So, mit diesem markigen Eingangsspruch, entlehnt von Thorsten Dörnbach, solange solche Zitate durch das neue Leistungsschutzrecht noch nicht zahlungspflichtig sind (sorry, Ralph, kein Affront gegen Dich, nur gegen Printverlage) möchte ich mal ein wenig zum Wohlstand in Deutschland schreiben. Einfach, weil mir danach ist. Und einfach, weil es tatsächlich Dinge gibt, die mal gesagt werden müssen.
Wie war das doch gleich noch, als ich ein Kind war? Vater ging arbeiten, Montag bis Freitag, ab und an auch mal Samstags und Sonntags, ab und an fuhr er mal auf Montage; ich und meine zwei Geschwister gingen in Kindergarten und Schule. Mutter war Zuhause, schmiss den Haushalt und hielt uns drei Blagen, so gut sie konnte unter Kontrolle. Wir hatten nur einen Familienwagen, aber das war immer ein Großer, also Opel Ascona oder ein dicker Volvo. Urlaub war nicht drin bei so vielen Kindern. Aber wozu gab es die Badeanstalt direkt im Ort? Ich frage mich sowieso, warum alle in der Sonne Urlaub gemacht haben - mitten im Hochsommer? Ach ja, weil die Sonne hier nicht immer im Sommer auch geschienen hat.
Alles in allem nicht gerade eine bescheidene Existenz, aber auch kein Luxusleben. Und das alles finanziert durch den alleinigen Verdiener in der Familie, meinen Vater.
Wie sieht es heute aus in Deutschland? Papa arbeitet, Mutter geht zumindest halbtags arbeiten, wenn es ein oder zwei Kinder gibt, ganztags, wenn sie nur ein Pärchen sind, damit sie ihr eigenes Geld verdienen kann; irgendwann einmal wird gebaut, auch wenn beide Großelternpaare Häuser haben, die die Kinder ursprünglich mal erben sollten, um darin zu wohnen. Aber das ist ja eine so unsichere Sache in einer Zeit, wo die Urgroßmutter schon hundert geworden ist, und die Großeltern wohl auch hundert werden, dank der guten medizinischen Versorgung in Deutschland.
Funktioniert natürlich nur, wenn man nicht in das amerikanische Hire&Fire gerät, das auch dank neoliberaler Wirtschaftspolitik in Deutschland favorisiert wird, wo ja die Kosten für Mitarbeiter so exorbitant hoch sind... Gerät ein Verdiener da hinein, kann das schon mal ALG I heißen. Hat er Pech und findet nicht schnell einen Job, heißt es nach einem Jahr ALG II. Oder auch im Volksmund: Hartz IV. Und ist z.B. der Papa da erstmal drin, dann fragen sich all die Personalchefs, wie unfähig der Mann wohl ist, dass er nicht rechtzeitig Arbeit bekommen hat, und stellen ihn lieber nicht ein. Er könnte ja faul sein. Oder klauen. Oder schlecht über den Boss reden. Oder alles zusammen.
Also, das Schicksal wollen wir Papa lieber nicht wünschen, denn wir wissen doch alle, dass Hartz IV-Menschen faul sind, klauen, und schlecht über andere reden. Zum Beispiel über solche Leute, die sich nicht faul auf dem Wohlstandsstaat ausruhen und sich nicht mit 364,-€ ein schönes Leben machen.
Außerdem sollen sie sich mal an anderen Menschen ein Beispiel nehmen, die für 364,-€ einen regulären Vollzeitjob machen, weil sie sich ihr eigenes Geld verdienen wollen, damit sie nicht von Hartz IV leben müssen. Ja, das sind natürlich Idioten, wenn sie so wenig Geld arbeiten, obwohl sie das Gleiche vom Staat kriegen könnten. Aber immerhin, sie gehen wenigstens arbeiten. Und irgendwas muss man doch tun, heutzutage.
(Anmerkung für alle, die es nicht verstanden haben: Ab Hire&Fire ist der Text absichtlich ironisch gehalten.)
Schauen wir aber mal zurück auf den Idealfall: Mama und Papa gehen arbeiten. Beide verdienen und bringen anderthalb oder zwei Gehälter nach Hause. Das ist eine Menge Geld. Und das obwohl Frauen immer noch schlechter bezahlt werden als Männer in der gleichen Tätigkeit. Auch, obwohl sich Papas Gehalt in den letzten zehn Jahren kaum vergrößert hat, die Gewinne seiner Firma aber in den Himmel geschossen sind. Das übrigens auch, weil man die Lohnkosten niedrig halten konnte - sprich: man hat den eigenen Leuten nicht das bezahlt, was sie eigentlich wert sind, obwohl es die Arbeiter und Angestellten sind, die in einer Firma das Geld ranschaffen.
Ist so ein Doppel-Gehalt also immer noch eine Menge Geld? Hier kommen wir zum ersten wirklich nachdenklichen Punkt in einer Welt, in der nicht nur jedem Kind ein Kindergartenplatz garantiert werden soll (damit Mama halbtags arbeiten gehen kann), sondern sogar Krippenplätze angeboten werden (damit Mama nach der Entbindung möglichst schnell wieder arbeiten kann).
