selbst verteidigen kann, durch
Gesichtslosigkeit und Pauschalisierung, denn wie soll die junge Frau
je erfahren, dass jemand versucht hat, sie durch die verbale Mangel
zu drehen?
Ich möchte auf einige Punkte von Herrn M**** eingehen, weil ich seinen Stil, nun, hässlich finde.
Dazu gehört sein Hinweis darauf, dass
seit Wochen gegen die Corona-Maßnahmen demonstriert wird. Wie er
dann später im Text indirekt zugibt, gibt es auch
Gegendemonstrationen, was er anfangs allerdings nicht erwähnt.
Des
weiteren sagt er, die Demonstranten kämen aus der „Mitte“. Er
erklärt nicht, ob er die soziale Mitte oder die politische Mitte
meint, aber in beiden Fällen liegt er auf jeden Fall falsch, da das
Spektrum wesentlich größer ist, in beiden Lesarten.
Ich verstehe auch nicht ganz das Argument. Ist die von ihm zitierte „Mitte“ sakrosankt und damit bitte von Kritik oder Gegenargumenten zu verschonen, oder wie stellt er sich das vor?
Aber Butter bei die Fische. Ich persönlich bin ganz klar der Meinung, dass sich die Gegner der Coronamaßnahmen in eine selbst ausgehobene Grube gesetzt haben, mit Anlauf und Absicht, als sie zugelassen haben, dass bekennende Nazis und Rechte ihr Anliegen benutzen, um für sich selbst um Aufmerksamkeit zu werben. Das radikalrechte Spektrum der Politik ist durchsetzt mit gewaltbereiten Anhängern; auf eine Straftat von Links kommen zehn Taten von Rechts, und während im linken Extrem Gewalt gegen Objekte vorherrscht, ist es am rechten Rand die Gewalt gegen Personen, siehe NSU, Mord an Walter Lübcke, die Jagdszenen der Dresdner Demo, usw. Sich zum Vehikel für eine solche Personengruppe zu machen, ist ein Fehler in sich. Man muss sich von solchem Verhalten und solcher Weltanschauung klar distanzieren, oder man setzt sich dem Vorwurf auf, diese zu teilen. Und zwar von vorne herein und nicht erst, wenn solche Personen irgendwann zur Belastung werden. Nazis sind Feinde von Demokratie und Grundgesetz, missbrauchen aber unsere Meinungsfreiheit. Sich klar von ihnen abzugrenzen ist für Demokraten logisch. Dies nicht zu tun, bringt berechtigte Vorwürfe ein.
Auf der anderen Seite steht die
Faktenlage der Gegner der Coronamaßnahmen, die Herr M**** nicht mal
anrührt: Gibt es den Virus überhaupt? Helfen Masken? Hilft soziale
Distanz? Helfen Lockdown und Besuchsverbote?
Ich bin kein
Virologe. Aber das muss ich auch nicht sein, um das Prinzip von Viren
zu begreifen. Ich muss ja auch kein Astrophysiker sein, um das
Konzept der Singularität in einem Schwarzen Loch ansatzweise zu
verstehen. Oder das Entstehen von Mini-Singularitäten im
CERN-Teilchenbeschleuniger. Ja, es gibt diesen Virus. Ja, es gibt die
Viren der Corona-Gruppe. Ja, es gibt auch andere Viren. Ich will das
Problem näher erläutern, das uns aufgedrückt wird. Vor vierzig
Jahren setzte jemand eine Million Dollar Belohnung für denjenigen
aus, der ihm beweisen würde, dass es das AIDS-Virus tatsächlich
gibt. Diverse Fotos des Virus, mit Elektronenmikroskopen aufgenommen,
lehnte der Ausrichter als Beweis ab, weil sie nach seiner Auffassung
augenscheinlich gefälscht waren, denn es gab das Virus ja überhaupt
nicht.
Wie soll man also solchen Argumenten beikommen? Und hier liegt auch das ganze Dilemma der Corona-Leugnung. Wenn Wissenschaft und Forschung nur dann akzeptiert werden, wenn es einem genehm ist oder die eigenen Argumente stützt, dann passen die Wissenschaft und die Gegner der Coronamaßnahmen eben nicht zusammen.
