Also, ich habe ja so meine Erfahrungen mit den Kommentatoren der Dirk Ippen-Gruppe.
Für alle, die mit dem Begriff "Ippen-Gruppe" nichts anfangen können: Herr Ippen, hier sein Wikipedia-Eintrag, hält anteilsmäßig an fast einem Dutzend regionaler Zeitungen eine Mehrheit oder besitzt sie komplett. Sie teilen sich in einen regionalen Teil aus, der, logisch, von den Regional-Redaktionen betreut wird, und einen überregionalen Teil, der für alle diese Zeitungen - oder zumindest für einen großen Teil, das weiß ich gerade nicht - gemeinsam gilt. Für diesen Pool steuern verschiedene Reporter und Redakteure ihren Anteil zu, und dann nicht selten in den Kommentaren.
Ich zum Beispiel habe mit Herrn Bruggaier (Internet) einen ereignisreichen, fruchtbaren und stets freundlichen Austausch über seine Ideen der Internetsicherheit geführt, wie man in meinem Blog nachlesen kann. Mit anderen Autoren hatte ich noch nicht das Vergnügen, die Federn zu kreuzen. Ist vielleicht auch besser so, denn ein Herr Drewes (Wirtschaft) ist mir zu weit rechts (Wirtschaftrechts), und ein Herr Anastasopoulus geht mir zu fies mit griechischen Staatsschulden bei deutschen Banken um.
...sacken lassen.
Was ist passiert? Gestern, am Mittwoch, den 12.07.2017, war ein Herr Markus Mäckler an der Reihe, der zum Thema "Urteil zum Tarifeinheitsgesetz" einen Kommentar abgegeben hat, unter dem Titel - oben bereits erwähnt - "Schluss mit maßlos".
Er leitet den Artikel folgendermaßen ein: "Am Ende fehlte es selbst den härtesten Sympathisanten an Verständnis." Dazu stelle ich fest: Ich sympathisiere, und das noch immer. Also gibt es mindestens einen harten Sympathisanten, Herr Mäckler, der noch Verständnis hat.
Weiter geht es: "Mit blinder Kampfeslust ließ GDL-Chef Claus Weselsky 2015 den Streik der Lokführer eskalieren - auf Kosten von Millionen von Pendlern. [...] Dabei ging es nicht in erster Linie um soziale Interessen, sondern um die Eitelkeiten und Machtansprüche kleiner Gruppen. Ironischerweise läuteten sie durch diese Maßlosigkeit ihre eigene Entwaffnung ein; das Tarifeinheitsgesetz. [...]
...sacken lassen.
Den restlichen Text gebe ich ausschnittsweise wieder, aber ich bin wirklich ziemlich sauer. Er schwadroniert, ja, schwadroniert noch darüber, dass die kleinen Gewerkschaften ja trotzdem noch streiken können, wenngleich das Gesetz ja bestimmt, dass der Tarif der zahlenmäßig stärksten Gewerkschaft übernommen werden muss, was natürlich himmelschreiender Unsinn ist. Wozu streiken, wenn man keinen Tarifabschluss erreichen kann? Halt, ich rege mich auf. Später dazu mehr.
Lasst uns hier sachlich weitermachen.
Es grenzt an Ironie, wenn er dann darauf verweist, dass die Karlsruher Richter, die das Tarifeiheitsgesetz durchgewunken haben, Verbesserungen verlangen, nach denen die anführende Gewerkschaft die Interessen kleinerer Gewerkschaften berücksichtigen muss. Also nicht jetzt vertreten oder durchsetzen, nur berücksichtigen. Tja.
Ganz zum Schuss schreibt Herr Mäckler noch: "Sollte es aber, wie manche befürchten, zu "Häuserkämpfen" darum kommen, wer die meisten Mitgleider und damit das Verhandlungsrecht hat, täten sich ganz andere Fragen auf: Dann ginge es darum, für wen die Gewerkschaftsspitzen eigentlich kämpfen. Ihre Mitglieder - oder die eigene Macht."
...sacken lassen.
Also, an dieser Stelle muss ich ganz deutlich fragen: Herr Mäckler, wer bezahlt Ihr Gehalt? Ist es Herr Ippen? Sein Geld ist bei diesem Kommentar allerdings nicht gut angelegt.
