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Dienstag, 14. Februar 2012

Atomkraft doch nicht nein, danke?


Heute präsentiere ich Euch, meinen eifrigen Lesern, etwas, was nicht so oft vorkommt, obwohl ich dafür immer offen bin: Einen Gastbeitrag.
Lukasz Kroll, der sich vor einem knappen Monat an der Diskussion über Atomkraft beteiligt hat, hat mir versprochen, bis Mitte Februar einen Artikel über das Thema zu schreiben. Ich finde, er ist sehr ausführlich geworden, obwohl man sicher noch mehr dazu schreiben könnte. Er ist auch sehr gut gelungen, und zeigt was ich selbst gesagt habe: Kraftwerke, die Atommüll verbrennen, sind angesichts von Lagerzeiten von zweihunderttausend Jahren sehr, sehr wünschenswert. Aber das ist nur ein Aspekt des Berichts von Lukasz.
Danke an dieser Stelle, dass Du Dir die viele Arbeit gemacht hast. Ich hoffe, meine Leser werden viele Reaktionen liefern.
Lukasz, the Stage is yours.



Totgeglaubte leben länger... Über Atomkraft

Die Atomkraft ist ein wirklich spannendes und interessantes Thema. Nach der Katastrophe in Fukushima habe ich angefangen mich mit Recherchen im Internet zu diesem Thema (und der Energiewende im allgemeinem) zumindest einmal in der Woche zu beschäftigen. Während die Pressemeldungen in Deutschland ziemlich einseitig waren, und die Kernkraft und allgemein alles was den dass Wort Kern oder Atom beinhaltet für tot oder sterbend erklärt wurde, gibt es im Ausland erstaunlich viele pro und contra Pressemeldungen. Während viele Deutsche meinen die Atomkraft liege bereits im Sterbebett, gibt es in diesem Bereich ein ständiges hoch und runter. Während also in Tschechien der ursprüngliche Plan 80% der Energie aus Kernkraft zu beziehen als unrealistisch bezeichnet wird, und Tschechien sich auf den Ausbau des Kernkraftwerks Temelin begrenzt, setzen die Polen einen zusätzlichen Standort auf die Liste der möglichen Kernkraftwerke. Während in Indien Proteste die Inbetriebnahme eines neuen Kernkraftwerks behindern, wird in England fleißig an dem Plan neue Meiler zu bauen weiter gearbeitet, während die Chinesen die Anzahl der genehmigten Neubauten auf „nur“ 6 Kernkraftwerke pro Jahr begrenzen, genehmigt USA die ersten Reaktorbauten seit 3 Jahrzehnten, während die Deutschen am 8 Februar feiern, weil dass sonnige und windige Deutschland wieder einmal Strom ins Atomfrankreich exportiert, wird in der Enklave Kaliningrad, nicht so weit von der deutschen Grenze entfernt, der erste Beton für ein neues Atomkraftwerk, (dass mit der klaren Absicht Strom für Export zu produzieren gebaut wird), gegossen, während Frankreichs Favorit für die nächsten Präsidentschaftswahlen verspricht Frankreichs Atomstromanteil von 77% auf 50% zu senken, und die Lücke mit erneuerbaren zu schließen, gibt es am 9 Februar in Deutschland Wolken und Windstille, und Deutschland muss nicht nur wieder Strom aus dem Ausland importieren, sondern auch sein allerletztes Reservekraftwerk anschmeissen.
Dass sind nur die Meldungen von den letzten paar Wochen, ein ständiges rauf und runter.

