Seit einiger Zeit läuft die Debatte über Sarrazin und seine Aussagen, Migranten in Deutschland betreffend. Es ist noch gar nicht lange her, da habe ich in meinem Blog eine Aussage zerpflückt, die über Sarrazins Buch in den Medien kursierte. Das habe ich vor allem deshalb gemacht, weil ich bereits zweimal über Thilo Sarrazin gebloggt habe. Einmal war ich auf den Zug aufgesprungen und hatte ihn bashen geholfen (direkt nachdem BLÖD Auszüge aus einem Interview gebracht hatte, die nicht sehr schmeichelhaft für Migranten waren), später hatte ich das Interview gelesen, erkannt, wie die BLÖD die Worte aus dem Zusammenhang gerissen hatte, und mich entschuldigt. Auch diesmal, bei der aktuellen Buchdebatte, gehe ich grundsätzlich davon aus, dass Thilo Sarrazin wieder aus dem Zusammenhang zitiert wird. Weil ich grundsätzlich allem misstraue, was die BLÖD schreibt, und das bisher zu Recht.
Nun habe ich sein Buch noch immer nicht gelesen, denn Herr Sarrazin verdient mit dreiundzwanzig Euro recht gut daran, und das will ich mir nicht leisten.
Aber es gibt einen anderen Aspekt, über den man bloggen kann, auch ohne das Buch zu kennen. Und das ist die Art und Weise, wie die BILD Argumente aus dem Buch aufnimmt und verbreitet, egal ob aus dem Zusammenhang gerissen oder nicht.
Argumente wie: Das muss man doch noch sagen dürfen!, oder: Das ist Zensur!, sind Irreführung pur. Denn was die BLÖD uns da als neue Erkenntnisse unterjubelt oder als mittlere Sensation verkauft, ist allesamt kalter Kaffee. Neu an der Geschichte ist nur, dass (angeblich/augenscheinlich) Thilo Sarrazin diese Argumente in seinem Buch erwähnt hat.
Für BLÖD kommt es dann auch gar nicht darauf an, die "Wahrheit" zu berichten, oder "es aussprechen zu müssen oder nur zu können", sondern schlicht und einfach darum, Auflage zu machen. Das ist ihr einziges Ziel, und deshalb polarisiert ein Kai Diekmann auch schon mal mit einem Blog, um den Blick auf BILD und BILD.de zurück zu lenken.
Es geht der Redaktion der BLÖD nicht darum, dem Volk aus der Seele zu sprechen, und darauf hinzuweisen, dass es in Deutschland "zu viele integrationsunwillige Migranten gibt", sie bedienen lediglich Vorurteile, und hoffen dabei auf höhere Klickzahlen und besseren Absatz der Auflage. Dabei dient der Redaktion Sarrazins Buch nicht als Quelle, sondern als Feigenblatt. Und das ist das eigentlich Verwerfliche. Unter dem Deckmantel, auch unangenehme Dinge einmal aussprechen zu dürfen, die Redefreiheit, die Pressefreiheit zu wahren, polarisiert die BILD, legt einseitiges Gewicht auf die eigenen Fakten, ohne Vergleiche, ohne journalistische Sorgfalt, einfach nur dem Effekt zuliebe.
Korrektheit? Keine Chance. Gute Recherche? Warum, wenn man den Deutschen augenscheinlich aus dem Munde spricht? Arroganterweise wimmelt es dann in den Headern auf BILD und BILD.de auch von Umfrageergebnissen unter ihren Lesern, die dann großmundig angekündigt werden mit: So denken die Deutschen.
Nein, liebe BLÖD, so denkt ein Teil Deiner Leser, nämlich jener Teil, der Deinen Telefon-TED mit jedem Anruf ein wenig reicher gemacht hat. Aber es wäre ja nicht im Sinne der BLÖD, SO ehrlich zu sein. Dann könnte man ja nicht die Diskussion weiter anheizen, Argumente die jeder in Deutschland äußern kann und teilweise bereits geäußert hat (Stichwort Stammtisch), als Revolution verkaufen (so wie die Kanzlerin den Atom-Ausverkauf als Revolution bezeichnet hat) und sich nebenbei als Hüter der Meinungsfreiheit aufplustern. UND zweiundachtzig Millionen Deutschen die aktuelle Telefonumfrage als ihre Meinung unterzuschieben.
Ein sehr kluger Mann hat neulich erst geschrieben, dass Thilo Sarrazins Buch viel zu viel Aufmerksamkeit erhalten hat. Ich neige dazu, ihm in diesem Punkt Recht zu geben. Wie gesagt, ich habe das Buch nicht gelesen. Aber ich sehe, was die BLÖD darum für eine Kampagne macht. Und die Kampagne geht nicht auf Kosten der integrationsunwilligen Migranten in Deutschland, sondern auf Kosten aller Ausländer in Deutschland, egal ob eingebürgert oder nicht. Denn die BLÖD ist gar nicht daran interessiert zu informieren, zu trennen und zu differenzieren. Sie ist nur an Auflage interessiert, und wenn deswegen irgendwo irgendwas brennt, um so besser. Darüber kann man berichten und die Auflage steigern.
Und das wird so lange gut gehen, wie wir deutsche Konsumenten der BLÖD Aufmerksamkeit schenken. Ja, auch ich mit meinem heutigen Blog-Eintrag oder die Arbeit des Bildblog gehört zu dieser Aufmerksamkeit, das weiß ich selbst. Aber immerhin spricht Bildblog unangenehme Wahrheiten aus, und ich versuche es zumindest.
Die TAZ berichtet heute, nachzulesen im sechs vor neun auf Bildblog.de, von zwei Geschäftsleuten in Ottensen, die keine BILD-Zeitung mehr verkaufen. Auch DAS ist Meinungsfreiheit, meine liebe BILD, mein lieber Kai Diekmann. UND es ist ein Anfang.
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