Ich möchte mich erklären. Zuerst einmal möchte ich Sie bitten, diesen Artikel von der ver.di-Seite zu lesen. Dort steht sinngemäß, dass ein Arbeitskampf außerhalb der Tariflaufzeit zu erfolgen hat. Es braucht fünfundsiebzig Prozent Ja-Stimmen aller nichtverhinderter Mitglieder, um einen Streik zu beginnen, aber nur fünfundzwanzig Prozent Zustimmung aller Mitglieder, um einen Streik zu beenden. Ich erkläre Ihnen das, um zu verdeutlichen, was 2015 passiert ist. Die GDL hat mit der Bahn verhandelt, und die Bahn hat auf stur geschaltet. Sie hat einen Streik in Kauf genommen, sie hat es hingenommen, auf Kosten von Millionen Pendlern, wie Sie es ausgedrückt haben. Nicht aus Ego-Gründen des Vorsitzenden Weselsky, sondern weil über fünfundsiebzig Prozent der Mitglieder für den Arbeitskampf gestimmt haben. Ein Streik ist immer das letzte Mittel im Arbeitskampf, und vor allem kein schönes Mittel, aber wenn der Arbeitgeber der Gewerkschaft nicht entgegen kommt, nicht mal in Zwischenschritten, dann riskiert sie nicht einfach nur einen Streik, sie nimmt ihn in Kauf. (Wohl auch in der Hoffnung, dass die Gewerkschaft keinen Streik riskiert, weil Streik in Deutschland mittlerweile einen schlechten Leumund hat, leider.)
Die GDL hat damals nicht nur einfach mehr Geld gefordert, einen Ausgleich bei höherer Belastung oder gar die Gleichstellung von Lokführern und Lokrangierführern - ja, Sie haben richtig gelesen, nein, ich weiß auch nicht, was ein Lokrangierführer ist und warum er schlechter behandelt wird als ein Lokführer - sondern auch das Recht, nicht nur die Lokführer in der GDL zu vertreten, sondern auch die Lokrangierführer und das Zugpersonal, die in dieser Gewerkschaft organisiert sind. ICH PERSÖNLICH halte das für vollkommen legitime Anliegen.
Sie werden jetzt fragen: Was spricht denn dagegen, dass sich die GDL an der EVG und ihren Abschlüssen orientiert?
Das werde ich Ihnen sagen. Die EVG, die von der Bahn bevorzugt wird, ist Nachfolger der TransNet, einer Gewerkschaft, die maßgeblich dazu beigetragen hat, dass die Bahn privatisiert werden konnte. Klingt jetzt nicht so bedrohlich. Aber die TransNet war so kuschelzahm und zahnlos, dass einer ihrer Vorsitzenden 2008 in den Vorstand der Bahn wechselte und dort dann für Personalbelange zuständig war. Ja, ein Gewerkschafter. Ja, jemand, der maßgeblich beim Umbau der Bahn geholfen hat. Auf Kosten der Arbeitnehmer.
Natürlich ist es das Recht des Arbeitgebers, sein Unternehmen, gerade ein ehemaliges staatliches Unternehmen, das privatisiert wurde, auf solidere Füße zu stellen, indem er Ausgaben senkt und Einnahmen erhöht. Die Gesetze bilden hier recht eindeutige Limits. Weit gefasste, zugegeben. Aber genauso ist es das Recht der Arbeitnehmer zu entscheiden, ob und wie weit sie diese Veränderungen mittragen, und sich gegebenenfalls dagegen entscheiden, sprich: Dass sie sich organisieren und auch streiken.
Die EVG ist jetzt nicht wesentlich härter als TransNet, also ist es auch weder ein Wunder, dass die Bahn lieber mit ihr verhandelt - es war die EVG, die ihre organisierten Lokführer aufrief, beim GDL-Streik als Streikbrecher zu arbeiten, was genug über die Gesinnung der EVG-Spitze sagt.
Ja, die eine Gewerkschaft hat die andere torpediert. Sich nicht solidarisch zu zeigen, keine eigenen Warnstreiks zu veranstalten, um die andere Gewerkschaft, die anderen Arbeitnehmer zu unterstützen, geschenkt. Eigene Mitglieder als Streikbrecher loszuschicken hingegen ist in mehr als einer Hinsicht peinlich und eindeutig.