Was ist also los mit der Atomkraft? Kommt die Renaissance oder ist Atomkraft doch ein Totes Pferd (die tote Pferd Theorie muss man unbedingt kennen :D http://www.in-mediation.eu/das-tote-pferd) .
Die Antwort wie in so vielen Bereichen unseres Lebens heißt: „Jein“.
Um zu verstehen wieso es mit der Atomkraft so wie sie jetzt aussieht nicht mehr lange weitergehen kann, muss man sich ein paar Eigenschaften der heutzutage angewendeten Technologie ansehen.
Also fangen wir mal mit den Grundlagen an.
Wenn ein Atom mit Neutronen beschossen wird können in der Regel drei Sachen passieren:
Nichts, dass heißt dass Neutron wird nicht vom Atomkern angezogen und fliegt vorbei. Eventuell wird dass Neutron verlangsamt (sehr wichtig bei Moderatoren).
Das Atom wird transportiert, also zieht dass Atom dass Neutron an, und „verschlingt es“, wodurch ein Isotop mit einem anderem Gewicht und anderen Halbwertszeit entsteht. Also entsteht ein Atom dass mehr, oder auch weniger radioaktiv ist als sein Vorgänger.
Bei einigen Atomen kommt es zur Atomspaltung. Dass Atom zerfällt in zwei Hälften. Die beiden Hälften, also Spaltprodukte, sind in der Regel sehr stark radioaktiv, haben aber vergleichsweise kurze Halbwertszeiten. Bei der Spaltung werden auch Neutronen frei, und all dass fliegt mit großen Geschwindigkeiten auseinander, woraus auch der große Energiegewinn resultiert.
Für alle Arten von schweren Atomen können diese drei Fälle auftreten, abhängig davon wie schnell dass Neutron sich gerade bewegt. Bei sehr schnellen Neutronen ist die Wahrscheinlichkeit höher dass das Neutron vorbeischießt, gleichzeitig ist aber die Wahrscheinlichkeit höher dass das Atom wenn es mal getroffen wird, gespalten wird, anstatt dass Neutron einfach „aufzufressen“. Dass sieht man besonders gut im Falle von Plutonium 239. Wenn die Neutronen langsamer sind ist die Wahrscheinlichkeit dass sie vorbeischießen kleiner, aber die Neutronen werden öfter absorbiert ohne eine Spaltung zu verursachen.
Atome bei denen es auffällig oft zur Spaltung kommt sind die sogenannten Transurane, wobei bei Uran 233 und Uran 235, Plutonium 239 und Neptunium 237 genügend Neutronen gebildet werden um die Kettenreaktion zu erhalten. Uran 235 („angereichertes Uran“) kommt in der Natur vor, Uran 233 kann aus Thorium 232 erbrüten (Transmutiert) werden, Plutonium 239 aus Uran 238 (abgereichertes Uran), Neptunium 237... da gibt’s keine sinnvolle Methode dieses Isotop zu brüten.
Mit langsamen (thermischen) Neutronen kann man gut mit Th/U233 und U235 arbeiten, mit schnellen Neutronen kann man mit allen spaltbaren Materialien arbeiten.
Es gibt also grundsätzlich zwei Arten von Reaktoren: Die, die mit schnellen Neutronen arbeiten, und die, die mit thermischen Neutronen arbeiten. Die, die mit schnellen Neutronen arbeiten, haben den Vorteil das sie mit allen Brennstoffen arbeiten können; die, die mit thermischen Neutronen arbeiten, sind dafür kleiner (da die Neutronen nicht so oft vorbei fliegen), brauchen aber Uran 233 oder Uran 235 um genügend Neutronen zu produzieren.
Heutzutage baut man vor allem Leichtwasser- oder Schwerwasserreaktoren, in denen dass Wasser gleichzeitig als Kühlmittel und Moderator (also Material das die Neutronen abbremst) verwendet wird. Dass Hauptproblem dabei ist, Wasser kocht ja bekanntlich normalerweise bei 100°C... Das reicht bei weitem nicht aus um effizient Strom zu produzieren (deshalb hat auch Geothermie miserable Effizienzen). Um jedoch Wassertemperaturen von 300-400°C zu erreichen setzt man Wasser unter enormen Druck von bis zu 150bar. Wenn man aber Druck verliert, weil zum Beispiel ein Rohr bricht, bleibt 400°C heißes Wasser nicht lange flüssig, sondern verwandelt sich in Wasserdampf. Radioaktiven Wasserdampf.
Wasserdampf ist zum Glück kein guter Moderator, verursacht also die sofortige Unterbrechung der Kettenreaktion, gleichzeitig aber Wird aus Wasserdampf unter Einwirkung von radioaktiver Strahlung, und durch chemische Reaktionen mit Zirkonium aus dem Brennelement, Wasserstoff und Sauerstoff, also das gute alte Knallgas.... Auch wenn das Reaktorgebäude den erhöhten Druck von Wasserdampf möglicherweise überstehen kann, kann es nicht eine Wasserstoff-Explosion überstehen... Fukushima hat dies eindeutig bewiesen.
Wenn man dann keine Möglichkeit hat den Reaktorkern zu kühlen, erhitzt die Nachzerfallswärme die Brennstäbe zu einer Temperatur, in der das Zirconium schmilzt, und das hochradioaktive innere des Reaktorstabs kontaminiert die Umwelt.
Natürlich kann man Gegenmaßnahmen treffen, z.B. das sich bildende Knallgas reagieren zu lassen, bevor es in einer bedrohlichen Menge entsteht, und passive Kühlsysteme anwenden (Wasserspeicher auf dem Dach, das dank Gravitation herabfließende Wasser kühlt auch ohne Strom den Reaktor). Beides wird in modernen Kraftwerken auch gemacht. Das Thema Sicherheit bedeutet aber Kosten, nirgendwo sonnst investiert man so viel in Sicherheitssysteme wie in der Kernindustrie. Nach Fukushima werden diese Kosten wahrscheinlich noch mal rasant steigen. Ein teures Problem, aber entgegen der Erwartungen der Kernkraftgegner ist dies nicht ein unlösbares, oder absurd teures Problem.
Das eigentliche Problem, das die wassergekühlten Reaktoren nicht lösen können ist das Problem mit dem Uran 235. Es gibt einfach nicht genug davon.
Uran 235 hat nur einen Anteil von 0,7% an der Gesamtmenge von Uran, der Rest ist Uran 338. Also kommt Uran 235 einzeln betrachtet in der Erdkruste etwa so oft vor wie Gold oder Platin... Abbauwürdige Vorkommen könnten schon in wenigen Jahrzehnten ausgeschöpft sein. Es besteht die Möglichkeit Uran aus dem Meerwasser zu gewinnen, der Aufwand ist aber immens und wäre auf eine große Skala nicht durchführbar, insbesondere wenn die Konzentration von Uran in Meerwasser in Folge von deren Gewinnung fällt, und so auch die Effektivität des ganzen Prozesses fällt.
Auch die Tatsache das Brennelemente aus Uraniumoxid gemacht werden ist ein Nachteil. Uraniumoxid ist zwar chemisch stabil, hat aber Materialeigenschaften, die Keramik ähneln. Es ist also ein Feststoff, der nicht besonders gut Wärme leitet. Die Tatsache, dass Brennelemente Feststoffe sind, hat zum Beispiel zur Folge dass Spaltprodukte dort bleiben, wo sie entstehen. Ein großes Problem. Spaltprodukte haben oft die Eigenschaft Neutronen zu absorbieren. Das Brennelement wird also mehr und mehr mit Spaltprodukten verseucht, bis es weniger Neutronen produziert als es verbraucht. Dann muss es bereits entsorgt oder verarbeitet werden. Dabei hat man aus dem Brennelement gerade mal 0,5 bis 2% (bei besonders effizienten Reaktoren) der theoretisch möglichen Energie raus bekommen. Und letztendlich das, und nicht die Sicherheitsfragen, wird der Kernenergie wie wir sie kennen das Genick brechen.

