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Dienstag, 11. Oktober 2011

Homöopathie vereinnahmt - eine Untersuchung der Traumeel Salbe durch einen Laien.

Liebe XXX,

da Du dem Produkt Traumeel Salbe so vertraust, habe ich mich hingesetzt, und einmal die Zusammensetzung untersucht. Sicher, es steht homöopathisch drauf, aber mein Fazit ist schon jetzt: der homöopathische Aspekt ist nicht der heilende Aspekt.

Traumeel Salbe, in fünfzig Gramm und hundert Gramm erhältlich. Was sind die essentiellen Bestandteile? In einer Hundert Gramm-Salbe sind 3,405g naturpflanzliche Produkte in verschiedenen Dosierungen. Einige davon sind homöopathisch verdünnt, andere sind in geringen Mengen pur hinzu gefügt. Nun haben die "homöopathischen" Bestandteile der Salbe einen Anteil von nicht ganz dreieinhalb Prozent; aber das macht ja nichts, weil die Verdünnung ja einer der essentiellen Bestandteile der Homöopathie ist. Oder sein soll. Oder beides.

Gehen wir zuerst einmal auf die Hauptbestandteile ein: Emulgierender Cetylstearylalkohol, dickflüssiges Paraffin, weißes Vaseline, gereinigtes Wasser, Ethanol 96,7Vol.-%
Der emulgierende Cetylstearylalkohol ist ein Emulgator, d. h. er sorgt dafür, das sich die anderen Komponenten vermischen.
Dann haben wir dickflüssiges Paraffin. Paraffin, oder auch Bienenwachs genannt, ist ein klassisches Hautpflegemittel.
Nun folgt weiße Vaseline, einerseits als Gleitmittel bekannt, aber wesentlich öfter zur Hautpflege eingesetzt.
Gereinigtes Wasser kommt als Nächstes. Darunter kann ich mir nichts vorstellen; entweder kommt hier irgendeine homöopathische Legende zum Einsatz, oder wir haben es mit destilliertem, d.h. reinem Wasser zu tun.
Zum Schluss Ethanol, und zwar in höchstmöglicher Konzentration. Alles zusammen ergibt über sechundneunzig Prozent Deiner Creme. Wenn ich mir die Hauptbestandteile Paraffin und Vaseline so ansehe, erkenne ich, dass Du es hier von vorne herein mit einem recht simplen, aber darum vielleicht gerade wirksamen Hautpflegepräparat zu tun hast.

Aber kommen wir zum nächsten Schritt. Gehen wir auf die homöopathischen Bestandteile ein.
Hauptbestandteil vom Rest sind 1,5g Arnica Montana, der Arnika, in der homöopathischen Dosierung D3, also eins zu tausend. Wikipedia erklärt diese Dosierung so: Ein Tropfen Lösung auf die Wassermenge aus zwei Schnapsgläsern. Für homöopathische Begriffe eine unglaublich hohe Dosierung. Umgerechnet auf die zwei Schnapsgläser und die 1,5 g Anteil haben wir hier aber schon eine erhebliche Verdünnung. Von dem Wasser, in dem ein Tropfen Tinktur verdünnt wurde, schaffen es ja nur 1,5 g in die Creme. Dennoch ist das in einem Bereich, in dem der Wirkstoff noch nachgewiesen werden kann, sprich selbst wirkt.
Arnika indes ist als Heilpflanze bekannt. Wikipedia weiß dazu zu sagen: "Heutzutage wird Arnika zur äußeren Anwendung bei Verletzungen und bei rheumatischen Muskel- und Gelenkbeschwerden verwendet. Die Anwendung ist dabei zugelassen und klinisch belegt."
Wir haben hier also als homöopathischen Hauptbestandteil eine Heilpflanze, dessen Wirkung bei Gelenkbeschwerden nachgewiesen ist. Wenn auch in einer geringen Dosierung.
Die beiden nächsthöchstdosierten Stoffe sind Calendula Officinalis, auch als Ringelblume bekannt, und Hamamelis virginiana, Zaubernuss genannt. Beide sind mit 0,45g vertreten und sind als Urt. gekennzeichnet. Mangels näherer Definition muss ich davon ausgehen, dass sie unverdünnt sind, und damit eigentlich stärker dosiert als die Arnika.
Die Ringelblume gilt als entzündungshemmend und wird als Arznei vertrieben.
Die Zaubernuss ist ebenfalls ein Entzündungshemmer. Darüber hinaus mindert ihre Anwendung den Juckreiz.
Die nächsten beiden, unverdünnten Bestandteile sind mit je einem Anteil von 0,15g auf die ganze Salbe: Echinacea angustifolia, der schmalblättrige Sonnenhut, und die Echinacea purpurea, der purpurne Sonnenhut.
Zur E. Angustifolia weiß die Wikipedia zu berichten, dass sie präventiv gegen Erkältungen und zur Wundheilung eingesetzt wird. Zur E. Purpurea fand ich leider keinen Artikel. Aber da sich beide Pflanzen vor allem dadurch unterscheiden, dass die A. eine Pfahlwurzel hat, und die P. als einziger Sonnenhut nicht, werden die Wirkungen nicht so unterschiedlich groß sein.