Ich stelle fest: Es war sicher keine "wilde Kampfeslust" und auch nicht das Ego von Herrn Weselsky, das zum Streik geführt hat, sondern die Mehrheit der Mitglieder der Gewerkschaft der GDL, und das mit überwältigender Mehrheit. Wenn, dann war es das Ego aller Mitglieder. Punkt. Und ja, es ging auf Kosten von Millionen von Pendlern. Ja, was denken Sie denn, was ein Streik ist? Ein Gruppenkuscheln? Ein Streik ist nur dann effektiv, wenn er den Arbeitgeber trifft, und noch besser, wenn er großen Teilen der Bevölkerung ins Bewusstsein gerät. Den Streik gewollt hat hier sicher nur die Bahn, denn außer Streikgeld hatte die GDL nichts zu verlieren, und zu gewinnen gab es das Recht, alle Mitglieder vertreten und für alle Mitglieder einen Tarif aushandeln zu können. Wie ich schon sagte, ist ein Streik das letzte Mittel im Arbeitskampf. Hier sind übrigens die damaligen Forderungen. Wenn man berücksichtigt, dass sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber irgendwo in der Mitte treffen, halte ich keine der Forderungen für übertrieben.
Warum also ließ die Bahn den Streik zu, provozierte ihn sogar? Ja, das meine ich so. Nun, wenn Sie meine Meinung hören wollen, so ging es 1) darum, Herrn Weselksy und die GDL zu diskreditieren, durch wirksame Öffentlichkeitsarbeit, die aus dem regulären Arbeitskampf, aus einem im Grundgesetz festgeschriebenen Recht eine gefühlt schlimme Sache zu machen, was eifrigst von diversen Medien bedient wurde und noch immer wird; 2) darum, das Tarifeinheitsgesetz durchzudrücken, um genau das zu erreichen, dass die Bahn fortan nur noch mit der EVG verhandeln muss und die GDL bleiben kann, wo der Pfeffer wächst (als SPD-Wähler und Mitglied bin ich von Frau Nahles entsprechend enttäuscht).
Noch einmal: Ein Streik ist das letzte Mittel im Arbeitskampf. Die Hürden, um einen Streik zu beginnen, sind hoch. Die Hürden, um ihn zu beenden, sind niedrig. Zum Streik braucht es immer zwei Parteien, von denen eine nicht verhandeln will, aber ein Streik ist, auch wenn Millionen Pendler darunter leiden, eine legale Sache.
Als Deutsche streiken wir ohnehin zu wenig; die großen Gewerkschaften haben sich viel zu lange sagen lassen, dass niedrige Abschlüsse wichtig wären, um die zarte Konjunktur nicht einbrechen zu lassen; das Ergebnis sind Millionen Arbeitnehmer in Billiglohnverhältnissen.
Sie, Herr Mäckler, schimpfen hier nicht über die GDL, Sie schimpfen über das Streikrecht, das uns als Arbeitern und Angestellten gesetzlich zusteht und unsere letzte Möglichkeit ist, in festgefahrenen Verhandlungen die Arbeitnehmerseite durchzusetzen. Sie torpedieren die Arbeitnehmer als Ganzes, denn das geänderte Streikrecht betrifft alle Arbeitnehmer, und ein Arbeitskampf bei der Bahn, bei der Post (woran ich 2015 teilgenommen habe, um Herrn Appels Pläne zum Outsourcing der Angestellten in Tochterfirmen mit Billigtarif zu verhindern - wir haben das zumindest geschafft), bei den Piloten oder auch nur beim Stahlbauer um die Ecke wird dadurch eine negative Konnotation erhalten. Streik ist böse? Nein. Streik ist unser Recht. Sie reden den Streik nur schlecht, Herr Mäckler. Erzählen Sie mir nicht, Sie meinten wirklich nur die GDL und die Ansprüche kleinerer Gewerkschaften. Das geänderte Streikrecht gilt bundesweit, gilt für uns alle.
Aber, ich will es nicht verhehlen, es gibt einen positiven Aspekt und eine Hoffnung.
1) Gerade in Ostdeutschland in Pflegebetrieben war und ist es üblich, nach Tarif zu bezahlen. Wo ist der Witz dabei? Christliche Gewerkschaften. Der Arbeitgeber brauchte nur einen Arbeitnehmer, der in eine christliche Gewerkschaft eintrat, um den Tarifvertrag dieser Gewerkschaft anzuerkennen - üblicherweise eine Dumping-Geschichte auf vermeintlich legalem Grund. Dies ist jetzt nicht mehr möglich, denn nur ein einziges Mitglied, das in der ver.di ist und in solchen Betrieben arbeitet bedeutet, dass künftig nicht mehr der Tarif der Christlichen Gewerkschaft gilt, sondern jener von ver.di. Aber, Sie ahnen es schon, ja, die Sache hat einen Pferdefuß: Solche Arbeitnehmer passen dann natürlich nicht mehr zur Jobbeschreibung und werden aus diesen oder jenen Gründen gekündigt oder scheiden "freiwillig" aus.
