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Donnerstag, 4. Dezember 2008

Deutsche Sprache, schwere Sprache

Nun ist es also wieder mal geschehen. Nach den leidigen Diskussionen für die deutsche Leitkultur und gegen den Multikulti-Staat gibt es mal wieder einen Vorstoß, um die Reinheit und Bedeutung der deutschen Sprache zu erhalten.
Ins Grundgesetz soll sie, die deutsche Sprache. Fest verankert, damit all die Ausländer, die uns in den nächsten Jahrzehnten durch Einwanderung und übermäßige Geburten überrollen, bis in alle Ewigkeit zumindest eine anständige Sprache sprechen. Und all das nur, um unser aller Kulturerbe zu schützen, oder was?
Es war für mich nicht sehr überraschend, diesen Vorschlag aus der CDU zu hören und die ersten Unterstützer in der CSU zu finden. Solange etwas populistisch genug ist, melden sich ja immer ein paar Quertreiber, ich meine über ihre Arbeitsbereiche hinaus interessierte Politiker. Und da ja bald ein gewisser Koch in einem gewissen Bundesland gewisse Neuwahlen vor Augen hat, die er gewiss erneut vergeigen kann (und weil mich dieses Thema frappierend an die Debatte über gewisse jugendliche Straftäter mit Migrationshintergrund erinnert, mit denen Herr Koch in braunen Gewässern gefischt hat) frage ich mich: Wie lange noch? Wie oft wollen diese Damen und Herren mit solchen plakativen Themen Punkte sammeln? Und Gott möge uns beschützen, wenn sie so etwas nicht nur sagen, sondern auch noch ernst meinen.
Zu meiner gelinden Überraschung kommt Kritik nicht nur aus der SPD, nein, auch in der CDU halten es viele für Unsinn, eine solche Debatte anzustoßen. Ich kann dazu nur nicken.

Einer meiner Lehrer in der Realschulzeit hat mir einmal den Unterschied zwischen einer lebendigen und einer toten Sprache erklärt. Er sagte: "Alexander, Latein ist eine tote Sprache. Sie hat feste Regeln, lässt keine Abweichungen zu und wird niemals neue Worte aufnehmen. Eine lebendige Sprache allerdings ist dynamisch, flexibel. Sie nimmt fremde Vokabeln auf, neue Wortwendungen, verändert sich ständig und passt sich den Menschen an, nicht den Mensch an sich." Nun, vielleicht nicht mit genau diesen Worten, aber im großen und ganzen stimmt es schon. (Hand hoch, wer jetzt auch an den Horrorklassiker "Armee der Finsternis" denken musste.)
Doch das ist noch nicht alles. Flexible Sprache bedeutet, dass manche Worte auch wieder raus fallen, nachdem sie Jahrzehnte oder länger im Gebrauch waren. Davor brauchen wir keine Angst zu haben, es ist normal. So sind wir halt, und wir sind es auch, die unsere Sprache dynamisch verändern, bereichern und korrigieren. Ich könnte jetzt ausführen, dass sich Werbetreibende mit ihren übertriebenen englischen Slogans längst lächerlich machen, darauf hinweisen, dass viele heutzutage wieder Rechner zu ihrem Personal Computer sagen. Ich könnte kurz erwähnen, dass das Wort "Nase" tatsächlich nicht deutsch ist, und wir es dennoch tagtäglich benutzen. Aber Schwamm drüber. Viel wichtiger ist, dass ich gerne so sprechen will wie ich möchte, und das ich so auch verstanden werde. Für mich persönlich sind das ein paar Lehnworte aus englisch und französisch, und bisher hat mich noch jeder verstanden, wenn ich "cool" oder "damnit" zum Besten gab.

Ich halte absolut nichts davon, auf Kosten unserer Sprache sinnfreie Debatten zu führen oder die Angst zu schüren, im eigenen Land eines Tages nur noch mit englisch verstanden zu werden. Das ist niederster Populismus. Und ich habe auch den Beweis dafür.
Artikel 23 des BVwVfG (Bundesverwaltungsverfahrensgesetz) sagt schlicht und einfach, warum die ganze Diskussion ein fruchtloser Knallfrosch ist: Die Amtssprache ist deutsch.
Was also soll die Diskussion? Deutschpflicht in der Disco? Deutschpflicht auf allen Internetverbindungen, die von und nach Deutschland gehen? Bitte nicht.