Die restlichen Dosierungen erspare ich mir. Ich würde wahrscheinlich noch weitere Naturheilprodukte entdecken, die in immer verschwindend geringerer Form enthalten sind.
Was also haben wir hier? Ein Hautpflegeprodukt, das aus Paraffin und Vaseline besteht, dementsprechend auch gut für die Haut ist. Die Hauptbestandteile Arnika, Ringelblume und Zaubernuss werden in der Naturheilkunde als Heilmittel bei Entzündungen, Rheuma und Gelenkschmerzen eingesetzt, Zaubernuss zudem gegen Juckreiz. Die beiden Sonnenhüte fördern die Wundheilung.
Ich bin kein Experte, aber ich denke, dass die Dosierung, in der diese fünf Komponenten in der Salbe vertreten sind, gerade so noch im wirksamen Bereich liegt.
Mein Fazit: Das macht die Salbe aber leider nicht zu einem homöopathischen Produkt, aber durchaus zu einem guten Naturheilprodukt.

Ich werde Dir jetzt erklären, warum es sich hierbei um kein homöopatisches Produkt handelt, warum also nur Homöopathie drauf steht.
Das Prinzip der Homöopathie seit Hahnemann ist es, dass "Gleiches mit Gleichem" bekämpft wird.
Das bedeutet ganz genau, nicht ungefähr und gewiss nicht vielleicht, dass die fünf Hauptbestandteile der Salbe, von einem Gesunden eingenommen, die Symptome hervor rufen, die sie bekämpfen. D.h. Die Arnika müsste dann, bei einem Gesunden therapiert, Rheuma-Symptome und Gelenkschmerzen auslösen.
Die Ringelblume würde Entzündungen verursachen, und die Zaubernuss darüber hinaus einen unangenehme Juckreiz.
Die beiden Sonnenhüte würden dementsprechend Rötungen, vielleicht auch Schmerzen verursachen.
Diese Wirkung dieser Heilpflanzen ist aber nicht bekannt; nur Homöopathen würden versuchen, einem Menschen mit Hautausschlag etwas Hautausschlagverursachendes zu verabreichen. Für alle anderen sind Arnika und Co. Heilpflanzen, die, richtig eingenommen und richtig dosiert, heilend wirken. Würde die Arnika z.B. Rheuma-Symptome hervorrufen, würde sie in der Naturheilkunde nicht gegen Rheuma eingesetzt werden. Da sie weitaus länger bekannt ist, als es Hahnemanns Homöopathie gibt, nehme ich nicht zu Unrecht an, dass eine solche Wirkung der Arnika nie beobachtet wurde. Im Gegenteil, in höheren Dosierungen wirkt die Arnika zu gut, z.B. eingenommen als Abführmittel oder auch als Stimulans.
Niemand nimmt eine Stimulans ein, die ihm Rheuma beschert.

