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Samstag, 4. August 2012

An unsere Olympioniken

Tja, es ist mal wieder soweit. Unsere Zeitungen sind voll davon, ob eine Reichensteuer ethisch ist, vergessen dabei aber immer die Beitragsbemessungsgrenze, die kein bisschen ethisch ist und hilft, dass Reiche ohne jede Leistung noch reicher zu werden, ob sie wollen oder nicht; sie diskutieren ob Griechenland in der Eurozone verbleiben darf, wobei der einzige, der über das Ausscheiden entscheiden kann, Griechenland ist - und Deutschland unter Merkel versucht krampfhaft, den kleinen Staat am Balkan derart kaputt zu sparen, damit er das auch tut, was ich moralisch widerwärtig, abstoßend und primitiv finde; dann wird über die Ethik der Sterbehilfe diskutiert, und ich frage mich, was schwerer wiegt: Das Recht am eigenen Tod, oder das Recht der Krankenhäuser, für letztendlich sinnlose Therapien über Jahre oder gar Jahrzehnte Lebenserhaltende Maßnahmen oder Therapien abrechnen zu können. Die Welt und unsere Medien sind voll von skurrilen Nachrichten, die versuchen, sich selbst ernst zu nehmen, wenn  es denn schon kein anderer tut.

Und mittendrin stehen sie auch, wenn es um Olympia geht. Richtig heuchlerisch wird es, wenn unsere Medien unseren Athleten in London vorab alles Gute wünschen, sie jetzt aber zu Losern, Versagern, Leistungsverweigerern erklären, und jede Goldmedaille, die wir nicht erringen, zum nationalen Verlust stilisieren. Dabei wissen wir doch alle, die sich für Olympia interessieren, dass Deutschland im Nationenranking stets zwischen Platz fünf und sechs angesiedelt ist, und wir deshalb gar nicht alle Wettkämpfe gewinnen KÖNNEN. Ich nenne so eine Berichterstattung Heuchelei.

Liebe Olympioniken Deutschlands, die Ihr seit Barcelona (wieder, wie zuvor in den Fünfzigern und Sechzigern) das große Privileg habt, für ein geeintes Deutschland in Euren Disziplinen antreten zu dürfen; die Ihr durch Eure Leistungen das RECHT erworben habt, in Euren Disziplinen Deutschland in London zu vertreten; die Ihr Euer Bestes gebt, um Deutschland würdig zu vertreten...
Hört nicht auf die Spinner, die von Steuergeldverschwendung für "nicht erfolgreiche Sportsparten" schreiben, die Gold sehen wollen, als wären sie phönizische Händler. Hört nicht auf Typen wie Wagner, die vorab nett kommen, und hinterher "Versager" schreien. Wer von denen ist oder war denn Sportler, Sportwissenschaftler oder sogar jemals im eigenen Leben Olympionike? Ich wette, nicht allzu viele. Und eine andere Wette stelle ich auf: Das Gros dieser vollkommen überzogen negativ berichtenden Aasgeier ist garantiert in der Disziplin Couchpotato Teil der Welt-Elite.

Liebe Olympioniken, Ihr seid oder wart in London, zu den Olympischen Sommerspielen. Vier Jahre habt Ihr gekämpft, gearbeitet, gerackert, um die Qualifikation zu schaffen. Vier Jahre oder länger habt Ihr gewartet, um diese Tage zu erleben. Vier Jahre, um Euch im Zeitraum von gut zwei Wochen in Euren Disziplinen mit den Besten der Welt zu messen. Ihr habt Tage vor und hinter Euch, die so nie wieder kommen werden, auch nicht bei den nächsten Sommerspielen. Leute, dies ist Olympia! Euer Olympia! In unserer verrückten, spießigen und dem Spiel des Geldes ausgelieferten Welt DAS Ereignis, das Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit unter allen Menschen symbolisiert. Die Welt versammelt zu friedlichen Spielen, zum friedlichen Wettstreit. Dies ist Eure Zeit! Dies ist Eure Gelegenheit! Viele, wenn nicht die Meisten von Euch sind angetreten, ohne überhaupt Hoffnung zu haben, Gold zu erringen, überhaupt aufs Treppchen zu kommen, oder wenigstens Blech zu kriegen - Ihr seid trotzdem in London.
Und, auch wenn es die BLÖD und Wagner nicht sind, ICH bin stolz auf jeden deutschen Olympioniken, der es bis hierhin geschafft hat. Ihr habt bereits so viel geleistet, und selbst wenn Ihr Eure Wettkämpfe nicht gewinnt... IHR nehmt daran TEIL! Was beneide ich Euch.
Lebt diese Tage. London kommt nie wieder. Und wenn dabei Medaillen heraus springen, erwartete oder unerwartete, krönt das das Erlebnis, sicher, und es befriedigt die Eitelkeiten von Leuten, die mit EUREM Erfolg aber auch rein gar nichts zu tun haben. Wagners zum Beispiel.
Zieht Euer Ding durch. Macht die Spiele. Und bleibt bis zur Abschlussfeier.

