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Mittwoch, 18. Februar 2015

Eine Frage der Recherche II - es geht noch härter

Also, ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber ich bin nahe daran, mich bei Georg Anastasiadis zu entschuldigen, dessen Mittwochskommentar ich am Donnerstag verrissen habe, Thema Schuldenkrise und Grexit. Anastasiadis hat kein Ruhmesblatt abgeliefert, als er mit Andeutungen, längst widerlegten Behauptungen und Suggestionen Meinung machen wollte. Heute weiß ich, er gehört zu den Gemäßigten im Verlagsverbund Dirk Ippen, denn heute stand unter "Kein Stoff für Heldensagen" ein Kommentar von Detlef Drewes auf Seite zwei. Wenn Anastasiadis Suggestionen benutzt hat, geht Drewes noch einen großen Schritt weiter und macht all seine Argumente gleich zu Beweisen.
...sacken lassen.

Zum Beispiel gleich im zweiten Satz behauptet er, dass Tsipras und seine Regierung "den Zug den Abhang runterrasen" lassen würden, ohne eigene Konzepte. Das hat mich denn doch sehr verwundert, denn ich dachte bisher, die griechischen Vorschläge eines Schuldenschnitts oder einer Umschuldung wären eigene Konzepte. Natürlich ist es für die Apologeten der Austeritätspolitik, die auf totsparen, Tafelsilber verkaufen durch Privatisierung was eigentlich gar nicht privatisiert gehört, sowie Einschnitte im Sozialbereich setzen, gar nicht gut, wenn ihr Konzept so rigoros scheitert. Denn das ist es, wenn Griechenland die Staatspleite riskiert oder eine Umschuldung erhält und seine Zinsen in einem erträglicherem Maße bezahlen muss. Oder eben einen Schuldenschnitt erhält. Und dann wirkt die drohende Fuchtelei in Richtung Spanien und Italien natürlich nicht mehr so stark, denn plötzlich kann man ja verhandeln, über eine erträglichere Lösung, ohne den von der Austerität gewürgten Staat gleich zu erdrosseln.
Noch mal: Kann ich nicht nachvollziehen. Jeder Bundesbürger, der zu hohe Zinsen für seine Kredite bezahlt und mit der Last nicht fertig wird, kann zur Bank gehen und die Laufzeit strecken lassen, was die Monatszinsenlast senkt. Klar, die Bank muss da mitspielen, aber der ist ein langwieriger Kredit eventuell lieber, als dass er ganz platzt. Ich halte die Umschuldung für ein sehr gutes Konzept, vor allem, da der größte Geldgeber Griechenlands ausgerechnet die Institution ist, die auch Griechenlands größter Schuldner ist: Die EZB. (Nichts gegen die EZB, die einiges geleistet hat, um Griechenland nicht vollends untergehen zu lassen. Aber Kredite auszusprechen, nur um die Zinsen zurückzubekommen, anstatt gleich gegenzurechnen, damit aus Kosmetikgründen das Geld mal auf griechischen Konten ist, ist schon etwas absurd.)
Warum nicht die Laufzeiten strecken und damit die Zinslast senken, damit Griechenland und seine Wirtschaft wieder atmen können? Und: Es wäre mir neu, dass Griechenland alle Zinsforderungen für seine Kredite und Staatsanleihen NICHT bedient hat. Das war bisher immer der Fall.

Ein weiteres Beispiel gefällig? Drewes schreibt: "Die Forderungen nach bedingungslosen Milliardenkrediten ohne Gegenleistung" sei illusorisch und naiv. Nanu? Sind die bedienten Zinsen etwa keine Gegenleistungen? Das muss mir Herr Drewes mal näher erläutern. Allerdings wird er die Massenprivatisierung gemeint haben, wobei wir auch hier in Deutschland gesehen haben, dass manche Dinge einfach nicht in die Hände der Privatwirtschaft gehören, so in Berlin die Wasserwerke.

