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Dienstag, 10. Dezember 2019

Kommentar in der LDZ am 09.12. von Georg Anastasiadis

Zugegeben, es ist etwas her, dass ich meinen Blog benutzt habe, um etwas über Politik zu verkünden. Das heißt aber nicht, dass ich es deswegen sein lassen muss. Heute bin ich mal ein wenig aufgestachelt, um meinen politischen Senf zum Besten zu geben.
Grund dafür war der Kommentar von Georg Anastasiadis am Montag, dem 09.12. in der Leine Deister Zeitung und den überregionalen Teilen der verschiedenen Zeitungen der Dirk Ippen-Gruppe.
Zur Einordnung: Der Herr mit dem griechisch klingenden Namen ist das, was ich als politisch rechts bezeichnen würde. Nicht rassistisch rechts, sondern wirtschaftsfreundlich, gegen staatliche Regulierungen und für möglichst große Liberalität, denn "der Markt regelt alles".
Ich hingegen bin eher politisch links. Auch ich schätze die Freiheit des Einzelnen sehr und bin ebenfalls dafür, dass freier Handel, freier Verkehr, Redefreiheit und vieles mehr existiert. Zugleich aber halte ich die Privatisierungen von Bahn, Autobahnen, Post, Energie und Wasser für ganz, ganz große Fehler und wünsche mir hier strenge Regulierungen. Ich meine, hey, warum bezahlen wir die höchsten Energiepreise in Europa, obwohl wir regelmäßig Stromüberschüsse produzieren? Was? Wegen der Windräder? Wegen Solarenergie? Deren Finanzierung durch die EEG-Umlage?
Vielleicht. Aber wenn ich dran denke, dass der Strompreis an einer Strombörse gehandelt wird und immer nur nach oben geht, aber nie nach unten, dann können das nicht nur die Erneuerbaren Energien sein. Und dann auch nicht so viel...
Die andere Lösung, die mein SPD-Abgeordneter Bernd Westphal mal zu mir durch den Raum geschrieen hat, "die Stromkonzerne brauchen Rücklagen für den Ausbau der Stromtrassen in den Süden", halte ich auch durchaus für möglich. Aber warum greifen die dann nicht auf die Rücklagen zurück, die sie in den letzten vierzig Jahren gebildet haben? Fragen über Fragen.

Aber zurück zu Georg Anastasiadis und seinen Kommentar. Ich bin links, er ist, sagen wir liberal.
In seinem Text arbeitet sich Herr Anastasiadis an der SPD ab und vor allem an der neuen Führung. Da er dies tut, denke ich beim Lesen die ganze Zeit: Mensch, SPD, da haben wir aber was richtig gemacht. Wenn die Liberalen über die SPD-Führung schimpfen, dann sind wir auf einem guten Kurs.
Was schreibt er denn so, der gute Herr Anastasiadis?

Zum Beispiel zitiert er Saskia Esken, die er Co.Vorsitzende nennt (was nicht stimmt) mit ihrer Aussage, Sozialismus hätte nicht funktioniert, weil er nie richtig versucht worden sei. Das ist Grund genug für ihn, den "altbekannten" Sozialismus heraufzubeschwören, dessen Mittel Uralt seien: "Mehr Schulden, mehr Steuern und ein staatlich anerkanntes Recht auf Nichtstun".
Ich habe einige Zeit mit mir gehadert, wie ich mit dem Artikel umgehen will. Ich habe mich dazu entschlossen, direkt zu argumentieren, wann immer ich einen Teil seines Kommentars hervorhebe und zitiere.
Deshalb möchte ich hier antworten: Herr Anastasiadis, selbstverständlich ist es für uns wünschenswert, die Schuldenlast, die Deutschland bei den reichsten Menschen der Welt hat (die Banken gehören eben irgendwem, oder?) zu senken. Aber Australien hat mehrere Jahre einen absolut schuldenfreien Haushalt gehabt und dabei festgestellt, dass das negativen Einfluss auf die Wirtschaft hatte. Schulden per se sind also nicht böse, nur zu viele Schulden. Zudem sind wir ein Sozialstaat, kein Kassenbuch, und wenn wir Geld aufnehmen müssen, um unsere Errungenschaften in schlechteren Zeiten zu erhalten, müssen wir das tun. Oder die Menschen über Bord werfen.
Mehr Steuern, Herr Anastasiadis, beziehen sich darauf, dass die Reichen, Sie wissen schon, die mit den Panama Papers, den Paradies Papers, also jene, die sich auch mit Cum Ex-Geschäften oder Geld in Steueroasen "abgesichert" haben (ich entschuldige mich an dieser Stelle bei allem vermögenden Menschen in Deutschland, die ihren gerechten Steueranteil gerne zahlen oder zahlen würden, würde jemand diesen von ihnen verlangen), ihren gerechten Anteil an den Steuern bezahlen, die von ihren Vermögen kommen können. Keiner hat was dagegen, dass diese reichen Leute reich bleiben. Aber müssen sie unbedingt auf unsere Kosten noch reicher werden? Ist es nicht in Ordnung, wenn sie einfach etwas weniger reich sind, damit wir alle ein besseres Leben führen können?
Zuguterletzt das "Recht auf Nichtstun". Abgesehen davon, Herr Anastasiadis, dass nur ein Liberaler so weit gehen kann, einem Menschen das Anrecht auf ein einigermaßen menschenwürdiges Leben zu missgönnen, wenn er einfach so, ohne etwas zu tun, genug Geld für eben dieses Leben erhält, finden Sie es wirklich gut, dass auf dem Rücken einer großen Gruppe Menschen ein Konflikt ausgetragen wird, der einerseits nur die kleine Gruppe der Nichtstuer treffen soll aber nicht tut, und andererseits nur Geld "eingespart" wird, das dann, man ahnt es schon, nach oben umverteilt werden kann? Ich wette, Sie sind ein großer Gegner des Bedingungslosen Grundeinkommens. Geld einfach so, weil es da ist, bekommen, und Waren zu kaufen, für die man nicht gearbeitet hat, das ist bestimmt ein Greuel für Sie.

