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Donnerstag, 19. April 2012

Wann ist eine Partei eine Partei?

Kurz vor dem nächsten anstehenden Bundesparteitag der erschreckend erfolgreichen Piratenpartei ist die Häme in der Presse groß. Nichts wird unversucht gelassen, um aus der politisch korrekt angemeldeten und bereits in mehreren Landtagen vertretenen Partei ein Absurdikum zu machen, sie auf den Status einer Protestpartei zu reduzieren - ein "Makel", der sonst eher rechten Parteien wie DVU, Republikanern und NPD zugeschrieben wird.
Entsprechend lächerlich gemacht wird die Partei in kleinen, nicht besonders auffallenden, aber gut platzierten Artikeln, in denen über die verschiedenen Anträge diskutiert wird, die die "Protestpartei" auf ihrem Parteitag entscheiden wird - von der Bepflanzung deutscher Alleen mit Gummibäumen, um Unfälle abzumilden bis hin zum frei wählbaren Feiertag für Jedermann.
...sacken lassen.

Nun, die Piratenpartei ist tatsächlich aus einem Protest heraus entstanden, und es ist mittlerweile klar, das sie sich weder über hübsche Mädchen noch über ihr unvollständiges Parteiprogramm zertifiziert. Beides wird dennoch besonders hervor gehoben.
Die Piraten sind eine relativ junge demokratische Kraft - basisdemokratische Kraft, wohlgemerkt - und sie haben nach den ersten Erfolgen im Inland (nach der Wahl ins EU-Parlament) erheblich Zulauf erhalten. Seither stehen sie unter teils harscher Kritik... Wenn nicht gerade ein Schreiberling versucht, die Partei als Ganzes lächerlich zu machen.
Man kann es sich natürlich leicht machen und die Piraten auf Internet-Kompetenz reduzieren, ihnen vorwerfen, sie wollen alles haben und für nichts bezahlen, die Gratis-Unkultur im Netz unterstützen, und, und, und...
Oder man kann es ihnen nachsehen, dass sie viele junge Leute mit aktuell wenig politischer Erfahrung in ihren Reihen und als Kandidaten für politische Ämter haben. Wo soll die Erfahrung auch her kommen? Aber anstatt dies als Chance zu sehen, endlich mal keine mythischen Berufspolitiker, sondern Menschen wie Du und Ich in diese Ämter zu heben, wird es als Nachteil ausgelegt.
Ich könnte jetzt noch viel schreiben, die Negativa, die in den Medien kursieren, einzeln widerlegen, die Piraten vehement verteidigen. Aber ich denke, ich kann meinen Standpunkt wesentlich kürzer wesentlich deutlicher machen. Und ja, ich finde die Piraten gut, weil sie das haben, was den großen Parteien fehlt: Das Wissen und der Wille, sich mit den Neuen Technologien und der dadurch veränderten Gesellschaft auseinander zu setzen.

Was also macht eine demokratische Partei aus? Die Piraten werden über einiges an Unsinn abstimmen müssen, zum Beispiel die oben erwähnten Gummibäume, die Alles gratis-Theoreme und den frei wählbaren Feiertag. Disqualifiziert sie das bereits davon, als politischer Partner ernst genommen zu werden? Sind wir wirklich so dreist in Deutschland, und sprechen wir einer Partei, die gerade bei den jüngeren Generationen, die politisch eher nicht aktiv sind, ankommt, ihr Existenzrecht ab?
Ich denke, so wird ein Schuh draus. Die Piraten sind eine demokratische Partei, gerade weil sie sich mit allen Anträgen beschäftigen, und seien sie noch so unsinnig. Das ist wahre Demokratie. Anstatt dies hervor zu heben, und die Piraten dafür zu loben, das sie ihre Basisdemokratie mit Sprach-, und Stimmrecht für jedes einzelne Mitglied tatsächlich leben, wird ihnen dieses Verhalten von der Presse als Schwäche ausgelegt. Dabei ist es eine Stärke. Eine Stärke, die sie in den nächsten Jahren noch viel interessanter machen wird, nicht nur für die junge Generation.
Und ich denke, je mehr die Presse sie kaputt schreiben wird, desto interessanter wird sie für junge Leute - die ohnehin im Internet unterwegs sind und sich direkt bei den Piraten über ihre Seite zu Vorwürfen, Witzchen und Peinlichkeiten informieren werden. Die kleinliche, süffisante Presse aber wird in diesem Zusammenhang gerade von dieser Gruppe immer weniger ernst genommen werden.

Was mich wieder zu einem alten journalistischen Grundsatz bringt: Wenn Du eine Story machst, lass beide Seiten zu Wort kommen. Die eine Seite hier sind die teils lächerlichen Anträge für den Parteitag. Die andere Seite wäre der Vorstand gewesen, dem man hätte erlauben müssen, dazu Stellung zu nehmen, wenn man nicht die Erkenntnis abliefern will, gegen die Piraten eingestellt zu sein. Tja, Pech gehabt, deutsche Presselandschaft.


P.S.: Der Gummibaum ist übrigens ein Baum aus der Familie der Feigen und hat ähnliche Eigenschaften wie eine Birke, wenn man in ihn hinein fährt. Jeder mit ein klein wenig Verstand in einer Presseredaktion hätte spätestens hier gemerkt, das mit dem Antrag, bzw. der Information darüber etwas nicht stimmt. Ergo hätte der Wille der Piraten, sich damit tatsächlich zu beschäftigen Bewunderung verdient, nicht Häme.

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