Der einzige sinnvolle Weg den die Atomkraft nehmen kann ist die Brütertechnologie. Die Idee gab es schon seit langem, der erste schnelle Brüter der Welt wurde schon 1946 gebaut. Der zweite schnelle Brüter der 5 Jahre später gebaut wurde lieferte die erste nuklear erzeugte elektrische Energie. Dennoch war die Forschung im Bereich des schnellen Brüter mit gemischten Erfolg gekrönt. Die meisten Länder die in diese Technologie investiert haben, haben mittlerweile ihre Testreaktoren abgeschaltet, und wenig Interesse neue zu bauen. Letztendlich scheint es als ob nur noch ein paar Länder ernst über Brütertechnologie nachdenken.
Mit flüssigem Metall gekühlte schnelle Reaktoren sind dem wassergekühlten Reaktoren sehr ähnlich, nur dass sie mehr Spaltmaterial beinhalten müssen, ohne Druck betrieben werden können, und Metall statt Wasser als Kühlmittel benutzen. Als Brennstoff kann effizient neben 'Uraniumoxid auch Plutoniumoxid benutzt werden. Dass Problem der „Neutronen fressender Spaltprodukte“ ist geringer (aber nicht gleich Null) weil schnelle Neutronen öfter Spaltungen verursachen, bei denen große Mengen an Neutronen frei werden. Dieser Überfluss an Neutronen kann dazu benutzt werden langlebigen Atommüll zu transmutieren, oder auch Plutonium für die Inbetriebnahme weiterer Reaktoren herzustellen. Der Überfluss hat auch zur Folge dass das Brennelement wesentlich länger im Kern bleiben kann bevor er zu sehr verseucht wird um weiterhin benutzt zu werden. Und natürlich wird jedes mal wenn ein Atom gespalten wird mindestens ein neues spaltbares Atom erzeugt. Wenn man dann noch die verbrauchten Stäbe wiederaufarbeitet, kommt man in die Nähe von 100% theoretisch herstellbarer Energie. Dass heißt mit dem Atommüll das ein heutiges KKW in 3 Jahren produziert könnte ein Brüter gleicher Leistung (mit Brennelement Recycling) mehr als 500 Jahre Energie produzieren. Und gleichzeitig die Dauer die der Müll gelagert wird auf 500 Jahre reduzieren.
Letztendlich haben sich Schnelle Brüter von zwei Typen etabliert: Mit flüssigem Natrium oder mit flüssigem Blei-Bismutgemisch gekühlte Reaktoren. Flüssiges Natrium wurde dabei viel genauer erforscht, und in Großanlagen ausprobiert. Es hat den Vorteil dass es die Neutronen nicht abbremst, Wärme gut leitet, und falls elektrische Energie ausfällt durch Wärme bedingte Zirkulation den Reaktor zumindest teilweise kühlt. Auch die Tatsache dass das Kühlmittel nicht unter Druck arbeiten muss ist ein Vorteil. Die Nachteile von Natrium haben vor allem mit seiner hohen chemischen Reaktivität zu tun. Elementares Natrium brennt prima, und reagiert mit Wasser, wobei Wasserstoff entsteht. Auch manche Metalle lösen sich in Natrium, wodurch die Reaktorwände mit der Zeit an Dicke verlieren. Trotz all diesen Problemen ist der Natriumgekühlte schnelle Reaktor die beliebteste und am meisten favorisierte Alternative zu den heutigen Reaktoren. Russland baut zur Zeit sein 800 mW Modell BN-800, und hat schon erste Exporterfolge: China will 2 identische Reaktoren, Baubeginn voraussichtlich 2013.
Neben China/Russland ist auch in Indien die Idee Schnelle Brüter zu bauen beliebt. Der 500 mW PFBR soll schon 2013 ans Netz gehen, 6-7 weitere sollen Folgen, danach sollen noch Größere 1 -1,2 GW Einheiten entstehen. Das Besondere in Indien ist, dass neben abgereichertem Uran auch das im Indien häufig vorkommende Thorium zum Brüten benutzt werden soll. Der so gewonnene Uran 233 soll als Ersatz für Uran 235 in indischen Reaktoren eingesetzt werden. (Indien besitzt nur sehr kleine Uranminen, und es gilt immer noch ein Uranhandel-Embargo, das erst 2009 etwas gelockert wurde.)
Bleigekühlte Schnelle Reaktoren wurden zwar nicht in großen Anlagen ausprobiert, haben aber über 8 Jahrzehnte russische U-Bote angetrieben. Hier will man die Erfahrungen mit kleinen Einheiten dazu benutzen große Mengen kleiner Reaktoren quasi am Band herzustellen. Bleigekühlte Reaktoren vertragen es jedoch schlecht wenn sie abgeschaltet werden. Erstarrendes Blei beschädigt manchmal den Reaktor, was einem Totalschaden bedeuten kann. Solange man das Blei aber warm genug hält (im heißen Kernreaktor sollte dass nicht schwer sein) hat man wenig Komplikationen zu erwarten.
Ein Beispiel für solche Reaktoren ist der russische SVBR-100, mit einer Leistung von 100 mW. Baubeginn 2014, voraussichtlich am Netz 2017, ab da sollen diese Reaktoren am laufendem Band produziert werden. Bis 2040 erwartet man zwischen 500 und 1000 fertige Reaktoren dieses Typs (also zwischen 50 und 100GW Gesamtleistung).
Kernkraftgegner bezeichnen gern Brütertechnologie als etwas das „20 Jahre vor dem Durchbruch steht, und in 20 Jahren immer noch 20 Jahre vor dem Durchbruch stehen wird“. Die verschieden Brütermodelle die zur Zeit gebaut oder bereits fest geplant werden widersprechen dieser Theorie.

