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Mittwoch, 16. Juni 2010

Es war einmal... Die Ampel-Kennzeichnung

Heute hat der Europa-Rat über die sogenannte Ampel-Kennzeichnung von Lebensmitteln entschieden. Sie wurde vor allem mit den Stimmen der Konservativen abgelehnt, da die Form der Kennzeichnung für sie zu simpel und wissenschaftlich nicht begründet ist. Kann man wunderschön auf Tagesschau.de nachlesen. Ebenso wie einen ganzen Haufen Kommentatoren, die beinahe schon die Mistforken und die Fackeln hervor kramen, um die Monsterhatz auf Doktor Westerwelle und seine Angie zu beginnen. So sehr es mich freut, wenn die derzeitige Regierung durch Inkompetenz glänzt, und so zufrieden es mich macht, wenn die konservativen Abgeordneten im EU-Parlament beweisen, warum man sie besser NICHT gewählt hätte, in diesem Fall sehe ich das Thema aus neutraler Warte.

Die Ampel-Kennzeichnung ist eine leichte, nach Farbschema sortierte Beurteilung der wichtigsten Anteile eines Lebensmittels, das dem Verbraucher helfen soll, sich zu orientieren. Die von mir in keinster Weise geschätzte Verbraucherschutzorganisation Foodwatch hatte sich für ihre Einführung stark gemacht. Auch die Grünen und Linken im EU-Parlament hatten sich für die Einführung ausgesprochen.

Wie funktioniert die Ampel? Die einzelnen Bestandteile von Lebensmitteln werden einzeln aufgeführt, und anhand der Anteile grün, gelb oder rot markiert. Damit soll ein hoher, mittlerer oder niedriger Anteil der betreffenden Bestandteile angezeigt werden, der sich an einem fiktiven Tagesbedarf orientiert.
Ziel der Ampel ist es, dass man z.B. bei Fastfood wie Pizza auf einem Blick erkennen kann, wie viel überschüssiges Salz oder wie viel extra Fett man zu sich nimmt.
Aber Moment mal, steht nicht auf den deutschen Lebensmitteln bereits etwas ganz ähnliches? Eine Aufstellung der einzelnen Bestandteile, vom Brennwert über Eiweiß bis hin zum Natrium, aufgeschlüsselt im Anteil am ganzen Produkt und einen Fixwert, also 100g, 1Ltr, und dergleichen?
Wir haben in Deutschland also schon ein System, anhand dessen ein einigermaßen des Lesens mächtiger Kunde sehen kann wie viel Fett sein Einkauf enthält. Und die Flasche Lipton IceTea, die gerade vor mir steht, rechnet zudem den Anteil am Tagesbedarf anhand eines angenommenen Bedarfs von zweitausend Kalorien aus. Da bleibt zwar noch etwas Rechenarbeit über, um die "Portion" auf die ganze Flasche hoch zu rechnen, aber unmöglich ist es nicht. Die von Ampelzeichnung.org vorgeworfene Unübersichtlichkeit finde ich bei Lipton jedenfalls nicht. Ich finde die Ampel - im Gegenteil - sehr viel ungenauer. Sie stellt einfach fest, dass "Fett viel zu hoch ist, und deshalb rot kriegt". Wie viel zu hoch, und wann rot, wann gelb beginnt, sagt sie nicht.
Beide Lösungen sind nicht optimal, sicherlich. Aber ehrlich gesagt komme ich leichter damit zurecht, wenn mir ein ungefährer, für mich vielleicht nicht ganz zutreffender Richtwert genannt wird, als dass mir einfach gesagt wird: Du, das ist rot, das ist nicht gut. Man sollte vielleicht der Ampel-Kennzeichnung noch hinzu fügen, WARUM ein einzelner Punkt rot gekennzeichnet ist. Sonst steht der mündige Verbraucher nämlich vor dem Regal, und weiß nicht mehr als dass die roten Punkte alle "böse" sind... Ungeachtet der Tatsache, was er wirklich braucht.