Ihr Spott zu Kevin Kühnert und dem unerfüllten "am Nikolaus ist GroKo-Aus" erfüllt mich mit Unverständnis. Da sind JuSos und der SPD-Parteitag vernünftig genug, die Regierung nicht sofort zu destabilisieren, und Sie amüsieren sich über einen unerfüllten Spruch der bayrischen JuSos? Ist das schon... Wie haben Sie es genannt? Kabarett? Vielleicht. Allerdings würde ich damit eher Ihre Analyse bezeichnen wollen.

"Lustig ist es jedenfalls nicht zu sehen, wie sich die stolze, alte Arbeiterparteizur Polit-Sekte verzwergt: Je geringer die Zustimmung, desto  intensiver die Selbstbeschäftigung und abstruser die Forderungen."
Hm. Ich kann mir nicht helfen. Liberale und Vertreter der "Mitte" loben die SPD nur dann, wenn sie in ihrem Sinne handelt. Im neoliberalen Sinne. Ich verstehe auch Ihre Argumentation nicht. Der Niedergang der SPD, unser Niedergang auf rund zwanzig Prozent der Wählerstimmen jener, die bei der letzten Bundestagswahl zur Wahl gegangen sind, gingen einher mit der GroKo. Und noch einer GroKo. Und wieder einer GroKo. Man kann da ganz leicht zu recherchieren, dass wir von Wahl zu Wahl weniger Zuspruch bekommen haben. Man kann daran sogar ein Muster absehen. Wenn sich die SPD also jetzt vom nachweislichen Grund ihres Niedergangs abwendet, dann ist das der Niedergang? Ich gebe zu, das kann durchaus passieren. Unmöglich ist es nicht. Aber viele wie ich meinen, unser Hauptproblem bei der Zusammenarbeit mit der Union entdeckt zu haben, die uns entweder mit der CSU von rechts attackiert, oder mit der CDU von links; in der unsere Projekte, die funktionieren und sinnvoll sind, von der CDU unter Merkel als eigene Erfolge hingestellt werden (Ehe für alle, Mindestlohn, usw.) oder aber so sehr verwässert, dass sie nicht mehr SPD sind (Mietpreisbremse, Mindestlohnausnahmen für Zeitungszusteller und andere Gruppen).
Daher ist es schon paradox, dass wir nicht wirklich GroKo-Aus am Nikolaus hatten. Aber so kann und wird es nicht weitergehen, und nicht nur 53% der SPD stehen hinter der neuen Spitze, sondern alle SPD-Mitglieder. Wir Linken sind der "Mitte" in die GroKo-Abenteuer gefolgt. Jetzt sind sie an der Reihe, die Partei mitzustützen, selbst wenn die Politik ihnen Magenschmerzen bereiten sollte.
Ihr Weg führte uns weiter in den Keller. Versuchen wir es also mit etwas Neuem. Oder in diesem Fall Altem. Ja, dazu gehört auch, Hartz IV durch ein besseres, menschlicheres System zu ersetzen. Und ja, ein Land wie Deutschland kann sich da auch ein paar nicht arbeitende Nutznießer leisten.
Man kann auch zu dieser Gesellschaft beitragen, ohne einen Job zu haben und Steuern zu bezahlen, Herr Anastasiadis, das möchte ich nur mal anmerken. Statt also zu stigmatisieren sollte man solche Menschen in der Gesellschaft halten.