Um ehrlich zu sein, ich beneide Euch. Zu gerne wäre ich in meinem Leben einmal nach Olympia gefahren, wäre unter der deutschen Fahne, wie die Athleten aller anderen Nationen, einmarschiert, hätte Menschen kennenlernen wollen aus vollkommen anderen Disziplinen und zu Gelegenheiten, die es so nie gegeben hätte. Hätte dabei sein wollen, wenn sich die Welt trifft, zum friedlichen Wettstreit.
Mit Russen, Aserbaidschanern, Leuten aus Obervolta, Venezuela und Samoa einen Toast ausgebracht... Leider habe ich mich nie dazu aufraffen können, besonders sportlich zu sein, und/oder meine Sportart zu finden.
Nehmt diesen Neid, und seht ihn als Bewunderung, als Wertschätzung, als meinen Stolz auf Euch. Macht Euer Ding, egal was passiert. Ich bin schon stolz auf Euch. Und wenn ganz Deutschland schimpft "wie schlecht die Leistungsverweigerer doch sind", meinen Respekt für Euch können die Euch nicht mehr nehmen.
Und ach ja: Habt verdammt noch mal Spaß in London.

Euer Ace

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hallo Ace!
Du sprichst mir aus der Seele. Deutschland ist zum Meckerland geworden. Nur Höchstleistungen zählen und nur die Goldmedaille ist der Bringer. Silber oder Bronze sind schon kaum noch nennenswert. Vierter Platz? Holzklasse!
Ich finde das einfach abstoßend! Schließlich haben andere Nationen auch gute, hart trainierende Athleten und nur der Beste kann gewinnen. Wenn andere Nationen die besseren Athleten haben steckt natürlich Doping dahinter, was sonst. Da musste ich Franziska van Almsik Tribut zollen, dass sie dem Reportern mal ordentlich die Nase gewaschen hat und sagte, dass diese Leistungen durchaus auch ohne unterstützende Mittel möglich sind.(Es ging um die 16 jährige Chinesin im Schwimmen) Aber bestimmte Fernsehsender und Zeitungen machen alles runter wo es nur geht.
Wir stehen beim Medaillenregen nicht an der Spitze und damit ist jeder Sportler faul. Nun gut, bei ihnen ist es ein Beruf, aber sie sind Menschen und keine Maschinen. Deshalb sollte jeder Athlet, der sich für die Olympischen Spiele dank Ausdauer und Beharrlichkeit, sowie Leistung qualifiziert hat geachtet werden.
Die wenigsten Redakteure und Journalisten haben selbst erfolgreich Hochleistungssport betrieben um wirklich darüber Auskunft geben zu können. Eigentlich hättest du erwähnen müssen, dass viel weniger Sportler als Journaille zu den olympischen Spielen gefahren sind...

LG betty 0815

Ace Kaiser hat gesagt…

Hallo, betty.
Mit Deinem Kommentar sprichst widerum Du mir aus der Seele.
Es gibt nur eine kleine Stelle, die ich ergänzen muss: Die meisten Athleten in London sind keine Berufssportler, sondern machen "ihr" Olympia neben dem ganz normalen Beruf.
Ein Glück, wenn sie bei der Bundeswehr sind und in die Sportkompanie berufen wurden. Dann werden sie wenigstens regelmäßig bezahlt.

Am Meisten regt mich die Scheinheiligkeit eines Wagners auf, der vor den Spielen rumtönt, er hätte jeden Olympioniken trotzdem lieb, empfiehlt aber den Schwimmern eine Woche später, sie sollten Hafer fressen, weil die Pferde damit auch erfolgreich waren. So eine Einstellung ist typisch für ihn, und sie kotzt mich an.

Danke für Deinen Kommentar. Er hat mich sehr angesprochen.