Bringen wir es mal auf den Punkt: Für diätisches Leben ist die Aufschlüsselung nach Tagesbedarf besser als eine schlichte Schwarzweiß-Malerei in grün, gelb, rot. Auch wenn man einen höheren oder meinetwegen niedrigeren Tagesbedarf als zweitausend Kalorien hat.
Wir vergleichen: Auf meinem Lipton-Tee stehen die Bestandteile am Tagesbedarf orientiert. 250ml haben einen Brennwert von 4% meines angenommenen Tagesbedarfs. Für mich nur ein ungefährer Richtwert. Aber gewiss praktischer, als wenn dort stattdessen ein roter Warnpunkt stehen würde, der mir sagt, dass die Kalorien zu hoch sind.
Mein Tagesbedarf wird nicht einmal ansatzweise berücksichtigt. Es wird nur gesagt: Zuviel. Wieviel zuviel? Oder soll die Ampel mir tatsächlich suggerieren, auf dieses Lebensmittel zu verzichten, anstatt mir zu erlauben, meine Diät aus Fakten zusammen zu stellen?

Der eigentliche Hintergrund, Verbraucher mithilfe dieser optischen Signale von Fastfood und versteckten Kalorien wegzukriegen, verpufft wirkungslos, sobald von vier, fünf Ampeln nur eine oder zwei rot sind. Dem Verbraucher wird suggeriert, dass die anderen drei Ampeln gefahrlosen Genuss bedeuten, und da kann das Rote ja nicht so schlimm sein, oder?
Eindeutig ein Schuss nach hinten. Dabei wissen wir nicht erst seit gestern aus England, dem Land der McDonald's Mega-Menus, dass Verzicht auf Fastfood, Fertigprodukte und dergleichen, oder eben ein maßvoller Konsum dieser Lebensmittel zusammen mit Bewegung wesentlich mehr bringt, als sich einfach den Burger mit den wenigsten roten Punkten auszusuchen und rein zu stopfen. Die Verantwortung des einzelnen Konsumenten für sich selbst auf ein Ampelsystem zu schieben, das funktioniert wie die bereits existierende Tagesbedarf-Aufschlüsselung (halt nur schlechter), ist schon etwas dreist. Und mindestens genauso ungenau.


Meine lieben, Abnehmebereiten Leser: Wenn Ihr glaubt, Ihr seid zu dick, dann ist der dümmste Ansatz, den Ihr gehen könnt, Euch bei Eurem Konsum nach dem empfohlenen Tagesbedarf auf Eurem Essen und Euren Getränken zu richten. Generell gilt, dass weniger Fett und weniger Zucker, sowie der Griff in die Obstschale anstatt in den Schoki-Schrank wesentlich mehr bringt, als sich hinzusetzen und eine Rechnung aufzustellen. Vor allem, gerade weil nicht jeder Mensch einen Tagesbedarf von zweitausend Kalorien hat.
Mit der Ampel-Kennzeichnung ist es das Gleiche. Fünf grüne Ampeln bedeuten nicht automatisch, dass das Lebensmittel gesund ist. Schön wäre es ja. Ach, und wenn Ihr schon dabei seid, ein wenig regelmäßiger Sport wirkt wahre Wunder, versprochen.

Es ist allerdings nicht so als würde mich eine Ampelkennzeichnung stören, wenn sie die bisherige Kennzeichnung ersetzt oder ergänzt. Ich richte mich ohnehin nicht danach. Aber wie immer stellen sich mir die Nackenhaare auf, wenn jemand versucht, etwas so Unpraktisches als Ultima Ratio zu verbreiten. Sie ist ungenau, Verbraucherunfreundlich und leicht auszuhebeln. Zumindest leichter als die Aufschlüsselung nach dem ungenauen Tagesbedarf von zweitausend Kalorien.
Übrigens ist das Gesetz damit noch nicht gestorben. Es dreht noch eine Ehrenrunde, wird nachgebessert, und sucht das Parlament dann erneut heim. Wir werden sehen, was dabei herauskommt.

Ach, ein kleines Nachwort noch an all jene, die jetzt noch gerne die "versteckten" Fette und Kalorien durch die Ampel-Kennzeichnung entlarvt sehen wollen... Tiefkühlgemüse ist gesund, Vitaminreich und schmackhaft. Tiefkühlfertiggerichte sind Tiefkühlfertiggerichte. Entlarvt die versteckten Kalorien so viel Ihr wollt, aber esst das Zeug doch einfach nicht, auch wenn es schnell geht. Schiebt Euren Einkauf nicht anhand der Ampel durch die Tiefkühlregale, sondern zur Abwechslung mal nach einem Plan, der frisches Essen beinhaltet. Und vergesst eines nicht: Ab und zu ist auch ungesundes Essen vollkommen in Ordnung. Versprochen.

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