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Dienstag, 7. Februar 2012

Die Concordia-Havarie und Kapitän Schettino

So, jetzt ist es also raus. Der Blick berichtet online davon, dass die italienische Staatsanwaltschaft die Anklagepunkte aufgestellt hat, die Kapitän Schettino für die Havarie der Costa Concordia drohen. Er weiß auch zu berichten, dass die italienische Zeitschrift Il Messaggerio mal ausgerechnet hat, was da als Strafe auf ihn zukommt, und das sind 2678 Jahre Haft.
Der Blick ist dann auch nicht kleinlich, und betitelt Schettino als den "Lügenkapitän".
Und auf Gmx.de/Web.de weiß man, dass der Kapitän wieder in den Knast soll, weil der Staatsanwalt befürchtet, es könnten Beweise vernichtet werden.
...sacken lassen.

Ich möchte jetzt nicht noch mal detailliert auf das geheimnisvolle Riff eingehen, auf den Vorwurf, der Kapitän wäre zu nahe an der Vulkaninsel Giglio vorbei gefahren, oder an die Operetten, die die Medien und stellvertretende Bürgermeister drehen. Ich möchte meine Pro-Position für Schettino auch nicht mehr verteidigen als bisher.
Ich will auch nicht auf die Toten eingehen, die Vermissten und die traumatisierten Überlebenden. Nein, das ist vielleicht Thema für einen anderen Blogeintrag.
Heute möchte ich den deutschsprachigen Medien nur ein paar Details in Erinnerung rufen, die sie augenscheinlich vergessen haben:
1) Das Gericht, bzw. die Staatsanwaltschaft muss Kapitän Schettino seine Schuld beweisen, nicht er vor Gericht seine Unschuld.

2) Die 2678 Jahre stehen für den Fall, dass er in jedem einzelnen Anklagepunkt nicht nur schuldig gesprochen, sondern auch zur Höchststrafe verurteilt wird.
3) Als das Schwesternschiff wenige Tage nach der Havarie an Giglio Porto vorbei paradierte, wo war da Euer Protest? Es war das gleiche Manöver wie jenes der Concordia.
4) Es ist die italienische Justiz, die über Schuld oder Unschuld und ein eventuelles Strafmaß entscheidet, nicht Ihr Medien.
5) Spekulationen über den Havarieverlauf vor der offiziellen Untersuchung sind und bleiben Spekulationen. Nicht mehr.
6) Und noch einmal in voller Klarheit und Deutlichkeit: Als Kapitän trägt Francesco Schettino die volle und alleinige Verantwortung für die Havarie, für die Evakuierung und für die Toten. Dafür muss und wird er sich vor Gericht verantworten. Aber das kann man nicht automatisch mit Schuld gleichstellen.

Zum Schluss bleibt mir nur noch festzustellen, dass etliche konstruierte "Beweise" aus den Medien Luftblasen waren, so wie die blonde Frau, die auf der Brücke war und den Kapitän abgelenkt hat, sodass die Havarie passierte - also ihn und die anderen zwanzig Mann auf der Brücke inklusive Steuermann. Oder eben diese tolle Idee, die Concordia wäre "zu nahe heran" gefahren, an die Vulkaninsel Giglio, die schon wenige Dutzend Meter von der Küste entfernt fünfzig Meter Wasertiefe umgibt. Wahrer werden solche Gebilde nicht. Aber sie heizen natürlich die Stimmung zum medialen Opfer entsprechend an. Jenseits von der Suche nach der Wahrheit und der Schuld.
Etwas, was durchaus im Interesse der Reederei liegt. Kann man Kapitän Schettino die Alleinschuld verpassen, ist sie fein raus. Und das kann ich sogar wertfrei so stehen lassen.

8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich habe zwischenzeitlich mal mit einem Veteranen der christlichen Seefahrt gesprochen (meinem Patenonkel, der als Technischer Offizier zur See gefahren ist und teilweise auch noch heute fährt).

Seine Aussage war in etwa: Er könne sich kaum vorstellen, dass es im Mittelmeer soetwas wie ein nicht verzeichnetes Riff gäbe, dass Mittelmeer sei an und für sich zu gut kartographiert.

MfG
Cunny

Ace Kaiser hat gesagt…

Warum also sollte ein erfahrener Kapitän freiwillig über ein Riff fahren? Versicherungsbetrug? Oder doch ein Fehler im Navi-System?

Anonym hat gesagt…

Mir fallen da durchaus Gründe ein.
Das kaputte Navi ist da nicht der erste und nicht der letzte.

Kapitän: "Näher ran, wir müssten meiner Beglei... ähm den Gästen was bieten!"
Wachoffizier: "Aber El Capitano, da ist ein Riff..."
Kapitän: "Schnauze Ignation, ich bin hier schon tausend mal gefahren, ich kenn' mich hier aus, NÄHER RAN!"