9 Kommentare:

Miyu-Moon hat gesagt…

Vor zwei Tagen las ich einen ähnlichen Artikel bei mir im Geschäft allerdings in einer anderen Zeitung. Das Endkommentar war ungefähr auch dasselbe. Deutsch ist im Grundgesetz verankert, also sorgt man sich drum? Einer der Arbeitskollegen meinte daraufhin, dass es nichts bringt, wenn Deutsch zwar die Amtssprache IST, aber es keine Verpflichtung gibt diese auch zu lernen. Er meinte auch dass das Problem eher beim Nichtverstehen liege, was bei Zugewanderten die partout kein Deutsch lernen ollen, nunmal der Fall ist.

Auch wenn unsere Deutschschüler da nicht besser ackern, aber sollte man um auf seine Umgebung zuzgehen, nicht zumindest ein bißchen die Sprache lernen? Man kann sich doch nichtnur auf Bekannte und Verwandte stützen, die einen tagtäglich alles bei den Behördengängen übersetzen.

Der Arbeitskollege fragte mich am Ende sogar, wie diese Leute den jemals ein Straßenschild, eine Straßenkarte lesen oder selbstständig im (deutschen) Alltag klar kommen wollen. Vieleicht klingt das jetzt nach Braunen-Gequatsche, aber Recht hat er da schon irgendwie. Sollte man seinem neuen Land nicht auch ein bißchen entgegenkommen?

Übrigens, besteht die Hälfte unserer Sprache nur aus Lehnwörtern und ich will nicht sehen, wie die wieder versuchen "deutsche Wörter" einzuführen wie die es damals zu DDR-Zeiten gemacht haben. Das war nämlich totaler Quatsch.

Ace Kaiser hat gesagt…

Liebe Miyu,
du kannst deinem Kollegen sagen, dass er sich ganz umsonst Sorgen macht. Das Thema mit dem "im Land orientieren" und "deutsch sprechen und lesen können" hat die Politik längst abgehakt. Deutschkurse für fremdsprachige Migranten und Deutschförderung für Kinder in der Schule mit Migrantenhintergrund wurde schon vor längerem beschlossen. Obwohl ich mich eigentlich frage, warum ein Themenkomplex, der so verschwindend geringe Menschen betrifft, derart intensiv in den Medien diskutiert werden muss.
Denn die meisten Migrantenkinder haben deutsch als Muttersprache und sprechen diese teils besser als ihre native Sprache, wie ich aus persönlicher Erfahrung berichten kann.
Nein, in dieser Diskussion geht es nicht darum, das solche Menschen deutsch lernen, um sich besser im Land orientieren zu können.
Es geht darum, dass gewisse Politiker die Angst vor Überfremdung ausnutzen und politisieren wollen. Wenn also ein CDU-Politiker, nennen wir ihn Roland, lauthals schreit, bald müsse man türkisch können um in Deutschland einkaufen zu können, dann meint er nicht, dass die armen Verkäufer hätten rechtzeitig in der deutschen Sprache geschult hätten werden müssen. Dann redet unser Politiker ganz offen von Rassismus, Selektion, Quote und vor allem Überfremdung. Das sind alles Dinge, die etwa genauso wichtig sind wie das Make-Up von Condoleeza Rice, aber es wird halt gerne aufgebauscht, wenn man nichts besseres hat um Wahlkampf zu machen.
Meine Befürchtung ist ja, das auch die Bundes-CDU für den kommenden Wahlkampf auf dieser Welle mitreiten wird. Die Schäden, die sie damit anrichten wird, werden enorm sein.

Vielleicht noch ein kleiner Hinweis zu einem Land, das wirklich überfremdet wurde. Es wird dich erstaunen, aber Japan ist ein Opfer dieser Überfremdung. Oder hat es dich nie gewundert, das sämtliche Ortsnamen auf den Hinweisschildern neben Kanji auch in englisch aufgeführt werden? Hätte Japan nun einen zwanzigprozentigen englischsprachigen Bevölkerungsanteil, wäre das zu verstehen. Ist es aber nicht, aber die Besatzungsmacht, äh, die amerikanischen Freunde müssen sich ja orientieren können, ohne die Sprache lernen zu müssen.
Davon sind wir in Deutschland zum Glück noch weit entfernt. In jeder Beziehung.

