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Freitag, 15. November 2013

Große Koalition der SPD und CDU - warum ich mit Nein stimmen werde

Wer meinen Blog aufmerksam liest, weiß, dass ich bekennendes SPD-Mitglied bin. Ich habe meiner Partei die Stange gehalten, selbst als sie sich mehr zur Mitte hinbewegt hat, selbst noch, als diese Bewegung zur Mitte mein eigenes Leben negativ beeinflusst hat. Im Sinne der Tradition und des guten Willens eines Lasalle, eines Schumacher, eines Brandt und Schmidt, für alle Menschen ein erstrebenswertes Leben zu schaffen, bin ich dabei geblieben.
Nun stehen die Zeichen auf Große Koalition, nicht zuletzt deshalb, weil es CDU/CSU und FDP gelungen ist, der SPD und den Grünen einzureden, eine gemeinsame Regierung mit der Linken sei bäh. Dabei hat das linke Bündnis keine solide, aber doch eine rechnerische Mehrheit unter einem Kanzler Gabriel. Und dass die Linke mitregieren kann, sieht man jeden Tag in den Neuen Bundesländern (die irgendwie noch immer so heißen, irgendwie, wenn man nicht "Zone", "DDR" oder "Osten" sagen will. Wir brauchen ein neues Wort, oder wir schaffen die alten ab).
Aber wie gesagt, Merkel hat's gerichtet und Mutti ruft jetzt laut nach der Großen Koalition. Weil dies eine von zwei Möglichkeiten für sie ist, ihre Kanzlerschaft zu sichern. Die sichere der beiden Möglichkeiten. Die unsichere wäre die Neuwahl und das Hoffen auf eine erneute Mehrheit oder einen Wiedereinzug der FDP, die dann garantiert über die 5%-Hürde kommt. Wofür, bleibt dann die Frage, aber sie würde es schaffen.

Jedenfalls hat die SPD Verhandlungen aufgenommen und leistet großartige Arbeit. Die Schwarzen sind zu zahlreichen Zugeständnissen bereit, und ich als Mitglied kriege regelmäßig Updates zu den Verhandlungen von Nahles und Gabriel. Die tun was. Die tun wirklich was. Eine Menge Kompromisse werden beschlossen und auch der Mindestlohn wird endlich kommen. Aber ich werde dennoch mit Nein stimmen, und ich hoffe, dass das die große Mehrheit der SPD-Mitglieder in Deutschland auch tun wird. Dies sind meine Gründe:

1) Bei der letzten Großen Koalition hatte ich nicht nur subjektiv den Eindruck, dass die Hauptarbeit von der SPD geleistet wurde, die Lorbeeren aber Mutti geerntet hat. Das wird bei einer Neuauflage nicht anders sein. Die einzige Möglichkeit, mich mit einer Großen Koalition anzufreunden sehe ich durch einen SPD-Kanzler und einen CDU-Vizekanzler. Aber das wird nicht kommen.

2) Die CDU ist unter Druck. Richtig so. Nicht umsonst bezeichnet man Merkels Politik als Aussitz-Politik. Zuletzt im NSA-Skandal hatte man diesen Eindruck. Mutti hat sich erst kritisch geäußert, als es ihr selbst an den Kragen ging, beziehungsweise ihrem Handy. (Und von ihrem Mailaccount wollen wir besser nicht anfangen.) Aber so ist es ja immer mit ihr. Wäre sie doch in der Physik geblieben.

3) Man kann der CDU nicht trauen. Kaum war die Große Koalition Geschichte und kaum war man mit der FDP wieder regierungsfähig, hat Merkel als Allererstess den Atomausstieg gecancelt. Ein Jahr später hat sie dann wegen Fukushima den Ausstieg aus dem Ausstieg gecancelt, obwohl ihre Leute zuvor noch vierzig, ja sogar sechzig Jahre Laufzeitverlängerung für "sichere" Kraftwerke gefordert haben. Was also wird Merkel tun, was wird sie wieder vernichten, was jetzt mühsam ausgehandelt und mindestens ebenso mühsam von den Roten aufgebaut wird? Genügend. Sobald die FDP wieder zu einer Regierungsmehrheit beitragen kann. Und das ist nicht das Verhalten, das ich von einem Partner erwarte. Würde das unsere CDU hier in meinem Heimatort mit uns machen, hätten wir hier Eiszeit, aber bestimmt keine Gespräche.