2) Der Lichtblick. Ich habe einen Lichtblick versprochen. Die EVG ist leicht im Niedergang. Waren es bei der Gründung noch über 300.000 Mitglieder, so sind es jetzt noch 225.000 und weniger.
Die GDL hingegen wächst und hat jetzt schon 34.000 Mitglieder. Um also jene Gewerkschaft zu sein, mit der die Bahn verhandeln MUSS, muss sie nur die Mitgliederstärkste Gewerkschaft im Unternehmen sein. Ich denke, jetzt, wo die GDL auch Zugbegleitpersonal vertreten darf, könnte sich der bisherige Kuschelkurs der EVG rächen und der GDL zu mehr Wachstum verhelfen.
Noch einmal, ein letztes Mal. Es heißt Streikrecht. Recht. Nur, weil wir hier in Deutschland kaum noch Streiks gewohnt sind, heißt das nicht, dass Streiks bäh sind. Wer dennoch versucht, Streiks auf das Ego der Vorsitzenden zu reduzieren oder das Leid der Millionen Pendler beklagt, muss sich nicht wundern, wenn man ihm widerspricht. Hiermit geschehen, Herr Mäckler.
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2 Kommentare:
Solche Artikel von Dir vermisse ich in letzter Zeit ja etwas. Auch wenn ich Deinen Ausführungen nur selten in allen Details folge, lese ich sie doch immer gern, da sie in sich stets schlüssig und fundiert sind - und natürlich teilen wir beide die Farbe unseres Blutes. ;-)
Zum konkreten Thema kann ich nur wenig beitragen, da ich hier kein Experte bin. Du bist auch aus eigener Erfahrung da wesentlich näher dran. Nur habe ich wahrgenommen, dass auch der DGB das Tarifeinheitsgesetz durchaus befürwortet. Auch ob man in Deutschland "zu wenig" streikt ist sicher ein Thema, über das man leidenschaftlich diskutieren kann.
In einem gebe ich Dir aber 100%ig Recht: Die Unannehmlichkeiten eines Streiks in der (konservativen) Berichterstattung - und somit auch in der öffentlichen Wahrnehmung - ausschließlich der Arbeitnehmerseite anzulasten ist gelinde gesagt eine Frechheit. Auch zum Arbeitskampf gehören immer zwei Parteien.
Danke. Ich schreibe diese Artikel dann, wenn sie mich solange würgen, bis ich zu tippen beginne.
Warum denkst Du wohl, ist der DGB dafür? Als größte deutsche Gewerkschaft hat er natürlich ein Alleinstellungsmerkmal. Klar ist er dann dafür.
Für kleine Gewerkschaften ist das allerdings der Todesstoß. Und was das bei der Bahn bedeutet, mag ich noch gar nicht abzuschätzen. Manch einer Gewerkschaft freilich wird es gelingen, mit diesem unsäglichen Gesetz als Anlass neue stärkste Gewerkschaft zu werden... Ehrlich, Nahles hat da ganz großen Mist gebaut.
Ich denke, wir haben zu wenige Streiks, wenn Streiks eigentlich nötig wären. Da wird lieber zurückgesteckt und zurückgezogen. Auf dieser Basis kann eine Gewerkschaft natürlich nichts erreichen. Nur eine Gewerkschaft, die auch mal einen Streik beginnt, wird man ernst nehmen, wenn sie die Streik-Karte zieht.
"Die Unannehmlichkeiten eine Streiks" sind, denke ich nicht so schlimm, wie die sich abzeichnenden Unfälle bei der Bahn, wenn die Firmenleitung ihre Rangierlokführer weiter Überstunden schieben lassen kann, bis der erste Unfall passiert. Und ab da werden es eher mehr als weniger. Das kurzsichtige Profitdenken und die Vergesslichkeit, wer eigentlich für den Profit sorgt, ist einer der unappetitlichsten Auswüchse des Neoliberalismus.
Und ja, Streik gibt es immer erst dann, wenn eine Seite keine Bewegung zeigt. Bei der Post haben wir das auch wunderbar gesehen. Appel hat eine Milliarde Verlust ohne mit der Wimper zu zucken in Kauf genommen. Und sitzt immer noch im Chefsessel. Das ging ja auch nur zu Lasten der Kunden. Die nicht streikenden Kollegen hatten keine Mehrarbeit, und aufgeräumt wurde anschließend gemeinsam.
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