Was die Lehnwörter angeht, die du ansprichst... Genau davon spreche ich ja. ^^

Miyu-Moon hat gesagt…

Ich werde es ihm ausrichten, wenn ich ihn nächste Woche sehe und er bis dahin noch an der Thematik interessiert ist oder sich daran erinnert.

Warum das diskutiert wird? Weil es das eizige ist, was wir Deutschen in Sachen Politik noch verstehen, abgesehen von Ausland-Bundeswehreinsätzen, Lohnkürzungen, Streiks, Banken-Crashs und diversen anderen Dingen die uns "direkt" betreffen.

Wer oder was ist Condoleeza Rice? Eine Schauspielerin oder ein politisches Make-Up?

Das mit den Hinweisschildern wusste ich nicht, da ich Japan nur aus den Animes kenne und mir da keine Doppelschrift aufgefallen ist.
Meinst du jetzt wirklich in Egnlsich oder einfach in Romanji, damit das auch ein sonstiger Ausländer lesen kann? Nicht alle Toursiten haben die Möglichkeit sich schnell 200 Kanji einzuprägen, um Ortsnamen lesen zu können. So würde ich das eher als freundliches Entgegenkommen als als Überfremdung empfinden.
(Vielleicht denke ich auch zu harmlos?)
Wo fängt Überfremdung eigentlich an?

Ace Kaiser hat gesagt…

Condoleeza Rice ist die derzeitige, sei acht Jahren im Amt befindliche Außenministerin der Bus-Regierung, Miyu.

Die Beschriftungen sind in Romaji gehalten, was im öffentlichen Leben bestenfalls für T-Shirt-Sprüche und Werbebotschaften verwendet wird. Manchmal, wenn es das Wort im japanischen nicht gibt, auch in einen Satz integriert. Vielleicht habe ich ja mal die Gelegenheit selbst nachzusehen und das durch einen Augenzeugenbericht zu untermauern. ^^

Wann beginnt Überfremdung? Gegenfrage: Was ist Überfremdung?
Gerade Deutschland ist ein Sammelsurium an Nationalitäten, alleine was das Deutsche an sich angeht. Meine Mutter hat entfernt holländische Vorfahren, ihr Vater kommt aus dem Rheinland, ihre Mutter ist Niedersachse (plus die erwähnten holländischen Wurzeln), mein Vater einhundert Prozent Ostpreuße, was bedeutet, seine Vorfahren wurden vor gut fünfhundert Jahren als Protestanten aus Bayern zwangsumgesiedelt. Ich bin also bereits eine wilde Mischung, aber niemand würde mich als Ursache von Überfremdung bezeichnen.

Anonym hat gesagt…

Hallo Ace,

hab mich nun nach deinem dezenten hinweis auch hierher gefunden ... ;)

du hast schon recht, das Bundesverwaltungsverfahrensgesetz meint, die Amtssprache wäre Deutsch. Aber: Das ist nicht das einzige Bundesgesetz. §184 des Gerichtsverfassungsgesetzes räumt mir das Recht ein, zuhause vor Gericht sorbisch zu sprechen, ein Dolmetscher muss dann gestellt werden.

Außerdem besteht die Bundesrepublik aus Ländern welche eigene Gesetze haben, und ist ein Teil von Europa. Und da gibt es die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen. Danach müssen die betroffenen Bundesländer auch Korrespondenz in den anerkannten Minderheitensprachen annehmen. Das wären dann in Deutschland Friesisch, Dänisch, Romanes und Sorbisch und Plattdeutsch.(Nein, liebe Bayern, euer Dialekt ist nicht dabei! ;) )

Ace Kaiser hat gesagt…

Du bringst es auf den Punkt, Tostan.
Anerkannte.
Beweisaufnahme beendet. ^^V

Ace Kaiser hat gesagt…

Oder um es nochmal zu präzisieren: Du hast das Recht in Deiner Muttersprache vor Gericht zu verhandeln. Das ist gut so und ich spreche Dir dieses Recht auch nicht ab. Ebenso wenig den Friesen, der dänischen Minderheit (Gemeinde würde doch besser klingen, oder?), den Roma und Sinti, und selbst den Bayern nicht, wäre ihr Dialekt als eigene Sprache anerkannt.
Das ändert allerdings nichts daran, dass die Amtssprache deutsch ist. Es sind Ausnahmen.
Englisch, französisch, holländisch, russisch, türkisch, italienisch und was man sonst noch anbringen könnte, ist meilenweit davon entfernt, deutsch aus unseren Amtsstuben zu verdrängen, oder geschweige denn überhaupt erstmal eine Ausnahme zu sein.
Dementsprechend ist die ganze Diskussion imho Augenwischerei und Stimmenfang im braunen Sumpf.
Ich denke, da stimmst Du mir zu, Tostan.

