Zeit-Online.de hat einen längeren Bericht über den Autoren und Undercover-Reporter Günter Wallraff, genauer gesagt über seine aktuelle Aktion als "Schwarzer in Deutschland" veröffentlicht.
Wallraff, der auch mit persönlichen Kommentaren zu Wort kommt, schildert dort die ganz einfachen alltäglichen Mühen, die ein Schwarzer in Deutschland hat, bis hin zu wildem Opportunismus von offiziellen Stellen. Die Ironie in seinem Bericht liegt daran, dass er nach eigener Aussage nur einmal beinahe enttarnt worden wäre. Alle anderen haben nicht hingesehen, bzw. nach seiner Hautfarbe beurteilt und behandelt. Versteht mich nicht falsch, ich hätte ihn wohl auch nicht erkannt, dazu kenne ich ihn nicht gut genug. Es soll in diesem Blog auch gar nicht um Diskriminierung, Eingliederung und dergleichen gehen. Nein, ich will hier und heute der deutschen Öffentlichkeit einen Zahn ziehen. Einen langen mit schmerzhaft verwachsener Wurzel und Geschwüren im Fleisch, der mich schon lange beschäftigt.
Wallraff begegnete Ost wie West immer einem gemeinsamen Gedanken: Deutschland deutsch (und weiß), Afrika den Afrikanern (schwarz).
Afrika den Afrikanern/Schwarzen: Hier treffen wir schon mal auf den ersten Denkfehler. Afrika ist schwarz? Entschuldigung, aber das stimmt so nicht. Wahr ist, dass die negriden Völker in Afrika in weiten Teilen dominieren, und das sie ethnisch einander sehr nahe stehen, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Dutzende anderer Völker leben auf unserem Nachbarkontinent: Araber, Buschleute, Chinesen (ja, Chinesen), Inder (auch Inder, und gar nicht mal wenige) sowie Vertreter jener Volksgruppen, die zwar recht dunkle Haut haben, aber nicht in die Kathegorie der negriden Völker einzuordnen sind. Als Beispiel nenne ich hier den Volksstamm der Pygmäen.
Ich will hier nicht zu ausführlich werden, weil die paar Zeilen da oben erstens der Völkervielfalt Afrikas nicht gerecht werden und zweitens auch gar nicht das Hauptthema sein sollen. Es soll nur kurz aufführen, dass Afrika nicht automatisch schwarz ist. Die Ägypter würden sich da sicher zurückgesetzt fühlen. Mein Thema bezieht sich auf den anderen Part.
Deutschland den Deutschen/Weißen: Einer der meiner Meinung nach größten Fehler in der vorherrschenden, von Vorurteilen und Missverständnissen geprägten Unkultur im Umgang mit Ausländern ist der Irrglaube, Deutschland hätte eine homogene Bevölkerung, beziehungsweise wir wären eine einheitliche ethnische Gruppe.
Niemand käme auf den Gedanken zu sagen, ein Russe, der in Deutschland lebt, sein ein Deutscher, egal wie weiß er ist, was widerum eine ganz eigene Form des Rassismus ist.
Im Gegenzug würden jedoch viele "Deutsche" sofort unterschreiben, dass die Wolgadeutschen, die nach und nach zu uns reemigrieren, Russen sind.
Beide Fraktionen sind automatisch diskriminiert, obwohl eine von ihnen, die Russlanddeutschen, uns genetisch nahe steht. Das zu definieren wäre allerdings ein eigenes Thema.
Womit allerdings bewiesen wäre, dass das Schlagwort: Deutschland=weiß nichts weiter ist als eine rassistische Farce. Bedient wird hier nach der Reihenfolge der Eingänge, und das ist sehr traurig.
