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Mittwoch, 21. Juli 2010

Es weht ein scharfer Wind aus Winnenden - naja, fast...

Ihr, meine aufmerksamen Leser, wisst natürlich, dass ich den Feed von Tagesschau.de mehr als reichlich nütze. Heute fiel mir eine Meldung von SWR.de ins Auge, in der sich u.a. Eltern von Opfern des Amoklaufs in Winnenden in der Initiative "Keine Mordwaffen als Sportwaffen" engagieren, um eine Verschärfung des Waffenrechts zu erreichen. Die Initiative, die laut SWR.de schon über einhundertachtzigtausend Unterschriften gesammelt hat, fordert darin konsequent ein Verbot von allem Waffen für Sportschützen, die zum Töten oder Verletzen von Menschen produziert wurden.

Und natürlich lässt es sich SWR.de nicht nehmen, ganz versteckt im letzten Satz zu erwähnen, dass "sich die Initiative gegen tödliche Sportwaffen und Killerspiele richtet". Okay, bevor ich zum Kernpunkt zurückkomme, hier ein kurzer Einwurf für die anonymen SWR.de-Autoren: Wie immer, wenn das Totschlagwort "Killerspiel" eingebracht wird, schlage ich die Hände über den Kopf zusammen. Leute, Killerspiele sind bereits verbotene Spiele. Warum sollte man dagegen Petitionen einreichen? Alle anderen Spiele auf dem deutschen Markt sind entweder Altersindiziert, oder nicht indiziert, weil die Freiwillige Selbstkontrolle dies nicht für nötig sah. Habt doch mal ein klein wenig Vertrauen in Eure Kollegen. Oder lernt Euer Vokabular besser, nämlich hier. Die Seite Stigma-Videospiele.de erklärt Euch hier, wie groß die Fettnäpfchen sind, die Ihr gerade breit getreten habt.

Aber kommen wir zurück, kommen wir zur Initiative, die Mordfähige Waffen verbieten lassen will. Okay, das stößt mir schon mal sauer auf, denn wie man auf der Homepage nachlesen kann, sollen nur solche Waffen verboten werden, die dafür gebaut wurden, um Menschen zu töten oder zu verletzen. Merkt jemand, worauf ich hinaus will? Richtig: Was ist dann aber mit all den Waffen, welche von Jägern genutzt werden? Die teilweise genauso tödlich, wenn nicht tödlicher als diese "Sportwaffen" sind?
Wenn mich mein nicht so phänomenales Gedächtnis nicht gerade im Stich lässt, dann kommen bei den Amokläufen in Deutschland neben Kurzwaffen (also Pistolen und Revolver im weitesten Sinne) auch Jagdwaffen zum Einsatz.
Natürlich ist jeder Amoklauf einer zuviel, und man muss sich fragen, was junge Menschen zu solchen Handlungen treibt... Man muss sich fragen, wie man ihnen vorher helfen kann, damit sie gar nicht erst eine so unsinnige, tödliche und schwachsinnige Tat begehen. Aber man muss sich auch fragen, ob die Initiative "Keine Mordwaffen als Sportwaffen" inkonsequent ist.

Ich stelle mal außen vor, ob und wie viel Sinn es machen würde, deutschen Schützenvereinen Kurz- und Langwaffen zu verbieten, denn letztendlich werden Waffen dieses Typs bei Amokläufen verwendet. Aber ich frage mich schon, ob da nicht mit zwei fest zugekniffenen Augen übersehen wird, dass es in der letzten Jagdsaison laut Jagd-online.de über dreihundertfünfzigtausend Jagdscheine in Deutschland gab. Wenn ich für jeden Jagdschein auch mindestens ein Gewehr annehme, macht das über dreihundertfünfzigtausend Jagdwaffen, die zwar nicht fabriziert wurden, um Menschen zu töten oder zu verletzen - dies aber ohne jedes Problem können.
Ohne den Schützenvereinen ihre Kleinkaliber madig machen zu wollen, ohne den Jägern das Hobby vergrätzen zu wollen (das sie überdies verrichten, um unsere Wildbestände zu regulieren), denke ich, dass die Initiative halbherzig vorgeht.
Wenn schon Waffen verbieten, dann alle Waffen verbieten. Das ist natürlich nicht durchführbar. Und es führt mit Sicherheit auch nicht zu dem angestrebten Ziel. Aber es wäre konsequent und hätte meinen Respekt verdient.