Die schnellen Brüter sind dennoch nicht eine Technologie die mich besonders begeistern würde. Ich muss zugeben dass sie vor Kernschmelzen besser geschützt werden als die heutigen Reaktoren, sie produzieren Müll der nicht länger als 500 Jahre gelagert werden muss und können verbrauchte Brennelemente aus herkömmlichen Reaktoren als Treibstoff verwenden. Und sie erbrüten wesentlich mehr Treibstoff als sie verbrauchen, wodurch man ihre Zahl schnell vergrößern kann. Dennoch haben sie einige Probleme: (neben des reaktiven Natriums bei Natriumgekühlten Reaktoren) Für mich ist die Frage der Proliferationssicherheit (also dass das Spaltmaterial nicht für Bombenbau missbraucht wird) von großer Bedeutung. Das Plutonium dass in Schnellen Brütern produziert wird könnte mit vergleichsweise wenig Aufwand zum Bombenbau verwendet werden. Dass ist auch eines der Hauptargumente mit dem man diese Reaktortypen in fast der ganzen westlichen Welt beerdigt hat. Auch wenn man den Reaktor so baut dass aus diesem kein bombenfähiges Material entnommen werden kann, findet sich das Problem wieder bei der Lagerung verbrauchter Brennstäbe und deren Recyclen. Wenn man auf das Recyclen verzichtet, erreicht man die 100% theoretischer Energie nicht, und der Müll (da er noch ungespaltene Transurane enthält) muss 500.000 Jahre gelagert werden. In Ländern wo man die Idee verbrauchte Brennstäbe zu verarbeitet verworfen (oder sogar gesetzlich verboten) hat, hat auch die Weiterführung des Brüterprogramms wenig Sinn gemacht.