Ein weiterer und sehr wichtiger Punkt der Homöopathie ist die Dosierung, sprich die potenzierte Verdünnung.
Die potenzierte Verdünnung beginnt bei D1, einem Verhältnis von eins zu zehn. Also die zehnfache Menge Wasser auf eine Einheit Tinktur. D3, also eins zu tausend, (hier wieder der Vergleich von einem Tropfen Tinktur auf zwei Schnapsgläser Wasser) gehört auch noch zu den höheren Dosierungen. Doch bereits D6 bedeutet ein Tropfen Tinktur auf die Einmillionenfache Menge Wasser, D23 rechnet sich eins zu einhundert Trilliarden (d.H. ein Tropfen Tinktur auf die Wassermasse des gesamten Mittelmeers), und D78 wird sogar mit einem Tropfen Tinktur auf die Gesamtmasse des bekannten UNIVERSUMS gerechnet, und dürfte in der Wirkung obsolet sein.
Dabei folgt die Homöopathie dem Grundsatz Hahnemanns, dass eine Tinktur durch die Verdünnung nicht in der Wirkung reduziert, sondern im Gegenteil, potenziert wird. D.h. D78 wäre demnach ein hoch wirksames Medikament, obwohl man den Wirkstoff bei D9 schon nicht mehr nachweisen kann.
Warum also enthält diese Salbe z.B. Arnika in D3-Verdünnung, und die anderen wichtigen Bestandteile unverdünnt? Warum ist die Dosierung, sagen wir einfach mal, gut? Nachweisbar? Die Wirkstoffe in ausreichendem Maße vorhanden, und nicht, wie in der Homöopathie üblich, stark verdünnt, bis das Erinnerungsvermögen von Wasser einsetzt, also die Lehre der Idee, dass Wassermolekühle ihre Positionen so halten, wie der Wirkstoff ihnen eingeprägt hat, auch nachdem er bereits herausdosiert worden ist?

Ich hoffe, ich habe Dir hier einiges zum Nachdenken gegeben. Dir und allen anderen Fans von Homöopathie. Vielleicht habe ich Homöopathie hiermit nicht widerlegt. Das können andere auch viel besser als ich. Aber in jedem Fall hoffe ich, dass Du mir bestätigst, dass Deine Salbe zwar Homöopathie drauf stehen hat, aber in Wirklichkeit eine Paraffinhaltige Vaseline mit diversen hochwirksamen Heilkräutern in ausreichender Dosierung ist. Sprich: Du hast ein Naturheilprodukt.

Wie ich schon erwähnte: Um homöopathisch zu sein, müsste jeder einzelne Wirkstoff die Symptome auslösen, die er bekämpft. Und die Dosierung würde bei D6 erst anfangen, da der Grundsatz ja lautet: Je dünner, desto wirksamer. Die Produzenten dieser Salbe haben jedoch auf die sichere Seite gesetzt und dafür gesorgt, dass die Salbe nicht nur die Haut pflegt, sondern dass die Wirkstoffe der Arzneien in ausreichendem Maße vorhanden sind.
Kein homöopathisches Präparat. Naturheilkunde. Womit wir wieder mal das Problem mit dem Labeln haben. Es ist nicht drin, was drauf steht.

Wie, aber die Arnika ist doch mit D3 dosiert? Kann man dann nicht Homöopathie...?
Nein. D3 ist zwar ein Begriff der Homöopathen, aber wie ich oben mehrfach schrieb, sind die Tinkturen nicht dünn genug, um über das Erinnerungsvermögen von Wasser zu funktionieren. Sie funktionieren, weil sie stark genug dosiert sind.
Der Hersteller dieser Salbe weiß das. Und er weiß auch, dass mehr Menschen sie kaufen, wenn homöopathisch drauf steht, obwohl es sich um ein Mittel der Naturheilkunde handelt.

Liebe XXX, ich hoffe, Du verstehst die Problematik, die sich mir mit der Homöopathie stellt.
Und eventuell siehst Du, dass Deine Salbe kein homöopathisches Präparat sein kann.

Gruß
Ace


Edit: Name aus eigenem Antrieb anonymisiert.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hast Du sonst nichts zu tun im Leben ??

Ace Kaiser hat gesagt…

Nein, im Moment ist mir das Bloggen das Liebste. Aber danke der Nachfrage.

Stinkstiefel hat gesagt…

Andere sammeln Briefmarken oder bauen Modellschiffe, und Ace blogt.
Ich wüsste jetzt nicht was daran komisch wäre, und die Themen ergeben sich halt.

Ace Kaiser hat gesagt…

Danke für die Unterstützung, Stinkstiefel. ^^