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Samstag, 21. April 2012

Wenn man die eigene Zeitung nicht kennt.

Ich glaube es nicht. Nein, ich verstehe es nicht. Am 2. April habe ich einen Blogeintrag über einen Brief verfasst, den ich Johannes Bruggaier für seinen Internet-paranoiden Kommentar geschickt hatte.
Ich habe nie eine Antwort erhalten, aber das habe ich auch gar nicht erwartet.
Nun findet sich im überregionalen Teil der LDZ wieder ein Kommentar von Herrn Bruggaier, in dem er auf das aktuelle Youtube-GEMA-Urteil eingeht.
Hier wird es kurios. Ich tue mich ansonsten nicht sehr leicht damit, angreifende Worte zu schreiben, weil ich, wann immer ich das getan habe, entweder überreagiert, oder einen auf die Zwölf bekommen habe. Diesmal aber sei es mir verziehen, denn Herr Bruggaier ist nicht nur nicht in der Lage, auf Leserreaktionen zu antworten, er schwadroniert über Internetzensur und Pauschalkriminalisierung von Youtube-Nutzern. Und das aufs Gröbste.
Nachdem er eingestehen muss, dass Youtube doch nicht für die Inhalte der hochgeladenen Videos verantwortlich ist, aber mit einem hämischen Hinweis auf die vom Gericht festgestellte Kontrollpflicht Youtubes, geht es los mit seiner Meinung:
Von der "Verantwortbarkeit von Youtube" redet er, von den "Rechten der Künstler" und davon, das Kritiker (angeblich) argumentieren, "eine Kontrolle von Rechtsverstößen" würde heutzutage gar nicht mehr funktionieren.
Das ist insofern verwunderlich, steht doch in der gleichen Zeitung in der Rubrik "Menschen und Medien" unter dem Titel "Punktsieg für die GEMA" weit interessanteres. Nach dieser Lektüre fällt es schwer, Herrn Bruggaier bei seinem Kreuzzug gegen das Gratis-Internet zu folgen, verstandesgemäß meine ich.
Aus dem Artikel gehen einige Dinge klar hervor, die auch jeder Nutzer Youtubes nur zu gut kennt.
1) Die Rechtslage ist doch längst bedacht worden, weil die GEMA mit Youtube einen vorläufigen Vertrag abgeschlossen hatte. Nun geht es um die Neuformulierung des Vertrags.
2) Wieder einmal geht es um den Lizenzinhaber, nicht um die Künstler. Ein Journalist sollte wissen, dass es da einen Unterschied gibt.
3) Youtube und GEMA wollen nun einen neuen Vertrag aushandeln, was augenscheinlich darauf schließen lässt, dass Youtube auf Musikvideos nicht verzichten will, die z.B. geschützte Musik enthalten.
Also, es scheint doch zu gehen. Warum aber das polemische Zitat gesichtsloser Kritiker, die den Eindruck der "Gratis-Kultur" verstärken soll, weil "Kontrolle ohnehin nicht möglich ist"? Das weiß wohl nur Herr Bruggaier, oder derjenige, der ihn beauftragt hat, diesen Kommentar zu schreiben.

Nun wird es aber richtig verschwurbelt, wenn Herr Bruggaier von der Entlohnung geschädigter Künstler mittels des Almosens Flatter fabuliert, den die gesichtslosen Kritiker vorschlagen.
Einerseits drängt sich die Gewissheit auf, er kennt sein eigenes Blatt nicht, andererseits sieht er gar nicht den eklatanten Fehler bei der Geschichte: Flattr-Buttons für die Künstler sind wünschenswert und richtig, und selbst wenn ein Almosen dabei herauskommt, ist es doch ein Plus - außer natürlich, der "Künstler" war schlau genug, keinen Knebelvertrag zu unterschreiben und die Vertriebsrechte an einen Musikkonzern abzugeben, der mit dem geistigen Eigentum des Künstlers den Umsatz macht, während der Künstler selbst ganz andere Almosen erhält.
Aber ich will die Musikindustrie nicht schlecht machen. Sicher zahlen sie national wie international auch jungen, unbekannten Künstlern einen ansprechenden, gerechten und fairen Anteil am Vertrieb seiner Arbeit, und das Gerede von Knebelverträgen und Minimalbeteiligungen am Gewinn ist wirklich nur Gerede.
Noch einmal, um wieder ein wenig Sinn ins Thema zu kriegen: Ein Flattr-Button würde Geld für den Künstler bedeuten, so oder so. Jeder sollte sich einen einrichten. Ich habe auch einen für meinen Blog.
GEMA-Gebühren auf jedes Video, das geschützte Musik enthält, bedeutet aber nicht automatisch Geld für den Künstler, beim Flattr-Button schon. Es bedeutet automatisch Geld für den Rechte-Inhaber. Wie viel der dann an den Künstler weitergibt, ist entscheidend. Die Aussage: GEMA gleich Geld für Künstler ist schon mal irreführend. Geschriebenes Opium für die Massen, um von den Tatsachen abzulenken.