Für mich ist die Alternative zum schnellen Brüter, also der Thermische Brüter sehr viel attraktiver.
Ein Thermischer Brüter benutzt langsame Neutronen, wodurch Plutonium als Brennstoff nur noch eine Randbedeutung hat. Mann benutzt also Thorium/U233 oder U235. Da Thorium 4-mal so oft in der Erdkruste vorkommt als natürlicher Uran (also 600-mal so oft wie U235), und in relativ konzentrierten, einfach abbaubaren Erzen vorkommt, ist dies ein Vorteil. Der Nachteil von Thorium/U233 ist dass Uran 233 vergleichsweise wenig Neutronen pro Spaltung produziert. Da größere Verluste von Neutronen nicht akzeptabel waren, kamen auf Feststoffen basierende Brennelemente nicht in Frage. Auch Wasser als Lösemittel war ausgeschlossen, wegen der begrenzten Löslichkeit von Uran, und weil Wassermoleküle durch Radiation in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten wurden.
Letztendlich hatte man die revolutionäre Idee geschmolzene Salze anzuwenden. Geschmolzenes Salz besteht aus ionisierten Partikeln, ist also gegen Einwirkung von ionisierender Strahlung immun, Salz schmilzt in relativ hohen Temperaturen (bei normalem Druck), was perfekt nicht nur für Stromerzeugung, aber auch für einige technische Anwendungen ist (in hohen Temperaturen ist zum Beispiel effiziente Wasserstoffproduktion, effiziente Ammoniakproduktion oder Zementproduktion möglich, alle drei Prozesse sind heute schon, oder werden in Zukunft bedeutende und unvermeidliche Energiefresser sein). Dass besonders Praktische an flüssigen Salzen ist jedoch dass Spaltprodukte viel einfacher zu entfernen sind. Manche, wie zum Beispiel radioaktives Gas Xenon blubbern aus der Schmelze einfach im laufendem Betrieb raus, und können abgesaugt werden. Andere kann man mit vereinfachten Verfahren größtenteils aus der Schmelze entfernen. Wenn man diese Verfahren automatisiert, und in den Kreislauf des Salzes einbaut, kann man so die Salz reinigen, ohne den Reaktor dazu abschalten zu müssen. Dass bedeutet auch dass im Salz zu jeder Zeit nur geringe Mengen an Zerfallsprodukten vorhanden sind, also auch nur eine geringe Menge an Zerfallswärme entsteht.
Da der Brennstoff gleichzeitig auch dass Kühlmittel ist, kann der Reaktorkern ohne Kühlmittel auch keine Wärme produzieren. Um den Reaktorkern zu entleeren hat man eine sehr einfache und 100% effektive Methode entwickelt, den „Freeze Plug“, also einen „gefrorenen Korken“. Der Reaktorkern hat unten ein Loch, dass verschlossen wird indem man es kühlt. Die Salz erfriert um dass Loch herum, und verhindert so dass der Rest der Salzschmelze runter fließt. Fallt der Reaktor überhitzt, oder falls die ganze Anlage Strom verliert, schmilzt der Korken und die Salzschmelze fließt aus dem Reaktor hinaus in spezielle Behälter, die darauf optimiert wurden effizient Wärme abzugeben. Schließlich erstarrt also die Schmelze ohne dass sie aktiv gekühlt werden muss. Wenn dass Problem behoben wurde, wird die Schmelze wieder erhitzt und zurück in den Reaktor gepumpt. Dieses Verfahren hat man im MSR-Reaktor, (der bis Heute die einzige je gebaute Demonstration dieses Reaktor-Konzeptes ist), 5 Jahre lang fast jedes Wochenende demonstriert. Man wollte einfach frei am Wochenende haben... Was die selbe Situation für Leichtwasserreaktoren bedeutet haben wir in Fukushima gesehen.
Auch das Steuern der Reaktorleistung ist einfacher als bei anderen Konzepten. Kernspaltung findet nur im Reaktorkern statt (einziger Ort wo die Neutronen moderiert, also abgebremst werden), und dessen Volumen ist begrenzt. Wenn also die Salzschmelze sich in Folge der Kernspaltungen erhitzt, vergrößert sie auch ihr Volumen. Als Folge fällt die Dichte der Spaltbaren Partikel, und damit auch die Anzahl der Kernspaltungen im Reaktor. Eine klassische Rückkoppelung. Dadurch stabilisiert sich die Temperatur des Reaktors auf einem bestimmten Niveau. Interessanterweise gilt das selbe für die Leistung des Reaktors. Wenn man gerade nicht viel Wärme aus dem Salz durch Wärmetauscher entzieht (zur Stromproduktion, technischen Anwendungen), dann ist auch das Salz, das in den Reaktor einströmt immer noch heiß, und verringert so die Anzahl der Kernspaltungen (die thermische Leistung ist gering); wenn wir mal viel Wärme aus der Salz entziehen ist das Salz das in den Reaktor reinkommt kalt und dicht, und erhöht automatisch die Anzahl der Spaltungen, und so auch die thermische Leistung des Reaktors. Für ein mit Produktionsschwankungen geplagtes Netz könnte solch eine Eigenschaft sehr nützlich sein.
Wenn man die richtige Salzart anwendet hat man auch Vorteile im Falle eines schweren Zwischenfalls. Die meisten Spaltprodukte bilden nämlich stabile Salze, die gern in der Schmelze bleiben anstatt in die Umgebung zu gelangen. So ist es auch bei Fluoridsalzen, die kaum wasserlöslich sind (die dazugehörigen Reaktoren nennt man Flüssigfluoridreaktoren). Ein Teil des Iods und Caesiums würde aber wahrscheinlich trotzdem aus der Schmelze entkommen, also ist auch bei diesem Reaktor ein Containment-Gebäude nötig. Dieses kann aber viel kleiner (billiger) sein, da es nicht absurde Mengen Wasserdampf aushalten muss (und den dadurch entstehenden Druck). Es könnte sogar so klein sein dass das Ganze unter die Erde eingegraben werden könnte. So könnten solche Reaktoren in ein Endlager hinein passen, was die nervigen Castor Transporte aus dem Weg schaffen würde.