Striker hat gesagt…

Obwohl ich mich eigentlich frage, warum ein Themenkomplex, der so verschwindend geringe Menschen betrifft, derart intensiv in den Medien diskutiert werden muss.
Denn die meisten Migrantenkinder haben deutsch als Muttersprache und sprechen diese teils besser als ihre native Sprache, wie ich aus persönlicher Erfahrung berichten kann.


Ace da muß ich dir wiedersprechen.
In der Klasse meines Sohnes sind ca. 30% Ausländer, im Kinderhort ca. 40% aus 12 verschiednen Nationen.
In der Nachbarschule sind es über 50% Ausländer/ Imigranten (Da hängen wir uns mal nicht auf)

Viele der Kinder sprechen kein Deutsch oder kaum Deutsch.
Wärend sich die Türken hier super integriert haben, tuen sich die Asiaten echt sehr schwer. Sie leben in ihren Vierteln in denen auch nur Vietnamesisch oder Chinesisch gesprochen wird.
Es gibt zwar Vorschulen, aber das bringt nicht viel, denn richtig Deutsch können die Kinder da auch nicht, sie müssen zwar auch in den Nachmittagsförderunterricht gehen, aber wenn sie daheim nur Vietnamesisch reden, lernen sie es nie richtig.
Hingegen die Franzosen und Afrikaner können meist sehr schnell Deutsch, weil ihre Eltern, meist auch Deutsch reden. Obwohl es da auch Ausnahmen gibt. Vorallem bei Franzosen. Die Mütter sprechen meist nur Französisch.

Aber es ist teils schon Problematisch, wenn Imegranten kein Deutsch können. Da sie schnell zu Außenseitern werden, auch schon die Kinder. Wenn die Kinder die Deutsche Sprache nicht können, finden sie auch schwer Freunde.
Lustig ist zuzusehen wie Kinder versuchen sich mit Englisch zu unterhalten. Die kommen mit einer Handvoll Worten aus. Schlecht ist es aber wenn die Kinder z.B. nur Vietnamesisch reden.

Hat aber auch seine Vorteile, mein Sohn kann jetzt mit 7 schon ein wenig Englisch und kann zumindest "Hallo" und "ich heiße soundso" auch Chinesisch sagen, so wie ein paar Fetzen Französisch.
Er wächst schon mal mit mehrern Nationen auf und das ist gut so, da er auch die Kulturen kennelernt.

DOch sollten Imigranten schon Deutsch lernen und auch in der Familie sprechen. Klar zwingen kann man sie nicht, aber in ihr Gewissen reden.

@ Tostan
Klar sprechen wir Bayern keine Minderheitensprache, wir sprechen Deutsch, so wie Gott es uns gelernt hat :p

Ace Kaiser hat gesagt…

Das ist natürlich ein Problem, an dem gearbeitet werden muss, Striker. Vor allem die jungen Asiaten müssen aus ihrer Isolation heraus gezogen werden... Dennoch freut es mich, dass Du deinen Jungen in solch einem liberalen Umfeld groß ziehst. Ich denke, in dieser Umgebung steckt wesentlich mehr Potential als Problem. Beinahe bin ich ein wenig neidisch.

Für mich als Lehre nehme ich mit, dass es immer noch in Deutschland geborene Migranten gibt, die Deutsch kaum oder nicht beherrschen. Zahlen habe ich jetzt nicht, sonst könnte ich mich raus reden mit: Es sind ja nur soundsoviele.

Stattdessen hoffe ich, dass aus Deiner Heimatstadt eine stabile, viel schichtige und interessante Kultur erwächst, die in Deutschland ihresgleichen sucht.
Dass sie deutsch lernen und beherrschen sollten steht außer Frage, wenn sie hier leben und ihre Viertel verlassen wollen...
Auch noch ein Problem mit der ungewissen Frage wie groß es ist.
Ich muss zu diesem Thema wohl noch einen Blog verfassen.