Man kann natürlich nicht darüber streiten, wie pädagogisch wertvoll Kindergärten sind, und wie wundervoll die Krippenplätze, wo sich ausgebildete Spezialisten gleich um viele der kleinen Würmer kümmern (nämlich, damit Mama früher wieder arbeiten kann), und man mag sich auch fragen, ob das Betreuungsgeld, das es Eltern leichter möglich machen soll, das ein Elternteil eben doch zu Hause bleiben und sich selbst um die Kinder kümmern kann, ein Rückschritt ist. Weil, seine soziale Kompetenz erlernt das Kind selbstverständlich nicht in der Familie, sondern in der Krabbelgruppe in der Krippe. (Den Kindergarten nehme ich von meinen satirischen Einwürfen aus. Hier trifft man die ersten Freunde für's Leben.)
Was man aber hinterfragen kann, ist die Philosophie, die dahinter steht. Nämlich: Warum konnte mein Vater die ganze Familie allein ernähren, warum konnte meine Mutter Zuhause bleiben (Vorsicht, sie hat einen Gesellenbrief, das gebe ich hier allen Einwürfen vorab zu bedenken) und sich um uns Blagen kümmern, und warum ist das heute nicht mehr möglich?
Warum müssen Mama und Papa beide arbeiten? Sind wir in Deutschland so geldgeil? Muss es der Zweitwagen sein, das selbstgebaute Haus, die zwei Urlaube im Jahr im Süden? Nein. Es muss sein, weil Papas Gehalt nicht gewachsen ist. Die Familie braucht das Mehr an Geld einfach. Es reicht nicht mehr, dass nur der Papa arbeiten geht. Auch die Mama muss verdienen, und dann kommt für beide noch der Haushalt dazu. Und dann sind da noch die Kinder, falls vorhanden. Die dürfen natürlich nicht so lange in der Familie bleiben. Ab in die Krippe mit ihnen. Damit Mama arbeiten kann, damit sie Geld verdienen kann, damit sich die Familie überhaupt eine Familie leisten kann.
Versteht mich hier nicht falsch: Angenommen, wir haben Familie A, die wirklich vom sehr guten Gehalt des Papas leben kann - und er läuft auch nicht Gefahr, irgendwann mal neoliberal weggekürzt und gefeuert zu werden, zumindest nicht, solange er nicht zu alt ist, und die Firma zu viel kostet (und obwohl seine langjährige Erfahrung pures Gold wert ist) - und die Mama könnte Zuhause bleiben... Tut sie aber nicht. Weil Frauen heutzutage gleichberechtigt sind. Weil auch die Mama sich beruflich verwirklichen will. Weil man ja "nicht nur Hausfrau" sein möchte. Weil man es gesellschaftlich gesehen auch gar nicht darf, denn "nur Hausfrau"? Hat die nichts gelernt? Kann sie nichts? Hauptberuf Ehefrau, oder was? Nein, dann lieber arbeiten gehen. Wozu gibt es denn Kindergärten und Krippenplätze?
Oder, noch besser, wozu überhaupt Kinder? Die sind eh zu teuer, und kaum einer kann sie sich mal leisten. Und wenn Papa mal in die Hartz IV-Mühlen gerät, dann hat man die Kleinen am Hals. Das geht ja auch nicht. Und man setzt ja auch viele Kinder mit Hartz IV gleich, also lieber nicht.
Nein, lasst diese Mama ruhig verdienen. Gleichberechtigt sein. Eigenes Geld haben (das klingt so dämlich, finde ich), und den zweiten Familienurlaub auf Malle finanzieren lassen. Und lasst sie sich was gönnen. Von ihrem Geld. Kleider, Schmuck, sowas dergleichen. Weil sie es kann. Sie hat ja dafür gearbeitet. Lasst ihr ihren Spaß und ihren Lebensweg.
Kommen wir zu Familie B. Vater ist Vollverdiener. Muss er auch sein. Frauen kriegen ja trotz Vollzeitstelle nicht das Gleiche wie die Männer. Aber der Kindergarten ist teuer. Ein Kind sowieso. Und in der Schule darf es nur mit Markenklamotten herum laufen, weil die anderen Eltern ihren Kindern einbläuen: Du, das Kind trägt Sachen aus dem KiK, die Eltern haben kein Geld, halte dich von dem fern.
Mama MUSS arbeiten. Damit genügend Geld da ist. Damit sie den Lebensstandard halten können. Oder wenigstens nicht zuviel davon aufgeben müssen. Das Geld wird dringend gebraucht. Auch für die Kinder. Falls sich die Familie überhaupt Kinder leisten kann.
Irgendwie geht es dann doch. Irgendwie kriegen sie immer genügend zusammen. Für die Hypothek auf das Haus. Für die laufenden Kosten beim Auto. Für die Krippe, für den Kindergarten. Für die Schulbücher, wenn das Bundesland mal wieder sparen will, und sie im Gegensatz zu all den anderen Bundesländern nicht finanziert. (Da fragt man sich, wann jemand allen Kindern ein Kindle kauft, und die Schulbücher digital runter lädt. Was wäre das für eine Erleichterung im Schulranzen.)