Wenn denn dieses Reaktorkonzept so viel versprechend war, und auch tatsächlich gebaut wurde, und nicht nur in den Gedanken verrückter Wissenschaftler existierte, wieso haben wir solche Reaktoren nicht bereits?
Nun ja, leider ist es so, dass in der Kerntechnik Politiker, Militär und Großkonzerne den Ton angeben. Und denen haben einige Eigenschaften dieses Reaktors so gar nicht gefallen.
Alles fing mit dem Militär an. Bereits im Manhattan-Projekt musste man feststellen, das Uran 233 nur sehr schlecht für Atombomben geeignet ist. Die Ursache dafür ist das Uran 233 aus Thorium nicht gebrütet werden kann, ohne dabei Uran 232 herzustellen. Im Reaktor ist das kein Problem, einfach noch ein radioaktives Element, beim Bombenbau ist dass aber ein gigantisches Hindernis. Uran 232 und seine Zerfallsreihe produzieren starke Gammastrahlen. Diese töten den Bombenbauer, beschädigen Steuerelektronik und Sprengstoff, und man kann sie leicht finden (Folge der Strahlungsquelle...). Das Trennen dieser Isotope ist schwieriger als das Anreichern von Natururan, und verseucht nebenbei die teure Isotopentrennungsanlage. Das US-Militär hat's trotzdem versucht, und tatsächlich hochreines Uran 233 hergestellt. Da es nicht genug für eine Bombe war, musste man es mit Waffenfähigem Plutonium strecken, Die Explosion war nicht so groß wie erhofft, aber die Plutonium-Uran 233 Bombe ist explodiert. Trotzdem war der Aufwand so groß, dass US-Militärs es nie wieder probiert haben.
Die niedrige Neutronen-Bilanz verursacht auch, dass man nicht wirklich schnell große Mengen spaltbare Materialien herstellen kann (ein thermische Brüter produziert kaum mehr spaltbares Material als es verbraucht). Um eine große Flotte solcher Reaktoren schnell zu starten müssten also vor allem spaltbare Materialien, die bereits vorhanden sind, verwendet werden: Uran 235 und Plutonium 239. Für den Militär war der Gedanke Materialien, die man einfach in Atombomben einsetzen kann, eins zu eins in Materialien umzuwandeln, die man praktisch zum Bombenbau nicht verwenden kann, nicht wirklich beliebt. Deshalb hat man die Schnellen Brüter favorisiert.
Großkonzerne sind neben dem Bau neuer Kraftwerke vor allem an einem interessiert: an der Brennstoffelement-Herstellung. Diese ist teuer, erfordert technisches „know how“, und Großinvestitionen. Das schreckt Konkurrenz ab, und macht es einfach große Profite zu machen. Wenn man aber im thermischen Brüter Thorium anwendet, muss man dieses bevor es in den Reaktor kommt reinigen und fluorieren... und das war's schon. Konzerne werden nicht in eine Technologie investieren, die niedrigere Profite bedeutet, auch wenn diese viel besser ist.
Politiker haben denkbar wenig Interesse an Kernkraft. Einige gehen sogar mit Kernkraftgegnerischen Parolen auf Wählerjagd. Für solche Parteien ist jedes gelöste Problem der Kernkraft ein Argument weniger mit dem sie auf Wählerjagd gehen könnten. Man probiert sogar neue Probleme zu erzeugen, um neue Argumente zu haben. Ein prima Beispiel dafür ist der Einfluss von Protesten auf die Kosten. Wenn ein großes Kernkraftwerk wegen Protesten geschlossen wird, bedeutet dass manchmal eine Million Verluste täglich, und zwar Tag für Tag... Später werden aber die gestiegenen Kosten als Argument benutzt weiter zu protestieren. Auch Regierungen, die Kernkraft unterstützten, wollten nicht zwei Forschungsprojekte, die ein ähnliches Ziel hatten, aber sich nicht ergänzen konnten. Da die Schnellen Brüter zuerst erforscht wurden, entschied man sich für diese Option.
Auch die fortgeschrittene Regulierung der Kernkraft macht Probleme. Heute bedeutet der Bau eines Leichtwasserreaktors, dass man zuerst um Erlaubnis bitten muss. Der Antrag, den ein Team von ziemlich teuren Spezialisten verfassen muss, hat für gewöhnlich mehr als 10000 Seiten, an jeder Seite wird mehrere Stunden gearbeitet. Dieser Antrag wird dann von einem ähnlichen Team von Spezialisten überprüft, was manchmal fast ein Jahrzehnt dauern kann. (zum Beispiel wurde der Antrag für die Lizenzierung des Westinghouse AP-1000 bereits 2002 gestellt, die Lizenz wurde aber erst November 2011 erteilt)
Dass ist der Fall für Modelle die dem Regulierenden bekannt sind. Es gibt klare Richtlinien, Vorschriften, und Erfahrungen. Wenn man aber ein exotisches Modell lizenzieren will, dass kaum je gebaut wurde, dass keine Steuerstäbe braucht, und bei dem der Notfallplan ist: „Kühlung abschalten“... Mann kann sich auf sehr viele, sehr zeitaufwendige Probleme gefasst machen. Ohne politischen Willen die Lizensierungsverfahren zu verkürzen ist es kaum durchführbar.
Glücklicherweise sind nicht in allen Ländern die Politiker und Behörden so unkooperativ. In Tschechien soll also dieses Jahr der Bau des ersten Flüssigsalzreaktor seit 1969 anfangen. Dieser 60 MW Reaktor soll voraussichtlich 2016 ans Netz. Auch China will mit dabei sein im Rennen um die besseren Reaktoren. So wurde Januar 2011 bekanntgegeben, das China ein auf Flüssigsalzreaktoren basierendes, mit etwa 1 Mrd. Dollar finanziertes Forschungsprojekt startet, das innerhalb von 20 Jahren Flüssigsalzreaktoren für die Massenproduktion bereit machen soll. Auch in Japan, Frankreich und USA gibt es Forschungsprojekte mit Flüssigsalzreaktoren, leider sind diese nicht besonders gut finanziert.