Schließlich und endlich redet Herr Bruggaier von der "steigenden Hemmschwelle" weil man in Zukunft "mehr kriminelle Energie" benötigt, um sich "Videos weiterhin runter zu laden".
"Auch Künstler brauchen Geld zum Leben", schreibt er dazu, "wer es ihnen vorenthält..." muss dann wohl die Musikindustrie sein, möchte ich sagen. Das ist in jedem Fall eine bessere Aussage als die, die danach folgt: "...kann für sich nicht mehr die Ahnungslosigkeit eines harmlosen Youtube-Besuchers in Anspruch nehmen."
Richtig schlimm wird es im nächsten Satz, und der Kommentar vollends zur Scharade: "Von heute an ist ihm bewusst gesetzwidriges Handeln zu unterstellen".
Hier verliert Herr Bruggaier die Übersicht, und das sogar total. Was bitte haben denn die Youtube-Nutzer hier plötzlich verloren? Es geht in dem Urteil NICHT um die Nutzer, es geht auch NICHT um die Downloader, und es wurde auch KEIN Urteil darüber gefällt, ob das Downloaden von Youtube-Videos eine Straftat ist oder nicht.  Nicht einmal ob das Hochladen eine Straftat ist.
Herr Bruggaier, lesen Sie wirklich Ihre eigene Zeitung nicht? In dem Urteil geht es um hochgeladene Videos, nicht um deren Download. Es geht auch nicht darum, wie Youtube mit den Rechten dieser Videos verfährt, und es geht auch nicht um "Gratis-Kultur" im Internet, oder darum, irgendjemanden zu kriminalisieren. Ihr Geschrei nach der Regulierung der Webkultur ist hier vollkommen fehl am Platz und hat auch nichts mit der Sache zu tun: Ihr Versuch, Youtube-Nutzer zu pauschalisieren und unter Generalverdacht zu stellen, ist hingegen nur noch peinlich.
Im Artikel "Punktsieg für die GEMA" geht es die ganze Zeit um zwölf Videos, die von der GEMA beanstandet wurden, weil sie Musik enthielten, die bei ihnen angemeldet ist. Fünf dieser Videos wurden daraufhin gelöscht, sieben müssen gelöscht werden. Dabei wies das Gericht auch darauf hin, dass sich Youtube nach einer Beschwerde keine anderthalb Monate Zeit lassen könne, bis es handelt. Es geht weder um die Rechte-Inhaber noch um Künstler, und die Möglichkeit Youtube-Videos herunter zu laden spielt nicht mal eine Rolle. Außer für Sie, natürlich.
Auch Ihr Angriff auf den durchschnittlichen Normalnutzer von Youtube wird zur lächerlichen Farce, wenn ich im Artikel lese, wie ich oben schon schrieb, das es einerseits bereits einen vorläufigen Vertrag zwischen beiden Firmen gab, und andererseits auch wieder geben soll. D.h. wenn es Youtube tatsächlich die eine oder andere Million aus ihren Werbe-Einnahmen wert ist, Videos mit geschützter Musik zu zeigen, soll mir das recht sein. Hier an dieser Stelle könnten Sie was für die von Ihnen so verehrten Künstler tun und sich vehement dafür einsetzen, dass das Geld sie auch erreicht. Können Sie aber nicht, und werden Sie auch nicht. Dürfen Sie wahrscheinlich auch gar nicht. Denn das Geld fließt ja zu den Rechte-Inhabern. Sind das immer die Künstler? Ehrlich gesagt weiß ich es nicht. Ehrlich gesagt glaube ich es aber auch nicht.

So, genug von Herrn Bruggaier. Man sollte mit Internet-Laien nachsichtiger sein, als ich es war. Und man sollte jemandem, dem so offensichtlich aufgenötigt wurde, mit Kommentaren den Volkswillen in Richtung Zensur des Internets zu lenken, nicht allzu sehr maßregeln. Er kann ja nichts dafür, dass er Propaganda schreiben muss.
Sollte dies allerdings seine wahre Meinung sein, ist ihm nur zu raten, besser zu recherchieren. Notfalls in der eigenen Zeitung.
Für uns aber ergibt sich vielleicht etwas bei der ganzen Geschichte, etwas positives, man mag es kaum glauben.
Wer von Euch geht ab und an auf Youtube? Aha. Du auch? Und du? Ihr da hinten, Ihr? Ja? Schön.
Und was ist es, was einem am meisten auf den Keks geht? Die Werbung, die vor die Clips besonderer Videos und/oder Youtube-Partner vorgeschaltet wird? Nervt zwar, ist aber nicht wirklich schlimm.
Nein, es ist der Umstand, das man, wenn man in seine Favoriten geht, oder ein paar Empfehlungen anklickt, sehr oft die Meldung findet, dass der Content wegen GEMA-Unklarheiten gelöscht wurde.
Das fällt dann in Zukunft weg. Nicht auf Kosten der User, die es gewagt haben, ein Video mit GEMA-Inhalten zu machen und hoch zu laden, sondern auf Kosten von Youtube, das weiß, dass es zu einem nicht unerheblichen Teil auf diese Videos angewiesen ist. Sollten sich Youtube und GEMA also tatsächlich einigen, und diesmal sattelfest, dann würde das bedeuten, das ein erheblicher Anteil dieser gesperrten und gelöschten Videos wieder zu sehen wäre. Das wäre das Plus an der ganzen Geschichte.