Schauen wir uns abseits der Deutsch-Immigranten und weißer Einwanderer, bzw. Gastarbeiter um. Ist Deutschland homogen? Ja, möchte man sagen, wenn sogar die Bayern nicht als eigene Volksgruppe gelten. Aber ist das wirklich so? In der Tat nicht, denn abgesehen davon, dass in den Grenzgebieten Deutsche und Ausländer vermischt sind (also im polnischen Grenzland Deutsche und Polen, in Bayern Deutsche und Tschechen, über Elsaß-Lothringen wollen wir gar nicht erst anfangen) gibt es in Deutschland anerkannte ethnische Gruppen, die als eigene Minderheit gelten und vom Bundestag mit weit reichenden Sonderrechten ausgestattet wurden, bis hin zum Schulgang in der Muttersprache und der Vertretung vor Gericht mit einem Dolmetscher. Roma und Sinthi zum Beispiel. Sehe ich da jemanden abfällig grinsen? Das Beispiel hört hier nicht auf, und das Ergebnis lässt dieses grinsen sicher verblassen. Weitere ethnische und durch den Bundestag protegierte und privilegierte Gruppen sind: Die dänische Minderheit in Holstein; die Friesen in Ost- und Nordfriesland; die Sorben in Sachsen und Brandenburg. Homogenes Deutschland? Wohl eher nicht.
Kommen wir zum nächsten Irrglaube: Was ist deutsch, abgesehen von einer Nationalität, in die wir hineingeboren wurden? Die Kultur? Die Sprache? Das soziale Umfeld? Die traditionelle Strukturen der Familien? Weiß zu sein?
Von diesen fünf Punkten ist der letzte der lächerlichste, wenn ich an Jimmy Hartwig, Günther Kaufmann oder Patrice Bouédibéla denke, die unsere Kultur mehr als bereichern.
Sicher, Kultur und Sprache sind Dinge, die uns zu einem größeren Ganzen machen, aber im gleichen Atemzug, in dem wir das anerkennen, sind es auch die wichtigsten, bzw. einzigen Gründe, die aus einem Menschen einen Deutschen machen.
Es ist nicht die Hautfarbe, es ist nicht die Haarfarbe, es sind nicht die Eltern, Großeltern oder Urgroßeltern, die deutsch machen. Es ist, Teil dieser Kultur zu sein, und, wer es exakt haben will, deutsch zu sprechen.
Vor siebzig Jahren kam ein kleiner, untersetzter, Chaplinbärtiger Österreicher und vertrat die Ansicht von der Herrenrasse, die groß, blond und blauäugig sein musste.
Die meisten Menschen in DVU, NPD oder Republikaner, die noch heute diese Ansichten vertreten, erfüllen diese Anforderung nicht einmal ansatzweise. Was ist dieses Klischee also wert? Nichts, richtig.
Ich persönlich? Ich bin nur groß, von blond und blauäugig keine Spur. Bin ich deswegen weniger Deutscher? Nun, wenn man wirklich diese Kriterien anlegen würde, könnte ich es nur hoffen.
Kommen wir zu einem noch interessanteren Aspekt, der Geschichte: Die europäische Geschichte, beginnend mit den Aufzeichnungen römischer Historiker vor etwas mehr als zweitausend Jahren, kennt Gallier und Germanen nördlich der Donau und zu beiden Seiten des Rheins. Später ziehen die Ostgoten durch dieses Gebiet und siedeln im heutigen Spanien, während die Westgoten nach Osten ziehen. Und das sind nur zwei ethnische Gruppen, die am Anfang eines wirren Hin und Her stehen. Sibirische Reitervölker wie Hunnen und Tartaren durchqueren dieses Gebiet ebenfalls, und sie sind nicht die Letzten. Unter Karl dem Großen werden eine Menge Kriege mit Völkern östlich der Elbe geführt, die damals schon als Sachsen bekannt waren, und die ihrerseits Auswanderungswellen starteten. Es folgen diverse weitere Ein- und Auswanderungswellen, die letzte große mit der Eroberung Nord- und Südamerikas (wir erinnern uns alle: Irland und Schottland haben sich vom Aderlass dieser Auswanderungen bis zum heutigen Tag noch nicht vollkommen erholt), Kriege überziehen das Land und lassen die verschiedensten Völker durch das heutige Deutschland ziehen, und am vorläufigen Ende steht die Kleinstaaterei mit Preußen als größtem Staat, dem man das Label "deutsch" aufdrücken könnte. Erst mit dem ersten deutschen Kaiser der Neuzeit endet die Kleinstaaterei und macht einem Gebilde Platz, das geographisch Deutschland definiert. Und ethnisch? Ein wilder Mix aus alteingesessenen Völkern, Einwanderern, Invasoren und Hängengebliebenen. Vom Schwarzhaarigen mit dunkler Haut, dessen Familie seit zwanzig oder mehr Generationen in Deutschland lebt bis zum bleichen Blondschopf, der ebenfalls seine Familie ein paar Jahrhunderte zurückverfolgen kann, ist hier alles vertreten.