Der Gastbeitrag wurde ziemlich lang, aber das Thema ist auch umfangreich... Nach jahrzehntelangem Stillstand gibt es wieder Bewegung in der Kernkraft. Alte Konzepte und Geschäftsmodelle werden mit neuen Ideen konfrontiert, darunter auch komplett neue Konzepte wie die von einen Teilchenbeschleuniger, der einen Reaktor antreibt (werde den nicht näher erklären, der Text ist schon lang genug...). Die Renaissance kommt, sie wird aber wahrscheinlich nicht so aussehen, wie sich das die Großkonzerne der Atomlobby wünschen würden. Was eigentlich eine gute Nachricht ist, für uns.

Noch ein paar links am Schluss:



Heutige Erneuerbare und Kernreaktoren im Vergleich, Materialverbrauch. Man bedenke das wir in Deutschland Photovoltaik-Anlagen installieren die nicht 40%, sondern zwischen 10% und 20% der Sonnenenergie einfangen. http://bravenewclimate.com/2009/10/18/tcase4/
Wer gern mit Zahlen rumspielt, oder zumindest gerne liest wie andere es tun ein interessanter Blog über verschiedene Energieoptionen, wo man z.B. nachsehen kann, wie groß eine Batterie sein müsste, die Energie in den USA für eine Woche speichert. http://physics.ucsd.edu/do-the-math/
Kernkraft in China und Indien : http://www.world-nuclear.org/info/inf53.html http://www.world-nuclear.org/info/inf63.html die Chinesen wollen tatsächlich 400 Reaktoren bis 2050 haben...
Mal was auf Deutsch, deutsche Spezialisten über Atommülllagerung und alles drum und dran http://www.kerngedanken.de/
Und zum Schluss mein Liebling, der Flüssigsalzreaktor.
Zwei kurze Präsentationen zweier verschiedener Reaktoren dieses Typs... http://www.kerngedanken.de/2011/11/radioaktive-sandwiches-und-geschmolzenes-salz/
Ein längerer Film. Der Titel ist etwas irreführend, 5 Minuten dauert die Zusammenfassung am Anfang, der Rest dauert fast zwei Stunden... und jede Minute lohnt sich. http://www.youtube.com/watch?v=P9M__yYbsZ4
Die chinesischen und tschechischen Forschungsprojekte: http://energyfromthorium.com/2011/01/30/china-initiates-tmsr/

Gastbeitrag von Kroll Lukasz
e-mail auf nachfrage.

17 Kommentare:

Ace Kaiser hat gesagt…

Noch keine Kommentare, das ist schade, aber immerhin wurde der Artikel bis jetzt einunddreißig Mal aufgerufen. Nicht schlecht für die ersten sechs Stunden.

Anonym hat gesagt…

Könnte auch sein dass die Leute den Beitrag nicht zur ende lesen, ist immerhin nen Haufen Buchstaben auf einmal...

MFG Kroll

Stinkstiefel hat gesagt…

Dann bringe ich einen Kommentar ein.
Nur wüsste ich nicht zu was ich mich äußern sollte. Er ist interessant und informativ.

Ace Kaiser hat gesagt…

Kroll: Glaube ich nicht. Ich schreibe ja öfters lange Beiträge. ^^
Und ein paar lesen immer bis zum Ende.

Ace Kaiser hat gesagt…

Stinkstiefel: Interessant und informativ ist die Aussage. Dafür lohnt sich Dein Kommentar doch schon.

Stinkstiefel hat gesagt…

Ich finde ja die Thermischen Brüter besonders interessant und es verdeutlicht doch auch wie lange sich doch die entsprechende Konzerne auf alter Forschungsarbeit ausgeruht haben.

Ace Kaiser hat gesagt…

Oder wie Kroll meinte: Wie lange die ausgelaugte Kuh gemolken wurde.

Nathan hat gesagt…

Sehr interessant
vor allem da ich viele der beschriebenen tatsachen, so noch nie zu lesen bekam...was wahrscheinlich auf die mehrzahl der deutschen zutreffen dürfte.

Ace Kaiser hat gesagt…

Das sollte man in Großbuchstaben schreiben. ^^

Anonym hat gesagt…

Wie Ich schon geschrieben habe, die Deutschen Medien informieren ziemlich einseitig wenn es um Atomkraft geht. Die Aufgabe von Berichterstattungen in den Medien ist es nicht den Verbraucher zu informieren, sondern möglichst hohe Quoten zu erreichen. Und dass geht am einfachsten indem man den Leser (Zuschauer) so erschreckt, dass er sich in die Hosen macht, und denkt sein Leben würde davon abhangen ob er den nächsten Bericht hört oder nicht.
Dazu ein Zitat aus "The Fear Factor", einer Kurzdoku zur Fukushima Katastrophe: "I know of journalist, who were taken off this story, because what they were writing was too mesured"
http://www.youtube.com/watch?v=OVQ0NvEcyqw
Wenn so etwas in den Britischen Medien los war, die relativ Kernkraft Freundlich sind, was musste dann in den Deutschen Medien los sein...

MFG Kroll

Ace Kaiser hat gesagt…

Ich denke, wir sind uns einig, dass sinnvolle, positive Berichterstattung über Generation IV-Kraftwerke und die Tatsache, dass die Russen sie bald schlüsselfertig in Serie produzieren können - gerade unter dem Aspekt, dass sie kaum strahlenden Müll produzieren, sondern im Gegenteil Atommüll verbrennen, von der notwendigen und richtigen Kritik gegenüber der derzeitigen Wirtschaft aus Generation III-Kraftwerken überschattet wird.

Quentin Quencher hat gesagt…

Danke für diesen ausführlichen Text. Im Zukunftsdialog der Bundeskanzlerin wurde auch dieser Reaktortyp vorgestellt: Thorium als Energiequelle

Ace Kaiser hat gesagt…

Danke für den Link. Flüssigsalzreaktoren haben wir auch schon vorgestellt.
Ist es nicht furchtbar erbärmlich, das wir vielleicht schon dreißig Jahre oder länger einen sicheren Reaktortyp haben könnten, der aber auf dem Altar waffenfähiger Spaltprodukte geopfert wurde?

Quentin Quencher hat gesagt…

Im Kontext des "Kalten Krieges" haben die herkömmlichen Kernreaktoren ja durchaus einen Sinn gehabt, ob man die Mutually Assured Destruction nun gut findet oder nicht, Tatsache ist, dass diese Doktrin die Politik bestimmt hatte. Demzufolge hatte, wie im Beitrag gut beschrieben, die Gewinnung von kernwaffenfähigen Material eine hohe Priorität. Doch spätestens mit dem Ende des "Kalten Krieges" war das wohl nicht mehr so. Doch inzwischen wurde um die herkömmliche Kerntechnik eine Wertschöpfungskette aufgebaut, die man nicht aufgeben wollte. Das ist aus Sicht der Wirtschaft auch nachvollziehbar.