Und vielleicht, nachdem man geRiestert hat und noch einen Bausparvertrag füttert, reicht es für einen bescheidenen Urlaub auf Malle.
Um das, worum es mir geht, noch mal heraus zu arbeiten:
Lasst Familie A am Leben. Lasst die Mama Geld verdienen, für ihren Luxus, für den Luxus der Familie. Sie hat einen Job, und gut ist. Und egal, ob ich das Prinzip einer Krippe mag oder nicht, sie scheint es zu mögen und zu nutzen.
Was aber Familie B angeht, in der die Mama arbeiten muss, damit es die Familie überhaupt geben kann, so frage ich mich doch eines: Damals, in den Siebzigern und Achtzigern, als ich Kind war, da war es vollkommen normal, das es nur einen Verdiener gab. Das war der Durchschnitt, und die Familie kam damit sehr gut zurecht. Wo zum Henker sind diese Zeiten hin? Nichts gegen eine Mama, die halbtags oder ganztags arbeitet oder arbeiten kann, weil die Schule eine Ganztagsbetreuung anbietet (oder weil die Kleinen einen Schlüssel um den Hals tragen und in der Mikrowelle das fertige Essen steht), vor allem im Zuge der Gleichberechtigung ist gegen arbeitende Frauen überhaupt nichts einzuwenden. Aber dass sie mittlerweile arbeiten MÜSSEN, ist schlicht und einfach furchtbar. Das gilt aber auch für den Papa, wenn die Mama besser verdient als er; der Papa darf auch nicht als Hausmann Zuhause bleiben. Er muss ebenfalls ran am Arbeitsmarkt, und wenn er nur die Hälfte kriegt, weil er in seinem Sechzig Stunden-Job nur sechs Euro Stundenlohn kriegt.
In diesem Land konnte man einmal von einem vollen Verdienst eine Familie mit drei Kindern groß ziehen. Ja, das war mal so, auch bei knappem Kindergeld.
Heutzutage geht das nicht mehr. Nichts dagegen zu sagen, wenn beide arbeiten wollen. Aber arbeiten zu müssen, das ist furchtbar. Nicht, weil ich arbeitsscheue Menschen fördern möchte, sondern weil auf diese Weise die Reihen der Zeitarbeiter gefüllt werden, der Niedriglohn-Sparten, der Haustarifler.
Und damit beginnt der Teufelskreis, der dazu führte, das ein Verdiener nicht mehr reicht. Dadurch, das so viele Unternehmen kaum etwas für die harte Arbeit ihrer Leute zahlen, machen sie Unternehmen, die das sehr wohl tun, Konkurrenz. Diese denken, ganz neoliberal, dass sie am Besten bei den Personalkosten sparen, um wettbewerbsfähig bleiben zu können, und ein Verdiener in der Familie kriegt weniger Geld. Oder wird gefeuert. Prompt kann man auch im Niedriglohnsektor an der Lohnschraube ziehen. Und zwar kräftig, weil man ja bei den geringen Lohnnebenkosten der Konkurrenzbetriebe sonst nicht kostengünstig arbeiten kann. Mindestlöhne gibt es ja nicht, also können sie sich schadlos halten. Ergebnis: Die Betriebe, die ihre Mitarbeiter schon schlechter entlohnen (weil sie glauben, es zu müssen), werfen einen Teil von ihnen raus, und holen sie als Zeitarbeiter zurück. Weil, sie kennen die Produktionsabläufe, oder? Das bedeutet Mehrkosten für den Betrieb, die eingespart werden müssen. Oder sie schmeißen gleich Leute raus oder senken wieder die Löhne. Und was passiert dann? Beide Elternteile müssen arbeiten, weil das Geld hinten und vorne nicht reicht. Ziel erreicht, neoliberale Wirtschaftsideologie.
Fazit: Ich wünsche mir die Siebziger zurück, in der es nur einen Verdiener geben musste. Ich will nicht, dass die Mama aufhört zu arbeiten (oder der Hausmann-Papa), aber ich will, dass sie es darf, wenn sie es will (beziehungsweise er). Und wenn sie wegen der Selbstbestätigung lieber doch arbeiten geht, dann soll ihr Gehalt den Wohlstand der Familie vergrößern, nicht die gröbsten Löcher im Budget füllen. Warum ist das heutzutage nicht mehr möglich?
Darauf gibt es nur eine Antwort: Die Löhne und Gehälter sind im direkten Vergleich nicht mehr groß genug, verglichen mit den Siebzigern. Autsch.
Sechzehn Jahre Kohl, sieben Jahre Schröder, und Fegefeuer mit Angela Merkel. Doppel-Autsch.
Oder um mal das MAD zu zitieren: Warum vom Urlaub in einem Billiglohn-Land träumen? Dank Angela Merkel leben Sie selbst bald in einem.
Dem ist nichts mehr hinzu zu fügen.
P.S.: Ich will die Siebziger zurück.
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