Ich pflege in diesem Zusammenhang immer gerne zu sagen, dass Deutschland der Schmelztiegel Europas ist, weil hier alles durch kommt, jedes Volk hier einmal durch zieht und seine Spuren hinterlässt.
Mein persönliches Fazit: Deutsch? Deutsch was? Wer deutsch spricht und sich der deutschen Kultur verbunden fühlt, ist m.E. Deutscher. Gibt es noch etwas darüber hinaus? Äußerliche Merkmale? Sicherlich nicht. Wer dies behauptet redet aus Angst, Borniertheit, Rassismus oder sonstigen Beweggründen, mit denen er versucht, sich selbst auf- und andere abzuwerten. Vornehmlich jene, die sich voraussichtlich nicht wehren werden oder können. Und dann natürlich bitte nur aus der Sicherheit der Gruppe heraus, sei dies nun die Wehrsportgruppe, der Stammtisch oder die Schulklasse.
Ausländern mit Vorurteilen oder gar Haß begegnen, weil sie "hier nicht hergehören", "nicht weiß sind" oder "nicht deutsch sein können" ist himmelschreiender Blödsinn, ebenso die Legende vom ethnischen Deutschen.
Hierzu etwas zu meiner Person. Ich wurde `74 in Niedersachsen geboren, bin also defacto Deutscher. Auch meine Vorfahren sind deutscher Abstammung, doch die Herkunft macht das Thema interessant. So gehörte mein Vater zu den Ostpreußen, die gegen Ende des Zweiten Weltkriegs nach Westdeutschland emigrieren mussten. Er selbst verfolgte seine Vorfahren, wobei ich das jetzt nicht belegen kann, auf bayerische deportierte Protestanten zurück, die auf Wunsch der Deutschritter im heutigen Ostpreußen, z.B. Masuren, vor knapp fünfhundert Jahren angesiedelt worden waren.
Auf mütterlicher Seite kann ich auf eine niedersächsische Oma mit holländischen Vorfahren und auf einen rheinischen (Aachener) Opa schauen, dessen Familie demnach im deutsch-französischen Grenzgebiet gelebt hat. Wenn man es genau sehen will, bin ich ein Mischling, und ich bin da auch verdammt stolz drauf. Ich definiere mich als Deutscher, nicht weil ich blond und blauäugig bin, sondern weil dies die Kultur ist, in der ich aufgewachsen bin, und die ich mir zu eigen gemacht habe. Es käme mir demnach nie in den Sinn, einem Fremden mit mehr als anfänglicher Vorsicht zu begegnen, da ich defacto aus anderthalb Flüchtlingsfamilien stamme, die ihrerseits erhebliche Diskriminierungen über sich hatten ergehen lassen müssen, obwohl sie deutsch waren. Andererseits bin ich in keinster Weise bereit, das Label "deutsch" diskriminierenden, beleidigenden und sogar verletztenden Idioten zu überlassen, die meinen, sie könnten sich damit über andere erheben.
Gebt mir mein Land der Dichter und Denker, der kulturellen Vielfalt und der verschiedensten, in Harmonie und Frieden lebenden Menschen zurück, Ihr Idioten!
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In der zweiten Hälfte der 80er-Jahre hatte sich mein ehemaliges Fanzine
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