Über Ihren Rant über Walter-Borjans möchte ich nicht reden, er ist unfair und unterschlägt dessen Errungenschaften *huststeuercdhust*, was ich so aber auch von Ihnen erwartet habe. Wohl aber über Ihre Worte: "Die Grünen dürften ihr Glück kaum fassen können, dass die SPD ihnen freiwillig den Platz in der Mitte überlässt. Denn was da in Berlin beschlossen wurde, ist letztendlich ein Wiedervereinigungsangebot an die Linkspartei."
Abgesehen davon, dass Die Linke kein Interesse an einer "Wiedervereinigung" hat, was wäre daran schlecht? Bei der letzten GroKo hatten Linke, Grüne und SPD eine rechnerische Mehrheit im Bundestag und hätten die Regierung Merkel kippen können, um eine rein linke Regierung zu errichten. Es wäre sehr interessant gewesen zu schauen, ob die Dinge damit besser oder schlechter geworden wären für die Durchschnittsbürger in diesem Land. Meine Vermutung ist ja, sie wäre besser geworden, weil die berühmte Arm-Reich-Schere dann ein wenig geschlossen worden wäre, die durch die CDU-Regierung seit 2005 immer weiter aufklafft. (Seien wir fair. Auch Gerd hat sie nicht gerade geschlossen, um es vorsichtig zu formulieren.)
Was also spricht gegen eine starke, gebündelte Linke, abgesehen von der SPD-internen Seeheimer-Gruppe, die eher Ihren Beifall findet (was sie wohl nicht so richtig SPDig macht, wie ich finde)? Und was ist das überhaupt, diese politische Mitte? Der Mittelstand? Zu klein. Der "Bürger"? Zu vage. Die politische Mitte ist meines Erachtens nach die Zone zwischen linken und rechten Ideen, womit ich wieder nicht das rassistische Rechts meine, sondern das liberale, kontrollfeindliche Rechts. So wie ich das sehe, bedeutet ein Linksruck nicht automatisch, dass wir, die SPD, den "Grünen die Mitte überlassen". Denn auch mit mehr linken Positionen kommt man bei Wählern der ominösen Mitte an. Erinnern Sie sich daran, dass man vor zwanzig Jahren noch die 35-Stunden-Woche und fast dreißig Tage Urlaub hatte? Das wiederzuholen ist eine sehr linke Position. Und ich wette mit Ihnen, DAMIT kann man eine Menge Wähler der "Mitte" abholen. Zum Beispiel. Linke Positionen sind nicht per se schlecht und bedeuten auch nicht das Ende der Republik. Sie bedeuten nur eine stärkere Kontrolle, wo Kontrolle dringend nötig ist. Wir messen dies an der Arm-Reich-Schere. Geht sie zu, oder geht sie auf? Sie geht weiter auf. Und deshalb braucht dieses Land deutlich mehr linke Politik, um sie im Gegenzug endlich wieder weiter zu schließen.

Über den Rest des Kommentars möchte ich nicht viele Worte verlieren. Er ist ein Rückzugsgefecht, dass sich genauso verdient, wie es da steht. Aber ein Fazit möchte ich Ihnen mitgeben, Herr Anastasiadis. Die Seeheimer hatten ihre Chance, und sie haben es versaut. Die Kanzlerin hatte ihre Chance und hat die SPD klein gemacht, wie sie es mit allen politischen Gegnern bisher geschafft hat. Lassen Sie uns jetzt einfach unseren Weg gehen, der uns vielleicht in die Bedeutungslosigkeit führen wird - oder wieder zu einem roten Kanzler. Aber wir sind keine Mehrheitsbeschaffer der Union. Sie dürfen aber gerne wieder Kommentare verfassen. Dagegen hat ja keiner was, auch wenn sie wie Ihrer dazu dienen sollen, eben diesen Mehrheitsbeschaffer zur Raison rufen zu wollen. Ich behalte mir weiter vor, diese meinerseits zu kommentieren.

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