Natürlich helfen Masken. Ich hatte eine Diskussion auf Twitter, in der mein Gegenüber gesagt hat, Aerosole tragen sieben Meter weit und Masken sind damit wertlos. Darauf erwiderte ich: „Setz eine Maske auf und versuche eine Kerze auszublasen. Dann reden wir darüber, wie weit Aerosole mit Masken tragen.“ Ich habe bis heute keine Antwort erhalten. Und ja, ich habe das mit der Kerze selbst ausprobiert. Noch mal für die Reihen weiter hinten: Masken sind kein einhundertprozentiger Schutz. Aber sie helfen enorm dabei, die Verbreitung der Viren einzudämmen. Je mehr Menschen mitmachen, desto besser helfen sie. Ostasiatische Staaten wie Japan beweisen die Wirksamkeit von Masken in jeder einzelnen Grippesaison.
Hilft soziale Distanz? Ein historisches Beispiel: Während der Pestwelle wurden in Mailand betroffene Häuser zugemauert, weil man einerseits nicht wusste, wie man den Erkrankten helfen konnte und andererseits Angst hatte, sich anzustecken. Trotz dieser drastischen Maßnahmen der Stadträte ging die Ansteckung mit der Pest aber weiter, weil nur einer, ein einziger Infizierter ausreichte, um die Krankheit weiterzugeben. Was veranlasst die Menschen heutzutage zu denken, dass es bei einem Virus der sehr bekannten Corona-Gruppe vollkommen anders sein soll, nachdem er sich in Deutschland so horrend ausgebreitet und weit mehr Menschen das Leben gekostet hat als eine saisonale Grippe - und das auch noch MIT Schutzmaßnahmen? (Und da rede ich nur von Deutschland, nicht wirklich richtig betroffenen europäischen Nationen.) Man stelle sich vor, wir hätten den schwedischen Weg beschritten und die Pandemie ohne Schutzmaßnahmen durchgewunken. Natürlich helfen demnach Lockdown und Besuchsverbote, weil sie direkte Kontakte reduzieren und damit die Gefahr der Ansteckung senken.
Ich weiß, es läuft nicht alles rund; überfüllte Schulbusse sind keine Ideallösung, auch wenn die Schulen bisher nicht als Haupttreiber der Pandemie aufgetreten sind. Und ich halte es auch nicht für die Ideallösung, wegen vieler schwarzer Schafe im Gastgewerbe auch jene Betriebe zu verbieten, die in den Virenschutz investiert haben und sich an die Vorschriften gehalten haben. Da kann man sicher nachbessern. Aber: Sinnlos sind diese Maßnahmen trotzdem nicht.
Im Sinne der Vermeidung von Spätfolgen sollten wir jede Ansteckung vermeiden, egal in welcher Altersgruppe. Man denke nur daran, was der Spring Break im April in den USA für die Verbreitung der Pandemie bedeutet hat.
Ich hatte vor ein paar Wochen eine
Diskussion mit einem Herrn, der nach eigener Aussage einer der
Mitbegründer von Querdenken war. Er begann mit: „Finden Sie nicht
auch, dass die vollkommen übertriebenen Corona-Maßnahmen aufhören
sollten?“
Ich will hier nicht das ganze Gespräch wiedergeben,
das wohl zwanzig Minuten gedauert hat. Ich will nur auf etwas
hinweisen, was mir dabei aufgefallen ist. Als ich sagte, dass ich
dank der Maskenpflicht anstatt wie in anderen Jahren nicht jeden
Virus und jede Erkältung mitgenommen habe, die mich passiert hat,
änderte er das Thema. Als ich drauf hinwies, dass wenn VW seine
ältesten Mitarbeiter in Kurzarbeit schickt, um Milliarden zu sparen,
dies nicht unbedingt ein Versagen der Gegenmaßnahmen ist, änderte
er das Thema.
Um es kurz zu machen hatte der Herr ein paar fundierte Argumente und Sätze im Gepäck, und sobald der fundierte Fakt auf tönernen Füßen stand, lenkte er mit Sätzen ab wie: „Aber Kinder müssen doch die Mimik sehen können, um sich natürlich entwickeln zu können, da kann man doch keine Masken tragen“, oder „Wir kriegen doch überhaupt gar nicht genügend Impfdosen für alle“, und „Man sollte nicht verpflichtet werden, sich impfen lassen zu müssen“.