4) Die CSU. Solange Mutti ihren größenwahnsinnigen bayrischen Landesverband nicht im Griff hat, spuckt die Seehofer-Truppe in jede Suppe. Da wird schon mal vollmundig eine Mautgebühr verlangt, ohne einen einzigen Gedanken daran zu verschwenden, wie es funktionieren soll, ohne EU-Recht zu brechen oder den deutschen Autofahrer zusätzlich zu belasten. Und das ist nur ein bajuwarischer Zwischenruf. Davon wird es viele, viele, viele geben, das sagt die Erfahrung. Solange die Christunion also mit sich selbst koalieren muss, ist sie in keiner Form ein guter Partner, ein perfekter schon gar nicht.

5) Wir können besser. Wenn wir, die SPD, jetzt nach außen hin wieder zu "Kreuze kriechen", stürzen wir bei der nächsten Wahl unter zwanzig Prozent, und das vollkommen zu Recht, denn alles, was wir erarbeiten, wird sich die CDU als stärkere Partei auf die Fahnen schreiben, auch vollkommen zu Recht. Was mit uns passiert, wenn wir Juniorpartner spielen, haben wir gesehen. Nicht nur, dass unsere Zahlen abgeschmiert sind, Merkel meinte neulich im TV-Duell mit Steini: "So schlimm war es doch gar nicht (die große Koalition)." Doch, Frau Merkel, war es.
Die einzige Chance der SPD ist NICHT die Große Koalition. Ich setze auf eine Minderheitenregierung Merkel oder aber auf Neuwahlen. Denn alle Erfolge bei den Koalitionsverhandlungen und jede durchgesetzte Reform wird uns, der SPD, weggenommen werden. Funktioniert es, macht es sich die CDU zu eigen, funktioniert es nicht, "war es die SPD". Mag ich beides nicht.
Und bereits jetzt ölt die Propaganda-Maschine ihre Zahnräder und wirft der SPD vor, sie wäre nur "auf Ministerposten scharf". Wie das bei der nächsten Wahl aussehen wird, kann dann jeder für sich selbst fortdenken. Nämlich noch schlimmer. Gute Regierungsarbeit? Durchgesetzte Projekte? Mindestlohn? War dann alles Mutti.

6) Wo ist die Besteuerung höherer Einkommen geblieben? Ich rede jetzt nicht vom Ingenieur, der seine Sechzigtausend im Jahr nach Hause bringt. Ich rede von denen, die so viel verdienen, dass sie gar nichts davon abgeben wollen. Ich rede von sozialer Gerechtigkeit. Davon, dass die Umverteilung von unten nach oben zumindest gebremst wird, und das, indem die "oben" ihren gerechten Anteil leisten, ebenso wie die "unten". Und "unten" ist ein viel breiteres Feld, als wir alle glauben oder glauben wollen.

Deshalb stimme ich mit Nein. Ich hoffe ehrlich, diese Koalition kommt NICHT zustande. Einen sichereren Selbstmord kann es für die große alte Dame nicht geben. Und das will ich bei meiner SPD nicht erleben müssen.

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Amen! Deine Worte in des Schöpfers Gehörgang, oder auch dem der Wähler. Die SPD kann nur verlieren dabei und ich verstehe nicht diese Aversion gegen die Linken. Sie sind zwar nicht meine erste Wahl, aber immer noch besser als die Gelben. Warum ihnen nicht mal eine Chance geben? Schlimmer kanns ja nicht mehr werden. Ich bin auch der Meinung, dass Frau M. alles aussitzt, bevor sie eine Meinung äußert.
Betty

Ace Kaiser hat gesagt…

Hi, betty. Sehe ich genauso. Alle Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen, alle Erungenschaften macht sich Mutti zu eigen. Wie hieß es doch noch vor zwei Jahren in einer unkritischen Zeitung über Merkel und ihre Themen, als sie ein Kernthema der Grünen angefasst hat (nachdem sich zeigte, dass das Wählerstimmen bringt)?
Pressekommentar: "Unglaublich, wie sie den Grünen die Themen wegnimmt und zu eigen macht."
So eine schwarze Regierung brauchen wir nun wirklich nicht.