Weiter geht's: "Politik mit dem Geld anderer machen zu wollen und dabei jede Eigenleistung abzulehnen kommt nicht gut an.", schreibt Drewes. Noch mal: Meines Wissens nach hat Griechenland bisher alle Kredite bedient. Was also soll dieser Spruch, außer dem Leser einzureden, die Griechen wären ein Pack Faulenzer, die das deutsche Steuergeld nehmen, um den Tag lachend mit Sirtaki tanzen zu verbringen? Aber auch hier meint Drewes sicher nicht die erfüllten Pflichten Griechenlands, sondern die "Reformen".
Dazu mal mein eigener Gedanke: Seit Beginn der Krise, ausgelöst durch Bemerkungen unserer Bundeskanzlerin (und die zu Einwanderung aus Griechenland, Italien und Spanien in erhöhtem Maße geführt hat), warte ich darauf, dass die Austeritätspolitik erfolgreich ist und das Land durch das Fachwissen der Troika saniert wird und wieder Kurs aufnimmt. Was passiert stattdessen? Enorme Arbeitslosigkeit, erhebliche Lohnminderungen, Kapitalabwanderung, und die BILD fordert die Griechen auf, sie "sollen doch ihre Inseln" verkaufen. Ich sehe hier nur in einem Punkt Erfolg. Und das ist, europäische Steuergelder aufzubringen, um sie über den Umweg Griechenland dem größten Schuldner zukommen zu lassen: Der Europäischen Zentralbank, die dann natürlich ihre Überschüsse wieder in die Länderhaushalte fließen lässt. Wenn Tsipras und sein Finanzminister nach dem Scheitern der Austeritätspolitik eine andere Methode fordern und auch anstreben, bin ich der Meinung, der Sache einen Versuch zu geben. Schlimmer werden kann es ja nicht mehr.

Dann folgen noch ein paar böse Sprüche wie "Wer also stoppt Tsipras" sowie "Noch wird die Frage nur im Ausland gestellt." "Aber [...] dürften auch immer mehr Hellenen aufwachen[...]"
Etwas kurz zitiert, gebe ich zu, aber es bringt den Kommentar schön auf den Punkt.
Sehr geehrter Herr Drewes, ich möchte Ihnen noch mal fix etwas erklären: Den viel beschworenen Grexit kann nur Griechenland anordnen. Wirklich. Ich habe das recherchiert. Und das wird Tsipras niemals tun, egal wie groß der Druck auf sein Land sein wird. Denn dann ist das Land wirklich im Arsch. Es gibt auch nur einen einzigen Grund, Angst vor einer Staatspleite in Griechenland zu haben, und das ist meines Erachtens nach das Eingeständnis des Scheiterns der Austeritätspolitik, der lebende Beweis, dass diese Politik das Land vollends ruiniert statt gerettet hat. Ein sehr schlechtes Zeugnis für das Totsparmodell.

Und dann Ihre Kommentare: Wer stoppt Tsipras oder die Hellenen werden aufwachen... Also, da lobe ich mir Ihren Kollegen Anastasiadis, der zwar schlecht recherchiert hat, aber zumindest erheblich seriöser rübergekommen ist. Ihm kann man durchaus vorwerfen, dass er schlechter Recherche aufgesessen ist oder zuviel aus anderen Zeitungen nachgeplappert hat, was längst widerlegt ist. Ihnen kann man vor allem vorwerfen, ohne Fakten und im vollen Bewusstsein Stimmung gegen Ministerpräsident Tsipras und die Griechen an sich zu machen. Tsipras muss gestoppt werden? Die Griechen sollen aufwachen, und das, nachdem sie ohne Gegenleistung auf Milliardenkredite bestehen? Ich denke, Ihnen würde folgendes gut stehen. Recherchieren Sie doch mal zum Geldkreislauf der Griechenland-Schulden von den verschiedenen europäischen Haushalten zu den griechischen Konten auf die Konten der Schuldner, deren größter die EZB ist, wie die Zeit schon 2011 recherchierte, und von dort wieder zurück in die Haushalte der verschiedenen Bundesstaaten. Darüber würde ich gerne einen Kommentar von Ihnen lesen anstatt den Griechen Gier nach Krediten vorzuwerfen, die sie nur für einen verschwindend geringen Teil überhaupt für etwas anderes verwenden dürfen als ihre Schulden zurückzuzahlen. Rein in den Kreislauf.
Kein Stoff für Heldensagen heißt Ihr Kommentar. Das ist Ihr Kommentar wahrlich nicht.

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