Alles in allem war das Gespräch wie der Leserbrief von Herrn M****. Eine einzige große Nebelkerze, basierend auf einigen scheinbar stichhaltigen, aber aus dem Zusammenhang gerissenen Argumenten.
Was ich noch betonen möchte, ist, dass
ein Angriff auf eine Person wegen ihrer politischen Orientierung,
ihrem Studiengang und ihres Alters (und damit einher gehender
mangelnden Lebenserfahrung) anstelle auf die Argumente und womögliche
Fakten weder ein guter Stil ist, noch die eigene Meinung stützt. Ich
verstehe ohnehin nicht, was an Junger Linker, der Grünen Jugend oder
den JuSos, denen ich früher auch angehört habe, so schlimm sein
soll, dass man die Zugehörigkeit besonders betonen muss. Im
Gegensatz zu einer gewissen anderen Jugendorganisation einer
niedersächsischen Partei musste keine der drei Organisationen je
wegen verfassungsfeindlichen Tendenzen und/oder Verhalten aufgelöst
werden.
Wenn Herr M**** tatsächlich etwas zur Diskussion
beitragen möchte, dann muss er wohl oder übel aufhören, die
Opferrolle aufzuschneiden und an Speisefreudige zu verteilen. Er muss
sich hinstellen und tatsächlich die Argumente der Gegner der
Coronamaßnahmen, oder wenigstens jenen Teil, den er selbst vertreten
kann, Punkt für Punkt verteidigen, anstatt davon abzulenken.
Nebelkerzen brauchen wir nicht in der politischen Diskussion.
Abschließend möchte ich noch mal auf den als „rechtsoffen“ gescholtenen Professor eingehen. Ja, was ist denn ein rechtsoffener Professor? Ich will es mal anhand meiner eigenen Erfahrung erklären. In meiner Schulzeit hatte ich einen Lehrer, von dem meine Mitschüler sagten, er wäre rechts. Nun hatte der Lehrer ein ruhiges, angenehmes Wesen, erklärte gut und war immer für Fragen offen. Aber im gleichen Atemzug erklärte er, dass die SPD einmal geworben habe mit: „Deutschland zweigeteilt? Niemals!“, und dabei unterschlagen würde, dass ja die schlesischen Gebiete „weg“ wären und Deutschland ja eigentlich dreigeteilt sei und die SPD hiermit nie werben würde. Was er uns jungen, naiven Schülern neben dem SPD-Bashing aber verschwieg, denn so weit waren wir in Geschichte noch nicht, war, dass dieser dritte Teil Deutschlands jener Part war, der Deutschland bei der Aufteilung Polens 1795 zugesprochen worden war und der daher bei der Wiedergründung der Nation dann auch ein Teil Polens geworden ist, weil es historisch gesehen polnisches Gebiet war. Er hat damit die deutschen Interessen und Territorien der Kaiserzeit und des Dritten Reichs vertreten, nicht aber die einer anderen souveränen Nation. Ein territoriales rechtes Thema zu belegen ist noch nichts Rechts, aber rechtsoffen.
Ich würde mich daher freuen, wenn Herr
M**** es noch mal versucht und sich auf die Fakten der Gegner der
Coronamaßnahmen konzentriert und sie darlegt und verteidigt, anstatt
GegendemonstrantInnen anzugreifen, die anonymisiert sind und sich
nicht selbst rechtfertigen können, auch weil sie als Person
angegriffen werden, nicht aber ihre Argumente. Auch würde mich sehr
interessieren, ob er die politische Mitte oder die gesellschaftliche
Mitte gemeint hat, als er die Mitte betonte, aus der die
Protestierenden kommen (sollen). In Shakespeares Othello heißt es:
„Wir können nicht alle Herren sein[...]“, daher können auch
nicht alle Protestierenden aus der von Herrn M**** beschworenen, aber
schwammigen Mitte kommen, so oder so.
Mehr Glück beim nächsten
Versuch.
Alexander Kaiser,
Banteln
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