Gerade während ich diese Zeilen schreibe, läuft im Fernsehen die Vereidigungsfeier von Barry Obama zu seiner zweiten Amtszeit. Der große öffentliche Auftritt ist bis ins Kleinste inszeniert und die Musik, die live gemacht wird, erinnert an große Kinofilme, Saalfüllende Klassiker. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das dem Amt des US-Präsidenten wirklich angemessen ist, aber die Amerikaner stehen halt drauf. Also nochmal vier Jahre Barry. Ich hoffe, der Gute kann noch was reißen und stellt rechtzeitig seinen Nachfolger vor. Den können die Demokraten gar nicht früh genug aufbauen. (Und es wird hoffentlich nicht Hillary Clinton.)
Zu seiner Politik und dergleichen habe ich schon viele Kommentare geschrieben und werde es in Zukunft wohl auch tun. Außerdem bin ich ihm gegenüber recht wohlwollend gestimmt, obwohl er nicht mal mein Präsident ist. Aber, und das ist der springende Punkt, sollten wir eines nie vergessen: Verbündeter, Freund, Nachbar (im übertragenen und im ideologischen Sinne), alles schön und gut, aber er ist Präsident der USA. Und das ist auch gut so. Schauen wir Deutschen und Europäer also zu, dass wir möglichst gut dabei wegkommen, wenn wir mit ihm zu tun haben. Bisher lief das gut. Und sobald er die Raketenabwehrbasen in Polen gestrichen hat, werde ich erleichtert aufseufzen.
Aber zurück von der Konfettiparade in die triste, graue Wirklichkeit. Kommen wir nach Niedersachsen. Als SPD-Mann habe ich nicht wirklich an das "Herzschlag-Finale" geglaubt. Ich dachte wirklich, Rot/Grün hätte einen soliden Vorsprung. Und dann wurde es nach den ersten Prognosen, den Hochrechnungen, noch mal fett spannend. Nur nach und nach verschob sich die Waagschale fort von Schwarz/Gelb hin zu Rot/Grün. Jetzt ist es genau ein Sitz im neuen Parlament der Niedersachsen, die meine Partei und die Grünen in der Mehrheit sind. Aber hey, das sind sie ja spätestens seit der zweiten Amtszeit von Gerd Schröder gewohnt, wo es eine fast gleiche Situation gab. Darum mache ich mir keine Sorgen. Aber wichtig ist einfach, dass der Nachrücker David McAllister eben nicht bestätigt wurde. Da nützte auch die Zweitstimmenkampagne der FDP nicht mehr, die übrigens recht klug angelegt war. Die rund fünf Prozent, die die FDP dadurch gewonnen hat, waren gut investiert. Denn hätten die CDU-Wähler, die mit Zweitstimme FDP gewählt haben, stattdessen CDU gewählt, wäre sie bei rund einundvierzig Prozent gelandet - und die FDP wäre eventuell nicht ins Parlament gekommen, was ihre maximal 4,9 Prozent defacto verbrannt und den Wahlsieg von Rot/Grün zementiert hätte. Tja. Hat dann leider doch nicht gereicht. Aber meine Schadenfreude hält sich in Grenzen.
Ob dem guten McAllister klar ist, dass er nun in Merkels Fokus ist? Und wir wissen doch alle, was mit jenen passiert, die in der CDU Führungsstärke beweisen. Der McAllister soll mal schön drauf aufpassen, dass er nicht neuer Bundespräsident wird, oder irgendetwas anderes, wohin Merkel all jene Spitzenleute der CDU abschiebt, die sie ablösen könnten. Er ist zwar nur ein CDU-Mann, aber schade wäre es trotzdem, wenn er sang-, und klanglos unter Dino-Merkels Sohlen verschwindet...
Na, Schwamm drüber. Wir haben gewonnen, und damit geht es hoffentlich als Erstes den Studiengebühren an den Kragen, womit endlich auch wieder nichtprivilegierte Menschen in Niedersachsen leichter studieren können. Weitere Projekte werden bald folgen.
Was uns aber zu Thema Nummer drei bringt: Die Piraten. Die waren nicht erfolgreich. Dabei hätten sie durchaus jede Stimme verdient gehabt, die die FDP überhaupt bekommen hat.
Und wenn ich gerade dabei bin: Warum hat die Presse nichts eiligeres zu tun, als die Piraten ab sofort in die Bedeutungslosigkeit zu schieben und "ihr Ende" herbeizuschreiben?
Liebe Presselandschaft, Du hast eindrucksvoll Deine Macht gezeigt, indem Du die Piraten so gut es ging schlechtgeschrieben und möglichst jeden noch so kleinen Patzer beschrieben hast, der den Piraten unterlief oder beinahe unterlaufen wäre. Und Du warst Dir auch nicht zu schade, das Image der Piraten an Marina Weisband anzuheften, gerade weil diese sich erst einmal auf ihr Studium konzentrieren will. Weisie weg, Piraten weg, ist vielleicht eine etwas zu optimistische Idee. Nur leider ist es mit dem "runterschreiben", liebe Presselandschaft, wie mit der BLÖD: Das klappt halt nicht immer. Und es war hoffentlich eine große Lernerfahrung für die Piraten selbst. Vor allem darin, sich wieder mehr selbst zu präsentieren und verstärkt auf das Internet zu setzen, und einen Scheiß drauf zu geben, was in den gedruckten Nachrichten über sie steht. Im Gegensatz zu Dir, liebe Presselandschaft, sehe ich eine Wahl, bei der sie nicht erdrutschartig zweistellige Prozentzahlen bekommt, nicht auch automatisch als Ende der Piratenpartei an. Im Gegenteil: Ab und an ein Nasenstüber härtet ab. Und man lernt daraus, sich zu ducken. Wir werden sehen, wie sich die Piraten bei der Bundestagswahl schlagen. Und vergiss nicht, liebe Presselandschaft: Im Gegensatz zur FDP, die das nur von sich behauptet, haben die Piraten aktiv gegen ACTA gekämpft und ACTA verhindert.
Das ist nämlich das große Problem, das wir in Deutschland haben: Die FDP. Dieser Möchtegern-freiheitliche Dinosaurier hat mit liberal nichts mehr zu tun. Das ist uns allen klar, seit die FDP am Abend der letzten Bundestagswahl nichts eiligeres zu tun hatte, als den Hoteliers Deutschland ein Steuergeschenk zu machen. Die Piraten hingegen stellen sich klar auf Seite der Privatsphäre und gegen den gläsernen Menschen in der öffentlichen Datenlandschaft. Wir brauchen dringend Freiheitsverteidiger, die die etablierten Parteien immer daran erinnern, dass wir diese Freiheit brauchen und dass sie täglich bedroht ist. Nicht zuletzt wegen diverser Parteien mit einem C oder einem F vor dem Namen. Wir brauchen ein Gewissen. Warum nicht eines aus jungen Leuten, die nebenbei wissen, was man mit dem Internet alles anfangen kann, anstatt sich davor zu fürchten?
Nein, die Piraten sind noch lange nicht erledigt. Und ein zweites Mal klappt Kleinschreiben nicht mehr, liebe Presselandschaft. Du wirst schon sehen.
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