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Mittwoch, 7. September 2011

Ich wollte doch nur den Rechtsstaat retten...

Wenn ich Mittwochs im Aldi einkaufen gehe (ehrlich, ich habe kein Problem, das zuzugeben), dann zieht es mich magisch immer wieder an den Zeitschriftenstand. Ich werfe dann den kategorischen Blick auf die BILD-Schlagzeile.
Heute prangte dort: "Ich wollte doch nur ein Kind retten!" Untertitel: "Jetzt spricht der verurteilte Polizist im Fall Dennis."

...sacken lassen. Um die Sache mal kurz in Erinnerung zu rufen, der damals neunjährige Dennis war entführt worden. Als der Täter gefasst wurde, war der Junge bereits tot. Die Ermittler wussten das zu dem Zeitpunkt aber nicht, und schließlich drohte einer der Beamten mit Folter, was den Täter dazu bewegte, einen - falschen - Aufenthaltort des Jungen preis zu geben.
Nun gab es einen Prozess, in der die angedrohte Folter Gegenstand der Verhandlung war.
Und es gibt die BILD mit ihrer ganz eigenen Meinung, was rechtens ist und was nicht.

Aber egal, ob der Junge zu dem Zeitpunkt schon tot war oder noch hätte gerettet werden können, über die Grausamkeit und die Perfidität der Tat bestehen keine Zweifel und sicher auch keine mildernde Umstände. Der Mann hat jedes Jahr, das er in Resozialisierung verbringt, auch verdient.
Was aber den Polizisten angeht, so wusste er im Gegensatz zur BILD sehr genau, was der Rechtsstaat ist und welche Gesetze er gerade gebrochen hatte. Da mag sich die BILD ruhig Seitenweise empören, Telefon-Teds schalten und jammern und lamentieren, es ändert nichts an den Fakten.
Dass BILD den Rechtsstaat gerne so sieht wie sie ihn braucht, das haben wir ja alle gesehen, als sie KTG verteidigt hat, selbst als der Ausmaß seines Betruges bereits erwiesen war. Damals war die Beugung des Rechtsstaats ja "nicht so schlimm", weil "so einen guten Politiker kriegen wir nie wieder".
Diesmal hat BILD ernsthafte Probleme damit, zu verstehen, dass Recht und Gesetz auch für Polizisten gilt. Nicht ungewöhnlich, denn diese Zeitung glaubt ja oft genug, dass sich Deutschland nach ihr zu richten hat, und nicht umgekehrt. Und viel zu oft hat sie auch noch Recht damit, wenn die anderen Medien hemmungslos und ohne Recherche aus der BILD zitieren.

Aber der Polizist, der muss sich doch bewusst gewesen sein, dass die Drohung wie ein Bumerang auf ihn zurückschlagen würde. Immerhin musste man ja annehmen, dass dieser Beamte, wenn er einmal damit durchkommt, erneut Folter androht oder sogar durchführt, und das vielleicht bei einem Bagatelldelikt oder einem Unschuldigen.
Er musste gewusst haben, dass der Justiz gar nichts anderes übrig bleibt, als ihn zu bestrafen. Warum jammert er jetzt also? Warum ist das BILD eine Schlagzeile wert?
Frage eins: Keine Ahnung, vielleicht wurde er bequatscht.
Frage zwei: Weil es die BILD nicht schert.
Bis zu diesem Punkt kann man mit der Androhung von Folter nicht einverstanden sein, denn schließlich ist das hier nicht der CIA und nicht Amerika. Aber man hätte den persönlichen Mut des Ermittlers anerkennen können, der seinen Beamtenstatus, seinen Beruf für diesen Jungen riskiert hat. Der in vollem Bewusstsein der bevorstehenden Konsequenzen das Recht gebrochen hat und auch bereit war dafür gerade zu stehen.
Nun fiel die Strafe eher milde aus - ihm wurden zehntausend Euro abverlangt. Es hätte ihn weit schlimmer treffen können. Vielleicht ließ er sich deshalb bequatschen und für eine BILD-Schlagzeile missbrauchen. Viel Geld weg, aber Pension sicher.
...sacken lassen.
Wenn sich der Beamte aber gar nicht bewusst war, was er da angedroht hat, und was die Folgen davon sein würden, was der Rechtsstaat in seinem Fall tun würde, dann frage ich mich, ob er bei der Polizei am richtigen Platz ist. Wir brauchen keine Sheriffs in Deutschland, sondern Kommissare.

Das Gesetz ist in Deutschland für alle gleich, für Dich, für mich, für Polizisten, ja, auch für skrupellose Kindermörder, auch wenn BILD das nicht wahrhaben will.
Und auch das ist ein Trost: Diese Gesetze gelten auch für BILD.
Und das ist auch gut so. Ein Zwei Klassen-Gesetz würde uns normale Bürger nämlich zuallererst in die falsche Klasse dieses Gesetzes schieben, und da will ich nicht hin. Also, BILD, bitte nicht schon wieder Stimmung gegen Rechtsstaatlichkeit machen - womöglich gibt es sonst eine Facebook-Gruppe für Folter im Polizeidienst, die fünfhunderttausend Fans hat...