MfG
L. Cunningham

Ace Kaiser hat gesagt…

Näher ran woran, Lucas? Giglio ist eine Vulkan-Insel, ein Schichtvulkan, will ich mal behaupten. Die Küste fällt steil ab. Theoretisch hätte die Concordia nur zehn Meter weiter von der Stelle paradieren können, an der sie sichauf die Seite gelegt hat. Näher ran ist also ein schlechtes Argument. Und auch nicht nötig. Ein Video, das die paradierende Concordia zu einem früheren Termin zeigte, bildete sie ab, als sie ein bis zwei Kilometer entfernt war. In eindrucksvoller Größe.
Dass er nun diesmal auf ein Riff aufgelaufen ist - mir ist neu, dass die Navigationssoftware kaputt gewesen sein soll, ich kenne nur die Variante, in der das Riff nicht verzeichnet war - ist für mich nach wie vor nicht mutwillig erfolgt und auch nicht auf Leichtsinn zurück zu führen.
Aber ich werde für ein abschließendes Urteil auf den Untersuchungsbericht und das Gerichtsurteil warten.
Wenn ich mich in der Zeit über die mediale Lynchjustiz aufrege und die Art, wie die Reederei einen ihrer Kapitäne behandelt, dann liegt das freilich an meiner Sicht der Dinge. Und mal ganz ehrlich: Nach all dem Quatsch, der schon behauptet wurde, wer soll denn da überhaupt noch glauben, dass Schettino überhaupt der Kapitän war? Ich bin der Vorverurteilungen, der Gerüchte und der Verleumdungen einfach leid.

Anonym hat gesagt…

Ich Zitiere:

"Die auf der Route liegende Insel Giglio sollte sehr dicht unter der Ostküste passiert werden. Nach Berichten von Passagieren und den Daten des Automatischen Identifikationssystems (AIS) kollidierte das Schiff nach einem Kursänderungsmanöver gegen 21:45 Uhr mit einem vorgelagerten Felsen;[10][11][12] der Voyage Data Recorder (VDR) des Schiffs registrierte den Kollisionszeitpunkt mit 21:45 Uhr und 5 Sekunden.[13] Als Kollisionspunkt wird ein Felsen auf der Position 42° 21′ 20″ N, 10° 55′ 50″ O genannt, der dem Riff Le Scole vorgelagert ist.[14][15] Le Scole befindet sich knapp südlich des Ortes Giglio Porto in unmittelbarer Landnähe, siehe auch das Bild rechts unten.[16] Am 16. Januar suchten Taucher der Carabinieri nach der Kollisionsstelle. An einem Felsen, der der Insel Scola piccola vorgelagert ist, fanden und fotografierten sie in ca. 8 Metern Tiefe Blechstreifen sowie Schleifspuren. Dieser Punkt ist etwa 95 Meter von der Küstenlinie entfernt."

@Näher ran: AN die Küste, den Schichtvulkan, what ever.

Letztlich sind wir beide uns zumindest einig, dass das Schiff mit etwas kollidiert ist.

Ich werfe dem Mann ja nichtmal vor, dass sich da ein Unfall ereignet hat, denn Unfäll passieren über all da wo Menschen beteiligt sind warum auch immer.

Was ich dem Herren Kapitän vorwerfen, auch wenn er nur ein besserer Hotelmanager ist, dass solange das Schiff nicht innerhalb von 5 Minuten untergeht und nichts mehr zu retten ist, so hat er alles in seiner Macht stehende zu tun, die ihm anvertrauten Passagiere und natürlich seine Besatzung zu retten.
Und wenn er sich quasi feige als erster in ein Rettungsboot verdrückt, tja, dann gehört er nach guter alter Seemannssitte einmal durch die Flotte geprügelt und ja, damit meine ich 24 Peitschenhiebe auf jeden Schiff der Costas Flotte.

MfG
L. Cunningham

Ace Kaiser hat gesagt…

Also ist er am bekannten Riff vorbei gefahren, und hat ein Vorriff gestreift, das in acht Meter Wassertiefe liegt? Okay, jetzt wird es kompliziert. Ein grund mehr, die Sache der Untersuchungskommission zu überlassen..
Was den Kapitän und seine Verantwortung seinen Passagieren angeht, so weigere ich mich, ein einziges Gerücht in den Medien zu glauben - sie haben sich bisher alle als haltlos erwiesen. Auch hier warte ich auf den Bericht der Kommission.
Und wir sind uns nicht nur einig, dass er auf "etwas" draufgefahren ist. Wir sind uns auch einig, dass er, wenn er das Schiff in vollem Bewusstsein verlassen hat, ohne alles für seine Passagiere getan zu haben, dafür im besonderen Maße verantwortlich zu machen ist.
Ich hoffe, Du stimmst mir dann auch zu, dass, wenn die Vorwürfe haltlos sind und er freigesprochen werden sollte, das Thema als schlimmen Unfall abzuhaken, und nicht auf das Geheul der Medien zu hören, die Schettino und das Gericht dann noch mal durchs Fegefeuer jagen.

Anonym hat gesagt…

Wenn die Vorwürfe haltlos sind, dann sollte man die Medien wegen Rufmordes verklagen, denn selbst wenn er von allen Anklagen frei gesprochen wird, seine Laufbahn ist ja sowas von zu ende.

Sowie ein öffentliche Entschuldigung der entsprechenden Zeitungen und Fernsehsender...

MfG
L. Cunningham

Ace Kaiser hat gesagt…

Gut, dann sind wir in allen Punkten einer Meinung.