Anonym hat gesagt…

Zum Thema "Linke" - da hat man sich mit dem klaren und deutlichen "nein" im Wahlkampf den Weg selbst verbaut. ob es das wert war...
Die Besteuerung der "Reichen" ist ja nicht das einzige, was z.Z. unter den Tisch fällt - mir fällt da nur die Abschaffung der kalten Progression bei der Einkommenssteuer oder die Nichtabsenkung der Rentenversicherungsbeiträge (obwohl es rein rechtlich ein Muss ist, man aber noch schnell eine entsprechende Gesetzesänderung durchwinken will) ein. Die Pläne über ein Kindergeld- bzw. Kinderfreibetragserhöhung sind doch auch schon wieder gekanzlet, oder? Die große Koalition, wie sie sich jetzt anbahnt, führt wieder nur zu einer Verschlechterung für die Mittelschicht. Es hat wohl schon jeder Vergessen, dass uns die letzte eine Mehrwertssteuererhöhung brachte, entgegen aller Wahlversprechen! Der Ausgang für die SPD ist absehbar - nach der nächsten Wahl wird die CDU keinen Koalitionspartner mehr suchen müssen, aber wenigsten wird es dann ohne Merkel weitergehen.
Entweder die SPD setzt endlich ganz kalr darauf, Ihre "Wahlversprechen" durchzubringen und verkauft das ganz agressiv den Bürgern, oder man geht das Risiko einer Minderheitsregierung oder Neuwahl ein. Aber leider wir die "Große" wohl kommen, armes Deutschland!

Ace Kaiser hat gesagt…

Das mit dem "deutlichen Nein" war natürlich der Hauptwunsch von Schwarz-Gelb, weil sie so ziemlich sicher sein konnten, dass der SPD Mehrheiten schwerfallen. Dafür musste man natürlich etwas vorschützen wie "zu wenig Distanzierung von der SED-Vergangenheit und den Toten an der Mauer", aber es hat gut gewirkt. Bisher.
Dass von den Versprechen ein Teil die Koalitionsverhandlungen nicht überleben würde, war mir klar. Politik besteht nun mal aus Kompromissen. Was mir nicht klar ist, das ist, wie die Christunion ihre Konzepte finanzieren will, ohne mehr Steuern einzunehmen, indem eine für alle gerechtere Besteuerung eingeführt wird. Wegfall der Beitragsbemessungsgrenze wäre doch mal ein Anfang.
Ich bin definitiv für eine Minderheitsregierung oder Neuwahlen. Bei Neuwahlen kann die SPD punkten, weil sie nicht zu Kreuze kroch. Aber auch nur dann. Und dass tatsächlich eine GroKo kommt, steht für mich noch nicht fest. Ich stimme weiterhin mit nein.

SilviaK hat gesagt…

Eins versteh ich nicht: warum gibt es erst Koalitionsverhandlungen und DANACH die Befragung der Mitglieder, ob man denn überhaupt eine Große Koalition will? Müsste das nicht genau andersrum ablaufen?

Ace Kaiser hat gesagt…

Man will den Mitgliedern ja präsentieren, was man alles an guter Politik ermöglicht. Durch die Koalition. Ehrlich gesagt sind die Verhandlungen recht gut gelaufen und es wird einiges anders werden unter Schwarz-Rot. Aber solange u.a. in Deutschland das Klima von "die schachern schon um Ministerposten, diese Roten Socken" herrscht, ist jede weitere Teilnahme an einer Merkel-Regierung Wasser aus einem vergifteten Brunnen. Da bleibe ich doch bei meinem Nein.