Jetzt bezeichnete man es eben als Brückentechnologie hin zu einer Zukunft mit der Kernfusion. Damit gab man sich über lange Jahre zufrieden und das ist das eigentliche Drama. Alternativen wurden nicht in Betracht gezogen und dieses Versagen muss man wohl zu gleichen Teilen der Politik und der Wirtschaft zuschreiben. Und leider ist das immer noch so, zumindest in Deutschland. Peter Heller schrieb dazu in NovoArgumente:
"Deutschland ist das Tal der Ahnungslosen in einer Welt im Aufbruch. Der Thorium-Flüssigsalzreaktor ist in Wahrheit nur eines von sechs fortgeschrittenen, völlig neuen Reaktorkonzepten, die im Rahmen eines internationalen Forschungsverbundes, des „Generation IV International Forums“, entwickelt werden. Von den führenden Industrienationen fehlt in diesem Projekt nur eine, Deutschland."

Ace Kaiser hat gesagt…

Seit Ende des Kalten Krieges sind ja schon zwanzig Jahre vergangen, und der erste Versuch eines Ausstiegs wurde ja von Mama Merkel grandios vereitelt - zum Preis, dass sie nur ein knappes Jahr später in genau die Fallstricke stolpern musste, die sie selbst gestellt hatte.
Der "Kontext des Kalten Krieges" ist auch der Kontext der Unfähigkeit zu begreifen, dass man nicht möglichst viele, sondern nur genügend Atomwaffen zur nuklearen Abschreckung braucht. Man kann die Politik also durchaus für die überzogene Förderung von Druckwasserreaktoren tadeln, weil es für sie militärisch sinnvoll schien. Maßlos ist es allemal.

Die wirtschaftlichen Interessen, die hier eine Rolle spielen, liegen vor allem in der Förderung der - ich nenne sie mal Spaltkraftwerke. Wenn so arg um Plutonium gesubventioniert wird, ist es natürlich ein Riesengeschäft für die KKW-Lobby, und das Riesengeschäft kann von Offshore-Windparks natürlich nicht erbracht werden. Sie werden nicht übersubventioniert, und es entsteht kein waffenfähiges Plutonium.
Was schließlich zur Faustformel führt: Ein KKW-Betreiber erwirtschaftet mit einem abgeschriebenen, voll laufenden Kernkraftwerksblock pro Jahr einen Gewinn von einer Milliarde Euro. Kein Wunder, dass die Kernkraftlobby um jedes Betriebsjahr kämpft, ungeachtet der Tatsache, dass noch mehr Müll produziert wird, der nicht endgelagert werden kann...

Peter Heller kann man nur zustimmen. Das Schlimme dabei ist, dass wir das Plutonium, das in deutschen KKW gewonnen wird, nicht einmal für eigene Bomben gebraucht wird, sondern nach Frankreich geht. Wir sind also in vielerlei Hinsicht das Land der Ahnungslosen. Und im Anbetracht der Tatsache, dass in etwa der Anteil an Strom "exportiert" wird, den KKW's in Deutschland gegenwärtig produzieren, eventuell auch das Land der Dummen.

Fazit: Flüssigsalzreaktoren gerne, würde auch in das dezentrale Versorungskonzept passen, dem die Zukunft gehört, und das den Ausbau der Großtrassen unnötig machen würde. Druckwasserreaktoren und deren Atommüll bitte nein.

Anonym hat gesagt…

tja, der kalte Krieg und Militär sind nicht die Alleinverantwortlichen für das beerdigen des Flüssigsalzreaktors (und aller 4 gen Reaktoren, die ja auch schon vor Jahrzehnten demonstriert wurden). Die Ganze Industrie die um den Leichtwasserreaktor entstand hatte viel mehr Einfluss auf die Technologieentwicklung im zivilem bereich als das Militär. An dem Scheitern des Flüssigsalzreaktors war auch vor allem der Schneller Brüter verantwortlich. Man fing früher an in diese Technologie zu investieren, und investierte auch viel mehr. Um diesen Reaktor bildete sich eine große, Milliardenschwere Industrie, die keine Konkurrenz im brüterbereich leiden konnte. Schließlich haben aber auch Politiker viel schaden angerichtet... Das am weitesten fortgeschrittene Forschungsprojekt zur Verarbeitung von Atommüll (um Plutonium für schnelle Reaktoren zu gewinnen) wurde 1976 von President Ford einfach verboten. Niemand wollte danach Milliarden in eine Technologie investieren, die von Politikern einfach so über Nacht für illegal erklärt werden konnte, auch außerhalb von USA.
Manche vermuten auch, dass die Konkurrenz die Finger im Spiel hatte. Immerhin waren Politiker, die Nukleare Forschungsprogramme beerdigt haben, (und gegen Atomkraft kämpften) auffällig oft mit den Produzenten von öl, Kohle und Gas befreundet... Die auch im Endeffekt der Große Sieger dieses Kernkraft gegen Kernkraft Konfliktes wurden.

MFG Kroll

Ace Kaiser hat gesagt…

Und sicherstellte, dass weiterhin militärisch nutzbares Plutonium produziert wurde. Man war ja im Kalten Krieg.