Liebe Unterzeichner der Initiative, natürlich erkenne ich den guten Willen und die Sorge vor weiteren Amokläufen an, natürlich weiß ich den Kraftakt zu schätzen, den ihr für einhundertachtzigtausend Unterschriften aufbringen musstet. Und natürlich kann ich nicht einmal ansatzweise nachempfinden, was die Eltern der getöeteten Schüler, die ebenfalls unterschrieben haben, empfinden. Aber ich erkenne einen falschen Ansatz, wenn ich ihn sehe.
Eine inkonsequente Idee, die mindestens dreihundertachtzigtausend latent tödliche Waffen in Deutschland geflissentlich übersieht und all den Sportwaffenbesitzern ein schlechtes Zeugnis ausstellt, sie zu Alleinschuldigen stigmatisiert, die sich zudem nahezu alle nie einen Waffenrechtlichen Verstoß haben zuschulden kommen lassen, ist vielleicht nicht der optimale Weg.

Es ist ein Anfang, man kann auf der Petition aufbauen, etwas beginnen. Aber wirkliche Erfolge erzielt man m.E. mit psychologischen Präventionsmaßnahmen in den Schulen und während der Ausbildung. So etwas bringt weniger Schlagzeilen als ein Amoklauf mit Todesfolge, und sicher kostet es auch mehr, wenn Psychologen sich um die geistige Gesundheit von Schülern und Azubis kümmern - das womöglich in Vollzeit. Und sicher höre ich schon die eine oder andere zynische Stimme, die auf Menschenverachtende Weise verlauten lässt, dass die "geringe Zahl der Amokläufe in Deutschland solche teuren Maßnahmen nicht rechtfertigt", um mal den Advocato Diabolis raushängen zu lassen.
Aber Waffen töten Menschen, weil andere Menschen sie halten und abdrücken. Den Zugang zu Waffen zu erschweren (unmöglich machen kann man es nicht, davon bin ich überzeugt), mag eine kurzfristige Lösung für ein Symptom sein. Aber was wir in Deutschland brauchen, ist Heilung. Heilung direkt in den Köpfen jener, die aus welchen Gründen auch immer sich selbst treiben oder in einen Amoklauf getrieben werden. Denn seien wir mal ehrlich: Kein gesunder Mensch bei klarem Verstand würde eine solch abscheuliche Tat begehen, geschweige denn begehen wollen. Diese Menschen sind krank, und Kranke brauchen Hilfe. Möglichst vorher. Weit, weiiit vorher.


Auf der anderen Seite aber bin ich gespannt. Gespannt darauf, was passieren wird. Immerhin wird Kleinkaliberschießen bei den Olympischen Spielen bereits mit Laserwaffen durchgeführt, immerhin startet die Polizei immer wieder sehr erfolgreiche straffreie Abgabe-Aktionen für illegale Waffen.
Und immerhin ist Deutschland auf dem Gebiet der Kurz-, Lang-, und Militär-Waffen ein verdammt wichtiger Exporteur und Produzent. Ich frage mich, wann die Lobby einkickt.
Ich frage mich, was passiert.
Was ich nicht sehen will, ist, dass die Initiative wirkungslos verpufft, denn wenn auch keine Ursachen bekämpft werden, so sind dies doch schon einmal einhundertachtzigtausend Stimmen, die Amokläufe nicht "cool" erscheinen lassen, so wie es manche Medien so gerne tun, und damit Nachahmer anstacheln.
Oder wie Bild.de zum Anlass nehmen, endlos darüber zu berichten... Was in meines Erachten nach etwa den gleichen Effekt hat.

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