Edit am 05.10.: Gerade in der Vorankündigung gehört: Der gute Polizist hat ein Buch zum Thema geschrieben.
Da frage ich mich doch drei Dinge.
1) Wie zum Henker kann man ein Buch füllen mit der Frage, ob man in einem Rechtsstaat einem Kindesentführer mit Folter drohen darf?
2) War die ganze Schlagzeile in der BILD also nur der Aufhänger für eine Buchverkaufskampagne, wie wir sie schon so oft erlebt haben? Für Bohle, Lahm, Sarazin, Beispielsweise?
3) Was kostet der Schinken überhaupt, und wer ist bereit, dafür Geld auszugeben?

4 Kommentare:

Subtra aka DJ Dimension hat gesagt…

Also ich weiß nicht was der Mord an Kindern bezwecken soll, es ist grausam und unangemessen. Es sind Kinder verdammt, wofür haben die es verdient aus dem Leben gerissen zu werden.

Man vergisst durchaus Gesetze wenn man der Polizeiliche Vater des Kindes ist, er wollte sein Kind zurück, sein Fleisch und Blut verdammt. Um sein Kind zu retten würde über Leichen gehen, da sind ihm die Strafen egal, er wollte nur das sein Sohn in Sicherheit ist.

Was muss der Tod des Jungens auf seinem Gewissen liegen. Teufel das Gefängnis ist ein guter Ort zum Nachdenken und zum Trauern.

Kindermörder, Vergewaltiger und alles was dazugehört ist einfach nur Falsch.

Ace Kaiser hat gesagt…

Ich denke, Du hast den Punkt getroffen. Er muss gewusst haben, was ihn erwartet. Jetzt darüber zu jammern, nachdem er noch mal glimpflich davon gekommen ist, ist Verrat an seiner Arbeit.

Subtra, wir leben in einer Gesellschaft, die die Todesstrafe überwunden hat. Und ich finde auch, dass das gut so ist. Selbst bei einem so abscheulichen Verbrechen wie Kindesentführung und Kindstötung, es ist besser so. Eine Gesellschaft erkennt man daran, wie sie ihre Schwächsten und wie sie ihre Jüngsten behandelt. Ihn zu töten wäre kein Verbrechen, aber ein Armutszeugnis für eine moderne Kultur. Etwas, was die US-Amerikaner auch beinahe geschafft hätten.

Subtra aka DJ Dimension hat gesagt…

Das Problem liegt an der Erziehung, ist eigentlich recht simpel und doch verdammt kompliziert wenn man versucht genannten Problem zu lösen.

Siehe die Gewalt an Schulen, ist ein super Beispiel das die Eltern ihren Frust an ihren Kindern auslassen, diese wiederum lassen die Frust an den aus die sich ebenfalls nicht wehren können. Es ist ein ewiger Zirkel des Hasses der Menschen wie Vergewaltiger oder Kindermörder produziert.

Vor allem die Ruhigen, die keine Anzeichen von Störungen aufweisen können die Täter sein. "Stille Wasser sind tief" Da trifft der Spruch voll die Mitte.

Unterdrückter Hass können Aktion hervorbringen die man nicht vorhersehen kann. Einfach weil man es nicht gesehen hatte.

Nehmen wir mal eine Theorie die ich für die Situation angemessen halte:

Der Kindermörder wurde in seiner Kindheit oft fertig gemacht und man machte sich immer über ihn lustig, seine Eltern konnten ihm nicht helfen, weil die Kinder Söhne und/oder Töchter von wirklich wichtigen Leuten waren, darunter ein Polizeichef. Der Sohn von diesem Mann machten den Jungen fertig auf das ich eine Art Trauma entwickelt.

Im späten hier und Jetzt eskalierte die Wut und das Trauma zu Entführung und darauffolgenden Mord von einem Sohn eines Polizisten, damit niemand das gleiche wiederfährt wie ihm.

Ich glaube ich kann mich da recht gut hineinversetzen weil ich auch so ein "Opfer" von den Kiddys war. Nur ich habe mich halt hinterm PC zurückgezogen und meine Wut auf andere weiße ausgegeben, meistens indem mich in mein Zimmer zurückziehe, eine Geschichte schreibe oder ich mit mir selbst gespielt habe, im Sinne von hup pwoosh und solche Geräusche halt. Mein Phantasie halt ^^.

Aber letztendlich ists ne Theorie die hintreffen könnte, so schwer ist das eigentlich nicht. Jeder hat ne dunkle Seite, es kommt auf die Erziehung und Behandlung an wie stark diese ist.

Ace Kaiser hat gesagt…

Ich glaube nicht, dass der Entführer eine schlechte Kindheit hatte, und das hier persönliche Missstände eine Rolle spielen. Ich denke, in diesem Fall war es "ein narrensicherer Plan", und "die Beseitigung des gefährlichen Zeugen".
Das Gericht bescheinigte ihm eiskaltes Kalkül, zog also psychische Defizite außer Zweifel.