Was dadurch nicht geklärt werden wird, das ist unser Hauptproblem als deutsche User: Wir gehen auf eine Empfehlung und kriegen die Mitteilung, dass der Content für unser Land nicht freigegeben wurde. Mist. Aber vielleicht lässt sich da ja auch mal irgendwas regeln, ohne das man einen Fake-Account anlegen muss, der über eine Umleitung simuliert, meine IP würde aus den USA stammen. Mal sehen, ob das Youtube auch ein paar Euro oder Dollar wert sein wird.

4 Kommentare:

Nenos hat gesagt…

Der Herr ist nicht zufälligerweise der selbe der Gegen das Bio-Kraftwerk in deiner Region war?

Aber das mit der Zensur, da gebe ich dir recht. Deutschland ist ein internet Zensurland, fast wie China. Viele wollen es blos nicht war haben.
Einer sagt die Warheit. Hundert behaupten das Gegenteil. Wen wird man wohl glauben, wenn man sich mit dem Thema nicht auskennt.

Ace Kaiser hat gesagt…

Nein, das ist eine Bürgerbewegung mit mehr Unterstützern als es Bürger in der Samtgemeinde gibt. Ähemmm.
Der gute Mann schreibt für den überregionalen Teil meiner Tageszeitung. Er sitzt irgendwo im Sauerland, kann also gar nichts gegen das Strohkraftwerk haben.

Es gibt in letzter Zeit so viele Versuche, irgend eine Form von Kontrolle oder Regulierung ins Internet einzubauen, das einem schlecht werden könnte. Dabei gibt es doch bereits ein Regularium: Bürgerliches Gesetzbuch und Strafgesetzbuch.

Schmitzenberger hat gesagt…

Hallo,

wie ich sehe, bin ich nicht der einzige, der bei der fortlaufenden polemischen Meinungsmache dieses Herren grün im Gesicht wird.

Wenn's denn mal Neid wäre!

Aber in der Tat. Der Analyse gibt es nur wenig hinzuzufügen. Die Gleichsetzung von Verwertungs- und Urheberrechten ist die größte Lüge in der aktuellen Debatte....und immer wieder gerne bemüht.
Und nebenbei, was den Kommentar in Richtung Facebook und Lynchaufrufe angeht: Ein Schelm, wer böses dabei denkt, dass zB die Polizeidirektion Hannover damit experimentiert, Fahndungsmeldungen über Facebook und Co rauszugeben...und diese auch zur Straftataufklärung zu benutzen.
http://www.taz.de/!87168/

Wirkt in diesem Kontext beinahe surreal.
Verkürzt natürlich den Dienstweg. Da können die Lynch-Aufrufe (die in der Masse der Äußerungen eine absolute Minderheit darstellen dürften), gleich unter dem jeweiligen von der Polizei gesetzten Link getätigt werden.

Ace Kaiser hat gesagt…

Hallo, Schmitzenberger.
Du sprichst mir aus der Seele. Herr Bruggaier betreibt übelsten Lobbyismus für Internet-Sperren und Leistungsschutzrechte. Dafür ist ihm, wie ich gesehen habe, jede Schlussfolgerung Recht und jeder Vergleich kommt ihm gelegen - ob er passt oder nicht. Ich habe ihm schon einmal geschrieben und meinen Brief hier im Blog veröffentlicht. Er hat mir nie geantwortet. Ich habe aber auch keine Antwort erwartet.
Damals hat er in der Sache mit dem Emdener Lynchmob nicht davor zurückgeschreckt, die Piraten in die Debatte mit einzubeziehen und die Schuld auf Facebook zu schieben. U.a. mit dem Hinweis, eine Tageszeitung würde dafür haften, wenn sie einen Mordaufruf veröffentlichen würde. Als wenn man Facebook mit einer professionellen Redaktion vergleichen könnte. Wobei Herr Bruggaier kein professioneller Redakteur ist, sondern schlicht und einfach Lobbyist.

Das mit der Polizei Hannover und der Facebook-Fahndung hatte ich da auch angesprochen. Wohl mit ein Grund, warum sich Herr Bruggaier nicht einmal verteidigt hat.
Und er war sich auch nicht zu schade, zu vergessen zu erwähnen, das Facebook beanstandete Accounts oder Posts nachträglich moderiert, bzw. der Lynchaufruf sowie die Teilnahme strafrechtliche Konsequenzen haben wird. Lieber ist er der BLÖD zur Seite gesprungen und hat einen anderen Sündenbock gesucht.
Tja, da sind wir zwei wohl einer Meinung.